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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,1.1929-1930

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Heft 5 (Februar 1930)
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Herrigel, Hermann: Bemerkung: Auftrag und private Sphäre
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https://doi.org/10.11588/diglit.8887#0385

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ver Arbeiter urid AngesteUlen ganz zu unterdkücken, so berauben sie damit den Betrieb
auch des persönlichen Einsatzes und der persönli'chen Derankwortung seiner Ange-
stellten.

Daß der Beamtc oder Angestellte n u r Funklionär eines fremden Willens, des Wil-
lens des Auftraggebers, sein soll, ist eine gänzlich unmögliche Auffassung des Be-
amten-, überhaupt des Beauftragtenverhältnisses. Das hat nichts mit der verfas-
sungsmäßigen oder beamtenrechtlichen Sicherung seiner persönlichen Freiheit, etwa
der politifchen Stellungnahme, zu tun, sondern ist in der Grenze jeder rechtlichen
Fassung deö Beamteiwerhältm'sses begrundet. Die Auffassung, die den Beaufkragken
nur zum objektiven Organ seines AuftragS machen will, vergißt, daß die individuelle
Eigenart auch mit dem besten Willen nicht ausgelöfcht werden kann, daß der Deauf-
tragte, auch wenn er wollte, sich nicht restlos objektivieren kann; weiter aber auch,
daß er sich nicht auf den bloßen Jnhalt seines AuftrageS befchränken kann, weil der
Auftrag immer unvollständig ist. Was bei dieser Befchränkung herauskommt, sehen
wir bei Eulenspiegel. Jn der Rechtsphilosophie spricht man von der Lücke im Necht,
und in der Tat ist sie der richtige Ansatz für den Rechtsphilosophen, weil hier die
eigentlichc Rechtssubstanz sitzt. Um der Lücke im Recht willen muß der Richtec
Rechtsfinder sein, der die Lücke ausfüllt.

Aber di'e Lücke ist nicht bloß im Recht, sondern in jcdem Auftrag. Selbft der Dienst-
auftrag eines Porticrs ist lückenhaft und erhält in gewissem Nahmen seine Zlusfül-
lung erst durch die persönliche Eigenart deS Beauftragten. So wenig wie ein Mi-
nifter ist auch ein Portier wie der andere. Der Rahmen nur ist sein Auftrag, und jeder
Auftrag ist bloß Rahmenauftrag, der Auftrag des Beamten cbenso wie das Recht
oder die Moral oder die gesellfchaftliche Sitte. Nahmenauftrag heißt aber, daß der
Auftrag nur formale Dorschriften enthält, die vom lebendigen Menfchen auögefüllt
werden müssen. Nie, an keiner Stelle, i'st mit einer Forderung alles gesagt, so daß
sie nur einfach wörtlich angewandt werden dürfte; es ift vielleicht nicht eimnal daö
Wesentlichc damit gcsagt, denn gerade dieS liegt im Wie der Anwendung. Ueber
den Wcrten aller formulierten Forderungen fteht ein andereS Wertsyftcm, das sich
in keinc Fordernng einbeziehen läßt, sondern sich jeder Bestimmtheit entzieht, denn
wenn cü auch beftimmt würde, so würde es doch wieder nur das Bestimmte, nie
aber das Unbestimmte erfassen. Wie weit auch der Horizont gesteckt wird, immer
fchließt er nur das Nahe, nie das Ferne ein. Jmmer gehört abcr auch die Ferne mit
zu unserer Welt. Jhre Offenheit ist eS, die den persönlichen Einsatz fordert.

Ieder Beamte fteht in der Spannung seineS Auftrageö und seiner Jndividualität mit
ihrem Fond und ihren Grenzen. Das Spannungsverhältnis ift aber nicht an allen
Stellen der Stufenleiter dasselbe. An den unteren Stellen überwiegt der Auftrag
den persönlichen Einsatz, an den oberen Stellen dagegen überwiegt zunehmend der
persönliche Einsatz den Auftrag. Die theoretifchen Grenzfälle sind nach unten der
Subalternbeamte, bei dem alles Persönliche in seiner Dienstvorfchrift aufgeht, nach
oben der Diktator, dcssen persönlicher Wille zugleich sein Auftrag ist.

Zu unseren Brldern

onore Daumier (1808—-g): Der Berliner Kunftforfcher und Sammler

Eduard Fuchö ist ebcnso unermüdlich wie fi'ndig im Suchen dessen, was jeweils

sein Interessc reizt. So danken wir ihm auch das Malwerk DaumierS, das di'e un-
erläßliche Ergänzung zu dessen Graphik bildet. Jn einem wahrhaft monumentalen
Band, den der Vcrlag A. Langcn, München, vorbildlich ausgeftattet, hat Fuchö
vor zwei Jahren daö Ergebniö seiner mühevollen, aber erfolgrcichen Arbeit vorgelegt.
Hentc fchon ift diese muftergültige Publikation vergriffen und erfcheint soeben in
neuer, um 18 Textilluftrationen und i-fo Abbildungen auf 62 Tafeln vermehrter

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