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Eickels, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt: die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 10: Stuttgart, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.34724#0266

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262

Kapitel IV

keit vorkommU. Auffälliger noch ist, daß alle fünf Belege im unmittelbaren
Umfeld des Aktes von St-Clair-sur-Epte stehen, der Gegensatz von Männlich-
keit und Unmännlichkeit in diesem Teil der Darstellung also eine besondere
Rolle zu spielen scheint.
Fj^crnznab' sind bei Dudo zunächst die Franken. Als König Karl Rollo um
eine dreimonatige Unterbrechung der Kampfhandlungen bitten muß und ihm
sogar große Landabtretungen und Geldzahlungen in Aussicht stellt, kom-
mentiert Dudo dies mit den Worten Franc?' z'w^cFcs amn's^Mc /ngidis zjMasz c^c-
aimaü peh'sscnf sccnnYafcm RoFomsG
Diese Zuschreibung ist jedoch nicht etwa national begründet. Die Franken
sind nicht von Natur aus die Beeinträchtigung ihrer Maskulinität
erwächst vielmehr aus ihrem Verhältnis zum Königtum. Auch ein Normanne,
der sich in die karolingisch geprägte Herrschaftsordnung des westfränki-
schen Reiches einfügt, gibt damit seine Männlichkeit auf. Als Rollo seine erste
Strafexpedition gegen den westfränkischen König beginnt, schickt ihm dieser
Hasting als Unterhändler entgegen, einen normannischen Anführer, der ge-
nau diesen Schritt getan hat, als er eine Generation zuvor Frieden mit den
Franken schloßt. Im ersten Buch seines Werkes hatte Dudo ihn als den
Schrecken der Franken geschildert, nun ist er furchtsam und weigert sich so-
gar, ohne Begleitung zu Rollo zu gehen; von seiner Gesandtschaft zurückge-
kehrt, rät er dem König von einem Angriff auf Rollo wegen der damit ver-
bundenen Gefahren ab.
Aus dem mannhaften Anführer normannischer Krieger ist ein unmännli-
cher, kriegsuntüchtiger Franke geworden, der ganz in karolingischen Katego-
rien einer vom Königtum abgeleiteten Amtsautorität denkt: Rcgz'ac pofesfahs
co77iücs 77ian&7if uoh's ... eröffnet er das Gespräch mit den Normannen; seine
erste Frage ist die nach Amt und Titel ihres Anführers: Qao nooiznp scuz'or ues-
fer /nngifar? Diese hierarchische Herrschaftsauffassung erweist sich jedoch
sogleich als fränkisch: NnFo, ijaza acijuaü's pofesfah's sanzas, entgegnen die
Normannen. Sie negieren nicht die Führungsrolle Rollos, machen aber deut-
lich, daß diese auf persönlicher Autorität, nicht auf Amtsautorität beruht.

50 Eine Ausnahme bildet lediglich Wilhelm von Tyrus, der jedoch vor allem bezo-
gen auf orientalische Völker verwendet.
51 Dudo Sancti Quintini, De moribus et actis primorum Normanniae ducum (ed. Lair), Kap. 21,
S. 160: Als sie von dem schwächlichen Zurückweichen des Königs erfahren, bieten Herzog
Richard von Burgund und Graf Ebalus von Poitou (seit 927 Herzog von Aquitanien) ihre
Hilfe an und fordern zur Fortsetzung des Kampfes auf. In der Darstellung Dudos erweisen
sich damit die peripheren Herzogtümer als mannhaft, während das Reichsvolk der Franken
kriegsuntüchtig auf ihre Hilfe angewiesen ist. Diese Darstellung enthält zugleich eine pro-
grammatische Aussage über das Verhältnis des westfränkischen Königs zu den Herzogen
seines Reiches: Er ist ihnen nur formal übergeordnet; an Mannhaftigkeit und Stärke dagegen
übertreffen ihn die peripheren Herzoge (d.h. zur Zeit Dudos die Herzoge von Burgund,
Aquitanien und vor allem der Normandie).
52 Eine ähnliche Begebenheit erwähnen die Annales Vedastini (MGH SRG 12; ed. Simson), S.
55, zum Jahr 883. Zum Bild Hastings in der Überlieferung vgl. im übrigen Frederick AMORY,
The Viking Hasting in French and Scandinavian Legend, in: Saints, Scholars and Heroes, hg.
v. A. H. King/H. Herens, Minnesota 1979, S. 269-286.
 
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