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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,1.1929-1930

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Heft 2 (Novemberheft 1929)
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Gogarten, Friedrich: Glaube und Wirklichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.8887#0145

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her, und die Elkern von ihren Kindern hcr, der, der befiehlk, von dem her,
dem er befiehlt, und der, der gehorchk, von dcm her, dem er gehorchk. Ilnd er
wird weiker nichk anders können als zu sehen, daß in diesen Bindungen Gokkes
Wille walkek, eben derselbe Wille, den er erkannk hak im Glauben an die
Schöpfung und an die Erlösung. Und dann wird ihm klar werden, daß wir
Menfchen in diesen Bindungen Gokkes Willen Lun können, ja, daß wir desscn
gcwiß sein dürfen, Gokkes Willen zu tun und nach Gokkes Willen zu leben
mik allem, was wir in diesen Bindungen Lun, und sei es an und für sich, das
heißt als unsere Tak noch so unvollkommen, noch so nnrein. Ia, wir dürfen
dann dessen gewiß sein, daß alles, was wir da tun, heilig isl. N!ichk weil
wir es Lnn, sondern weil es Goktes Wille isl, weil es Gokkes eigenes Werk
ist. Denn alles, was wir da kun, das gehk in der Liebe. Nicht in unserer
Liebe. Melleicht auch das. 2lber das is! nichk enkfcheidend, sondern in dcr
Liebe, die Gokk zu den Menfchen hak, die sein Wille der Welk gegenüber ist.
Erst wenn dieses Lehke, übcr den Glauben an die Heiligung unseres all-
käglichen Lebens in der Welk Gesagke, erkannk ist, ist die volle Zusammen-
gehörigkeit von Glaube und Wirklichkeit erkannk. Erst dann ist deutlich, wie
der Glaube uns unsere Wirklichkeik aufdeckk und uns die Mögli'chkeit gibk,
in ihr zu leben, kroHdem wir fchuldig bleiben. Denn die Bindungen, in denen
wir zu den andern Menfchen stehen als Mann und Frau, Elkern und
Kinder, in Beruf und Arbeik, und in denen wir den anderen gegenüber immer
Schuldige bleiben, sie sind die Wirklichkeit unseres Lebeus, sie sind unser
wirkliches Leben.

Zu unseren Bildern

er Kunstwark-Derlag Georg D. W. Callwey hak soeben Rethels „Token-

kanz" neu herauögegeben und durch inkeressanke Proben der Originalzelch-
nungen bereichert; unser Mikarbeiter K. K. Eberlein fchrieb dazu einen Text, der
in das gefchichtli'che und künstlerifche Verständnis des WerkeS ei'nführt. Dieses selbst
ist durch die Wuchk und Fülle selnes Gehalkeö wie die markige Kraft der Form
eine Schöpfung großen Stils und von zeikloser Bedeutung. Wir benützen diesen
Anlaß, um Bildproben zu geben, anfchließend noch andere zu erläukern, sowie den
Gedanken des Tokenkanzes und der Todeö-Darstellung überhanpt i'n weikeren Dar-
stellungen zu veranfchaullchen.

Der Tod als Diener. Bleiftiftzeichnung. Das Blakk gehört geistig in die
Reihe des Totenkanzes, wurde aber in diesen nicht aufgenommen, da es seinem
Gehalt nach nichk in jene Folge des verderblichen Wükens der Revolution und
Volksverführung paßk. Der Stoff gehk auf ein tatsächliches Erleben des Künstlers
zurück: bei einer Abendvorlesung im Hans des berühmten Romankikers und Goekhe-
freundes CaruS, eines Dreödener Arztes, Naturforfchers und Malers, wurde ein
Vorleser plötzlich vom Schlag getroffen. — Was machke Rekhel aus dieser Ge-
gebenheik und Begebenheit? Während einer Pause werden Erfrischungen gereicht,
das erste Glas gehörk dem Redner. Kaum hat dieser den Becher geleert, so stürzk
er entseelt zu Boden, als ob lhm der Trunk der Labe zum Todestrunk geworden.
Wo vorher Ruhe und Sammlung alle einte, hat daS Dazwifchentreten deS TodeS
Aufregung und Verwirrung angerichtet. Die also veränderte Szene gibt das Blatt,
zugleich mir der Ahrumg des unmittelbar Vorausgegangenen und Folgenden: der
Tod geht rücksichkslos an seinem Opfer und den davon Betroffenen vorüber —
auf neue Beute auS. So werden Vergangenheit, Gegenwart und Zukurrfk in einS

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