England und Frankreich nach 1066
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den Sohn des Grafen von Anjou, geheiratet hatte, und 1133 nach der Geburt
ihres Sohnes Heinrich wiederholten die Barone ihren Eid.
Dennoch kam es nach dem Tod Heinrichs I. 1135 zum Konflikt mit Ste-
phan von Blois: Gestützt auf die Zustimmung der Londoner Bürger und eini-
ger Barone, ließ er sich kaum drei Wochen nach Heinrichs I. Tod zum König
krönen und verschaffte sich so einen entscheidenden Vorteil vor Mathilde,
die 1139-1148 als Nomina AngbrMm nur im Südwesten Englands Anerkennung
fand und in ihrer Herrschaft weitgehend auf das von ihrem Halbbruder Ro-
bert von Gloucester kontrollierte Gebiet beschränkt blieb. Dagegen gelang es
Gottfried von Anjou, in den Jahren 1137 bis 1144 die gesamte Normandie un-
ter seine Kontrolle zu bringen. Eine Teilung des Erbes Heinrichs I. zeichnete
sich ab. Die England und die Normandie verbindenden Familien- und Besitz-
strukturen, die in den Jahrzehnten zuvor gewachsen waren, standen einer
solchen Lösung jedoch entgegen. Weder Mathilde und Gottfried noch Ste-
phan von Blois, der sich auf seinem Siegel weiterhin rex Angiomm cf dax Nor-
wannomm nannte, gaben zu irgendeinem Zeitpunkt ihren Anspruch auf das
gesamte Reich Heinrichs I. auG\
92 Marjorie CHIBNALL, The Empress Matilda. Queen Consort, Queen Mother and Lady of the
English, Oxford 1991; vgl. auch Graeme J. WHITE, The Myth of the Anarchy, in: Anglo-
Norman Studies 22 (1999), S. 323-337; Jim BRADBURY, Stephen and Matilda. The Civil War of
1139-53, Stroud 1996; Marjorie CHIBNALL, Normandy, in: The Anarchy of King Stephen's
Reign, hg. v. Edmund King, Oxford/New York 1994, S. 93-115; Ralph H. C. DAVIS, King
Stephen, 1135-1154, London/New York 1990; Karl LEYSER, The Anglo-Norman Succession,
1120-1125, in: Anglo-Norman Studies 13 (1990), S. 233-239; Karl Rudolf SCHNITH, 'Regni et
pacis inquietatrix'. Zur Rolle der Kaiserin Mathilde in der 'Anarchie', in: Journal of Medieval
History 2 (1976), S. 135-158; HOLLISTER 1975; John LE PATOUREL, What Did Not Happen in
King Stephen's Reign, in: History 58 (1973), S. 1-17; C. Warren HOLLISTER/Thomas K. KEEFE,
The Making of the Angevin Empire, in: The Journal of British Studies 12 (1973), S. 1-25;
Ralph H. C. DAVIS, What Happened in Stephen's Reign 1135-54?, in: History 49 (1964), S. 1-
12; Oskar RÖSSLER, Kaiserin Mathilde, Mutter Heinrichs von Anjou, und das Zeitalter der An-
archie in England (Historische Studien 7), Berlin 1897. Hauptquelle ist (neben Ordericus Vi-
talis, Heinrich von Huntingdon, Johannes von Worcester und dem Anglo-Saxon Chronicle
E) Guilelmus Malmesburiensis, Historia novella (OMT; ed. King/Potter), im Kem eine bis
1142 reichende Geschichte der Nachfolge Heinrichs I., beginnend mit der Designation Ma-
thildes als Nachfolgerin 1127 (S. XXXIX). Die Perspektive der anderen am Konflikt Beteilig-
ten bieten für Stephan von Blois die Gesta Stephani regis Anglorum (OMT; ed. Pot-
ter/Davis) und für Gottfried von Anjou - wenngleich erst um 1180 verfaßt und in vielem
unzuverlässig - Johannes Maioris Monasterii, Historia Gaufredi (CTSEH 48; ed. Halphen).
Zum Bild Mathildes in der Historiographie und zur Akzeptanz ihres Anspruchs auf die
Nachfolge vgl. Lois L. HUNEYCUTT, Female Succession and the Language of Power in the
Writings of Twelth-Century Churchmen, in: Medieval Queenship, hg. v. John Carmi Parson,
New York 1993, S. 189-221; zum Bild Gottfrieds von Anjou in der Historiographie vgl. Jim
BRADBURY, Geoffrey V of Anjou, Count and Knight, in: The Ideals and Practice of Medieval
Knighthood III, hg. v. Christopher Harper-Bill/Ruth Harvey, Woodbridge/Dover 1990, S.
21-38.
Daß der Besitz vieler Adliger auf beiden Seiten des Kanals für sie ein handlungsleitendes
Motiv in der Entscheidung über die Nachfolge war, zeigt Ordericus Vitalis, Historia eccle-
siastica (OMT; ed. Chibnall), Bd. 6, S. 454. Er berichtet zu 1137, die Barone der Normandie
hätten sich zunächst für Theobald von Blois als Nachfolger Heinrichs I. entschieden. Als sie
jedoch hörten, daß die englischen Barone dessen jüngeren Bruder Stephan erhoben hatten,
hätten sie ihre Entscheidung umgehend revidiert und beschlossen nni donu'no miiifare propfer
Sonores, ^nos in Grones possz'debanf regione.
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den Sohn des Grafen von Anjou, geheiratet hatte, und 1133 nach der Geburt
ihres Sohnes Heinrich wiederholten die Barone ihren Eid.
Dennoch kam es nach dem Tod Heinrichs I. 1135 zum Konflikt mit Ste-
phan von Blois: Gestützt auf die Zustimmung der Londoner Bürger und eini-
ger Barone, ließ er sich kaum drei Wochen nach Heinrichs I. Tod zum König
krönen und verschaffte sich so einen entscheidenden Vorteil vor Mathilde,
die 1139-1148 als Nomina AngbrMm nur im Südwesten Englands Anerkennung
fand und in ihrer Herrschaft weitgehend auf das von ihrem Halbbruder Ro-
bert von Gloucester kontrollierte Gebiet beschränkt blieb. Dagegen gelang es
Gottfried von Anjou, in den Jahren 1137 bis 1144 die gesamte Normandie un-
ter seine Kontrolle zu bringen. Eine Teilung des Erbes Heinrichs I. zeichnete
sich ab. Die England und die Normandie verbindenden Familien- und Besitz-
strukturen, die in den Jahrzehnten zuvor gewachsen waren, standen einer
solchen Lösung jedoch entgegen. Weder Mathilde und Gottfried noch Ste-
phan von Blois, der sich auf seinem Siegel weiterhin rex Angiomm cf dax Nor-
wannomm nannte, gaben zu irgendeinem Zeitpunkt ihren Anspruch auf das
gesamte Reich Heinrichs I. auG\
92 Marjorie CHIBNALL, The Empress Matilda. Queen Consort, Queen Mother and Lady of the
English, Oxford 1991; vgl. auch Graeme J. WHITE, The Myth of the Anarchy, in: Anglo-
Norman Studies 22 (1999), S. 323-337; Jim BRADBURY, Stephen and Matilda. The Civil War of
1139-53, Stroud 1996; Marjorie CHIBNALL, Normandy, in: The Anarchy of King Stephen's
Reign, hg. v. Edmund King, Oxford/New York 1994, S. 93-115; Ralph H. C. DAVIS, King
Stephen, 1135-1154, London/New York 1990; Karl LEYSER, The Anglo-Norman Succession,
1120-1125, in: Anglo-Norman Studies 13 (1990), S. 233-239; Karl Rudolf SCHNITH, 'Regni et
pacis inquietatrix'. Zur Rolle der Kaiserin Mathilde in der 'Anarchie', in: Journal of Medieval
History 2 (1976), S. 135-158; HOLLISTER 1975; John LE PATOUREL, What Did Not Happen in
King Stephen's Reign, in: History 58 (1973), S. 1-17; C. Warren HOLLISTER/Thomas K. KEEFE,
The Making of the Angevin Empire, in: The Journal of British Studies 12 (1973), S. 1-25;
Ralph H. C. DAVIS, What Happened in Stephen's Reign 1135-54?, in: History 49 (1964), S. 1-
12; Oskar RÖSSLER, Kaiserin Mathilde, Mutter Heinrichs von Anjou, und das Zeitalter der An-
archie in England (Historische Studien 7), Berlin 1897. Hauptquelle ist (neben Ordericus Vi-
talis, Heinrich von Huntingdon, Johannes von Worcester und dem Anglo-Saxon Chronicle
E) Guilelmus Malmesburiensis, Historia novella (OMT; ed. King/Potter), im Kem eine bis
1142 reichende Geschichte der Nachfolge Heinrichs I., beginnend mit der Designation Ma-
thildes als Nachfolgerin 1127 (S. XXXIX). Die Perspektive der anderen am Konflikt Beteilig-
ten bieten für Stephan von Blois die Gesta Stephani regis Anglorum (OMT; ed. Pot-
ter/Davis) und für Gottfried von Anjou - wenngleich erst um 1180 verfaßt und in vielem
unzuverlässig - Johannes Maioris Monasterii, Historia Gaufredi (CTSEH 48; ed. Halphen).
Zum Bild Mathildes in der Historiographie und zur Akzeptanz ihres Anspruchs auf die
Nachfolge vgl. Lois L. HUNEYCUTT, Female Succession and the Language of Power in the
Writings of Twelth-Century Churchmen, in: Medieval Queenship, hg. v. John Carmi Parson,
New York 1993, S. 189-221; zum Bild Gottfrieds von Anjou in der Historiographie vgl. Jim
BRADBURY, Geoffrey V of Anjou, Count and Knight, in: The Ideals and Practice of Medieval
Knighthood III, hg. v. Christopher Harper-Bill/Ruth Harvey, Woodbridge/Dover 1990, S.
21-38.
Daß der Besitz vieler Adliger auf beiden Seiten des Kanals für sie ein handlungsleitendes
Motiv in der Entscheidung über die Nachfolge war, zeigt Ordericus Vitalis, Historia eccle-
siastica (OMT; ed. Chibnall), Bd. 6, S. 454. Er berichtet zu 1137, die Barone der Normandie
hätten sich zunächst für Theobald von Blois als Nachfolger Heinrichs I. entschieden. Als sie
jedoch hörten, daß die englischen Barone dessen jüngeren Bruder Stephan erhoben hatten,
hätten sie ihre Entscheidung umgehend revidiert und beschlossen nni donu'no miiifare propfer
Sonores, ^nos in Grones possz'debanf regione.