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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0082

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78

Kapitel II

London zum König weihen und sicherte seine Legitimität als englischer Herr-
scher zusätzlich, indem er Margarete von Schottland heiratete, die durch ihre
Mutter aus dem alten angelsächsischen Königsgeschlecht stammte^. Durch

(Robert von Torigni): (Hezzrz'czzs) azzzzzzezzlzhzzs czzzich's Francis ct Anglz's ... regale dz'adezzza szzscepz'f,
zzndg pirzn'zzzz szzzzl ietati, zyzzod zzzodo regem zzafazzz de rege et regz'zza natam et natrz'tam in Angiia Iza-
tzere mernissent; vgl. Adrian MOREY/Christopher N. BROOKE, Gilbert Foliot and His Letters
(Cambridge Studies in Medieval Life and Thought 11), Cambridge 1965, S. 111 f.;
Christopher N. BROOKE, The Saxon and Norman Kings, London 1963, S. 177 f.
Die Vorstellung, daß ein nach dem Aufstieg seines Vaters zum Herrscher geborener Sohn
gegenüber seinen älteren Brüdern besondere Legitimität besitze, ist seit dem 8./9. Jahrhun-
dert vor allem in Byzanz nachweisbar. Dort hatte die Kaiserin das Vorrecht, im Purpursaal
des Palastes zu entbinden; die Bezeichnung poz-pTzyrogenefos wurde daher im Hochmittelalter
zur feststehenden Benennung für legitime Nachkommen eines Kaisers.
Da Dynastiewechsel im Westen weitaus seltener waren als in Byzanz, stellte sich das Pro-
blem der Differenzierung zwischen »königlichen« und »nicht-königlichen« Söhnen hier
nicht im selben Maße. Liutprand von Cremona, der sich als Gesandter Berengars von Ivrea
949 länger in Byzanz auf gehalten hatte und daher mit byzantinischen Vorstellungen vertraut
war, verwendete das Konzept der Porphyrogenitur, um den Streit der Söhne Heinrichs I. um
die Nachfolge zu erklären: Schlechte Ratgeber hätten Heinrich, dem Vater Heinrichs des
Zänkers, eingegeben, er sei als regia zu dz'gfzz'üzie genz'fzzs eher zur Herrschaft berufen als sein
älterer Bruder Otto; Liutprandus Cremonensis, Antapodosis (CChrCM 156; ed. Chiesa), S.
107 (IV. 18). Die nachweisbare Verbreitung dieses Textes im Mittelalter blieb allerdings auf
das Reich (Italien, Freising, Österreich, Lothringen und die Niederlande) beschränkt; Paolo
CHIESA, Per una storia del testo delle opere di Liutprando di Cremona nel medioevo, in: Fi-
lologia Mediolatina 2 (1995), S. 165-191.
Positiv konnotiert findet sich die Vorstellung, daß ein zu azzia regaiz geborener Sohn einen
vorrangigen Anspruch auf die Nachfolge erheben könne, dagegen in der späteren Fassung
der Lebensbeschreibung der Königin Mathilde, die Heinrich II. um 1010 in Auftrag gab; Vita
beatae Mathildis reginae Germaniae posterior (MGH SRG 66; ed. Schütte), S. 156 und 161.
Der Überarbeiter der Vita fügte den Gedanken seiner Vorlage ein, um den Begründer der
bayerischen Linie der Ottonen besonders hervorzuheben und den Aufstieg Heinrichs II.,
seines Enkels, zum Königtum dynastisch zu legitimieren; vgl. Bernd SCHÜTTE, Untersu-
chungen zu den Lebensbeschreibungen der Königin Mathilde (MGH Studien und Texte 9),
Hannover 1994, S. 89 und 104-110 (auch zu Liutprand). Es ist nicht ausgeschlossen, daß die
Verweise auf die königliche Geburt Heinrichs I. von dieser Darstellung abhängig sind. Hein-
richs Tochter Mathilde könnte, nachdem sie 1114 mit Kaiser Heinrich V. verheiratet worden
war, Kenntnis der Vita ihrer namensgleichen heiligen Vorgängerin an den Hof Heinrichs I.
vermittelt haben. Es muß daher offenbleiben, ob Heinrich I. das Argument, als Sohn eines
Königs und einer Königin geboren zu sein, tatsächlich 1100 selbst verwendete oder es erst
nachträglich in die historiographische Legitimation seines Königtums integriert wurde: Or-
dericus Vitalis schrieb das achte Buch seiner »Historia Ecclesiastica« vermutlich zwischen
1133 und 1135; Ordericus Vitalis, Historia ecclesiastica (OMT; ed. Chibnall), Bd. 4, S. XIX.
Robert von Torigni verfaßte seine Redaktion der »Gesta Normannorum Ducum« 1138/1139,
folgte dabei jedoch (so auch hier) eng der »Brevis relatio de origine Willelmi Conquestoris«,
für deren älteste erhaltene Fassung van Houts eine Entstehungszeit zwischen 1114 und 1120
nachweisen konnte; Gesta Normannorum Ducum (OMT; ed. van Houts), Bd. 1, S. LXXIX f.
und LXXXIV f.; Elisabeth M. C. van HOUTS, The Manuscripts, Dates and Variants of the
'Brevis Relatio', in: Anglo-Norman Studies 10 (1987), S. 180-183.
77 Chronicon Saxonicum (ed. Plummer/Earle), Bd. 1, S. 236: »Und wenig später nahm der Kö-
nig Mathilde zur Frau, die Tochter König Malcolms von Schottland und der guten Königin
Margarete, eine Verwandte König Edwards aus der rechten Königsfamilie Englands« (ewae-
rze Fadzaardes cyrzges zzzagazz and o/Jzazz rdztazz Aezzgia iazzdes kyzze H/zzzre); vgl. Ordericus Vitalis,
Historia ecclesiastica (OMT; ed. Chibnall), Bd. 5, S: 298. Margarete die Heilige von Schott-
land war eine Tochter des einzigen Sohnes Edmunds II. Ironside. Edmund stammte aus
Aethelreds II. erster Ehe und war somit ein Halbbruder Eduards des Bekenners. 1016 war er
 
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