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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,1.1929-1930

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Heft 4 (Januar 1930)
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Materialistischer Idealismus: (zum Fall Hugenberg) ; von einem Anhänger der Rechten
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https://doi.org/10.11588/diglit.8887#0251

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zu können. Bei aller sachlichen TüchllgkeiL und bürgerlichen UnanLaslbarkeit
war diese GeneraLion im PollLischen uuzulänglich; Lrotz allen alldeuLschen
Geredes, das am WesenLlichen vorbciging, war sie auf den Krieg in keincr
Weise seelisch und geistig vorbereiLeL. Sie hat dcn Krieg denn auch nnr zum
geringen Teil seelisch überlebL.

Diese ganze NichLung ist, zum schöpferischen Mitleben in der Nachkriegskrise
zu alt, in der Rückschau aus das Vergangene stecken geblicben, sie gehk, auch
wenn sie früher den Kaiscr nichL liebLe, jeHL nach Doorn, sie ist, im Jnnersten
verleHL und ohne Versiändnis für die Lieferen Ursachen der KaLastrophe, znm
Bersten voll von unfruchLbaren RcsscnLimenLs; da sie meistcns zum Mit-
kämpfen in der FronL schon zn alL oder zu unabkömmlich (ohne Jronie!) war,
ist ihr Bedarf an Krieg nichL gcdeckL, ein hysterischer TäLigkeiLsdrang, der
sich gegen den äußeren Feind nicht entladen kann, stürzL sich auf den inneren.
Was bei heißer Baterlandsllcbe und richllgen ErkennLnissen begonnen haktc,
endeL beim innerpollllschen Gezänk. Was einst eine stolze Konzeption dcs
national-liberalen Neichsbaus gewesen war, wird jeHL zum giftig verzeLLelken,
nervösen und unsicheren Parteihader und zum nebulosen innerpolillschm Ep-
perimentieren.

Ein Teil diescr Generation ist in Iugendtagen nicht ohnc gesundcs konserva-
Lives Gefühl für die lebendi'gen KräfLe dcr Rkation gewesen. Hugenberg selbst
ist ein Beispiel dafür. Er kommL als BeamLer nach deni Osten und erlebt
dic Volksgrenze. Durchaus nichk mit preußischen Beamtenscheuklappen. Was
er in seinen „Streiflichtern aus VergangenheiL und Gegenwark" über innere
Kolonisakion schreibt, ist konservaLiv gedachk. Er war als verhältnismäßig
jungcr Mensch in eine sehr gute konservallve llmgebung und Schulung ge-
kommen. Männer wie der Vater der iimercn KolonisaLion von Schwerin
und der verdiensivolle Posener Borkämpfer und Genosfenschaftsmann Leo
Wegener bedeuteten befte konservative Tradillon. Schlicßlich mußke er ja
auch aus seiner westfälischen Heimak Verständnis für Sclbstverwaltung
und für Skeinsche Gedanken mitbringen. 2lbcr das ging alles unker in einem
gewissen fast klcinbürgerllchen RespckL vor den herrschenden Mächken, nnd
wenn er schreibk: „wir müssen unser Bolk auf der ganzen Linie wicder enk-
bürokratisieren" — so ijt das edle AbsichL, abcr die Wege zu ihrer Aus-
führung führten immer wicder miLLen ins dunkelste BürokraLentum.

Die Wendung zum mechanischen Denken ergab sich dcnn auch, sobald die gut
konservativen Einflüsse des Ostens zurücktraten uud der iudustrielle Westen
den Krupp-Direktor umgab. Ähnlich wie sein Freund Ludwig Bernhard,
nachdem er ein sehr verdienstvolles Buch über die Polenfrage gcschrieben haLLe,
in ein sozialreaktionäres Fahrwasser geriet, beginnk er nun im Bordergrundc
Lcchnisch-organisaLorische Fragen zu sehen. Im Westen entwickeln sich seine
finanz-organisatorischen TalenLe, indem er es unLcrnimmL, die IlnLerstüHungs-
gelder der Indusirie zu sammeln und „anzulegen". 2lls BcrLrauensmann
der Industrie macht er seinen Weg. Er häufk von da an MiLtcl auf MitLcl,
ApparaL auf ApparaL. Sein ganzes Leben wird ei'n dauerndes Rüsten. Wo-
für? Den Inhalt für scine Arbeit haLLen di'e Posencr Iahre und ihre kon-
scrvativen Grunderlebnissc geben sollcn: Stärkung der bodensiändigen Kräfte
gegenüber den nicht an die Rkaüon gebundenen. So formulicrL cs ctwa Ludwig

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