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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0179

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England und Frankreich nach 1066

175

3. Im Schatten der Nationalgeschichten.
Die englisch-französischen Beziehungen als Fremdkörper in
den gnmd der mittelalterlichen Geschichte
Englands und Frankreichs

Die rechtliche Konstruktion der 1066 begründeten Verschränkung der Herr-
schaftsbereiche des englischen und des französischen Königtums ist auf den
ersten Blick so offensichtlich, daß sich eine nähere Betrachtung zu erübrigen
scheint: In England regierten die englischen Könige als gesalbte, gottunmit-
telbare Herrscher, für ihren Festlandsbesitz dagegen waren sie Vasallen des
französischen Königs.
Die augenscheinliche Evidenz dieser vom 10. bis zum 15. Jahrhundert
scheinbar unverändert bleibenden Rahmenbedingungen begrenzte die leiten-
den Fragestellungen moderner Historiker in doppelter Hinsicht:
Da die Grundlagen der englisch-französischen Beziehungen als bekannt
vorausgesetzt wurden, konzentrierte sich das Interesse der Forschung auf die
kleinteilige diplomatie- und politikgeschichtliche Analyse einzelner Ereignis-
abläufe. Das Verhältnis des englischen Königs zu seinem französischen Le-
hensherrn und seine Entwicklung wurde damit Teil der Msfoüc gvcngmcnhcFg,
als solcher in den letzten Jahrzehnten als wenig interessant empfunden und
vor allem in Frankreich seit der weitgehenden Durchsetzung der Annales-
Schule nicht mehr intensiv weiterbetrieben.
Das auffallend geringe Interesse, das die englisch-französischen Beziehun-
gen als eigenständiges Forschungsfeld bislang gefunden haben, ist allerdings
auch daraus zu erklären, daß sich die Beziehungen beider Könige zueinander
in keine der beiden gmnd TMrmhües der westeuropäischen Geschichte an zen-
traler Stelle eingliedern. Die enge Verschränkung der englischen und der
französischen Geschichte seit 1066 wurde in der Forschung zwar wahrge-
nommen, die Geschichte der Beziehungen beider Herrscher zueinander aber
tatsächlich aus nationaler Perspektive geschrieben. Weitgehend unverbunden
stehen daher zwei Geschichten der anglo-angevinisch-kapetingischen Bezie-
hungen nebeneinander.
Aus französischer Sicht verteidigten die kapetingischen Könige, indem sie
ihren Anspruch auf die Lehenshoheit aufrecht erhielten, die nationale Inte-
grität Frankreichs gegen eine zeitweise übermächtige Fremdherrschaft in
weiten Teilen ihres Reiches. Aus englischer Sicht dagegen kämpften die
Nachfolger Wilhelms des Eroberers - letztlich vergeblich - um die volle Un-
abhängigkeit ihrer Herrschaft in allen ihren Besitzungen. Beide nationale
Deutungsmuster stimmen jedoch darin überein, daß sie in den Festlandsbe-
sitzungen der englischen Könige Nebenländer sehen, ein erstes überseeisches
Kolonialreich, dessen Zentrum das englische Mutterland blieb. Als Teil der
englischen und der französischen Nationalgeschichte erwachsen beide Sicht-
weisen aus gegensätzlichen Tmrmüüg cmpZohngnts:
 
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