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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0172

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168

Kapitel II

graphische Konstruktionen, die geeignet waren, durch einen weit ausholen-
den Rückgriff in die mittelalterliche Geschichte das neue Bündnis zu legiti-
mieren, das seine Bewährungsprobe im Ersten Weltkrieg gerade erst bestan-
den hatte
Das politische Interesse an der gemeinsamen Geschichte Englands und
Frankreichs im Mittelalter erlosch jedoch rasch, nachdem der gemeinsame
Gegner Deutschland niedergerungen war. Schon bald überwogen die außen-
politischen Differenzen der beiden großen europäischen Kolonialmächte, die
von den Folgen des Ersten Weltkrieges, der Inflation, der Weltwirtschaftskri-
se und schließlich der wachsenden Bedrohung durch das nationalsozialisti-
sche Deutschland in höchst unterschiedlicher Weise betroffen waren

WALLACH, Uneasy Coalition. The Entente Experience in Worid War I (Contributions in Mi-
litary Studies 146), Westport 1993; Keith M. WiLSON, The Policy of the Entente. Essays on the
Determinants of British Foreign Power, 1904-1914, Cambridge 1985, sowie jetzt insbesonde-
re die Beiträge des Sammelbandes Alan SHARP/Glyn STONE (eds.), Anglo-French Relations
in the Twentieth Century. Rivalry and Cooperation, London/New York 2000. Einen an-
schaulichen Überblick über die Phasen englisch-französischer Zusammenarbeit zwischen
1841 und 1946 gibt Gilbert MARTINEAU, L'entente cordiale, Paris 1984.
318 Vgl. neben Tout z.B. die schon in der Wahl des Titels programmatischen Werke Charles
CESTRE/Leslie Morton TURNER, France, England and European Democracy, 1215-1915. A
Historical Survey of the Principles Underlying the Entente Cordiale, New York/London
1918; Jean Marie Antoine de LANESSAN, Histoire de l'entente cordiale franco-anglaise. Les
relations de la France et de TAngleterre depuis le XVIe siede jusqu'ä nos jours, Paris 1916.
319 Das Ende des englisch-französischen Einvernehmens zeigte sich schon während der Frie-
densverhandlungen in Versailles, als die englische Seite die Garantie der Sicherheit Frank-
reichs gegen einen Angriff Deutschlands dadurch entwertete, daß sie in letzter Minute ihre
Zusage unverzüglichen Beistandes im Falle eines deutschen Angriffes von der amerikani-
schen Ratifikation des Vertragswerkes abhängig machte; Anthony LENTIN, Lloyd George,
Clemenceau, and the Elusive Anglo-French Guarantee Treaty, 1919, in: Anglo-French Rela-
tions in the Twentieth Century. Rivalry and Cooperation, hg. v. Alan Sharp/Glyn Stone,
London/New York 2000, S. 104-119, hier S. 107 f. Auch die englisch-französische Zusam-
menarbeit der folgenden Jahre konnte den »spirit of Cooperation« der Kriegsjahre nicht wie-
derbeleben. Das wechselseitige Verhältnis glich eher einer »marriage of convenience, based
on very different definitions of utility«. In diesem Sinne erklärte Poincare im November 1923
vor dem Senat: »Ich halte die erbeute für absolut notwendig. Aber ich mache mir keine Illu-
sionen über die wahren Gefühle Großbritanniens gegenüber Frankreich. Großbritannien ist
wie es immer war: Ein großer Rivale, der auf unserer Seite bleiben wird, weil er uns braucht,
so wie wir ihn brauchen«; Alan SHARP, Anglo-French Relations from Versailles to Locarno,
1919-1925. The Quest for Security, in: Anglo-French Relations in the Twentieth Century. Ri-
valry and Cooperation, hg. v. Alan Sharp/Glyn Stone, London/New York 2000, S. 120-138,
hier S. 125 und 134. Die französisch-deutsche Entspannung nach 1925 entlastete auch das
englisch-französische Verhältnis, doch setzten die Folgen der Weltwirtschaftskrise, der Auf-
stieg des Nationalsozialismus in Deutschland und unterschiedliche Auffassungen über die
anzustrebende Struktur einer Sicherheitsordnung für Europa der »close cooperation of the
Chamberlain-Briand years« schon bald ein Ende. Offen zutage trat der Konflikt auf der
Weltabrüstungskonferenz in Genf 1932-1934: Während Großbritannien zur Bewältigung des
Strukturwandels seiner Wirtschaft und seines Empires auf die Einsparung von Rüstungsko-
sten angewiesen war, lehnte Frankreich am 17. April 1934 angesichts des Aufstiegs des Na-
tionalsozialismus in Deutschland weitere Abrüstungsverhandlungen kategorisch ab;
Carolyn KiTCHING, The Search for Disarmament. Anglo-French Relations, 1929-1934, in:
Anglo-French Relations in the Twentieth Century. Rivalry and Cooperation, hg. v. Alan
Sharp/Glyn Stone, London/New York 2000, S. 158-179, hier S. 158. Gemeinsam trugen
England und Frankreich in den Jahren 1935 bis 1939 die Appeasement-Politik, doch erst im
 
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