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Burkhardt, Julia; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Reichsversammlungen im Spätmittelalter: politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland — Mittelalter-Forschungen, Band 37: Ostfildern, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.34753#0037

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36

B. Polnische Reichsversammlungen

II. Der Sejm als Ereignis
Im spätmittelalterlichen Polen waren die Form und Rahmenbedingungen all-
gemeiner politischer Versammlungen nicht verbindlich definiert. Weder für
den Veranstaltungsort, den Teilnehmerkreis, die Dauer noch für die Gründe
bzw. Umstände ihrer Einberufung existierten allgemeingültige und einklag-
bare Vorschriften.^ Dennoch folgte die Ausrichtung solcher Versammlungen
bestimmten Grundmechanismen und Traditionen, die sich im Laufe der Jahre
herausgebildet und verfestigt hatten oder sich aus den jeweiligen politischen
Konstellationen ergaben; ihnen soll im Folgenden nachgegangen werden.
11.1. Einberufung
Die 53 Regierungsjahre König Kazimierz' IV. zeichnen sich durch eine auffal-
lende Tagungskontinuität aus: beinahe jährlich wurde eine allgemeine Ver-
sammlung einberufen und abgehalten. Diese Periodizität wurde lediglich
einmal länger unterbrochen, nämlich als sich der König zwischen 1480 und
1484 in Litauen aufhielt; in diesem Zeitraum fand keine Zusammenkunft des
Sejms statt. In mehreren Jahren wurde der Sejm zweimal einberufen, dann
meist im Frühjahr und im Herbst oder Winter, nur einmal kam es zu drei Sejm-
sitzungen innerhalb eines Jahres (1459).^ Die Mehrheit der Versammlungen
dauerte zwischen zehn und zwanzig Tagen an.^°

47 BARDACH, O genezie sejmu polskiego, S. 529. Allerdings gab es entsprechende Festlegungen
für gemeinsame Versammlungen von polnischen und litauischen Adeligen. So hatten der pol-
nische König Wladyslaw Jagieüo und der litauische Großfürst Witold, als sie 1413 das Wesen
der polnisch-litauischen Union näher bestimmten und die Angleichung der Rechte für pol-
nische und litauische Adelige auf der Grundlage des katholischen Glaubens verkündeten,
festgelegt, dass künftig auch polnisch-litauische Versammlungen »in Lublin oder Parczew
oder anderen geeigneten Orten« abgehalten werden sollten: § 15. Hoc chaw addüo specMpfer
ef expresso, (?Mod prac/äü ParoMcs H MoMes regm PoioMMC H fcrrarMW PüfwaMMe COMWMÜOMCS H
paraiawcMfa [sic], ^Mando Mcccssc/McrP, in LMH;n cd in Parczow H aPas in iocis apP's & cowscMSM
ef ooiMMhde MosPv ceiePrarMMf pro commodo H MP'PPde regm PoioMMC ef ferran'Mm LPfwaMp?e prac-
dicfarMW meP'orP Unionsdokument vom 2. Oktober 1413, in: KuTRZEBA/ SEMKOwicz, Akta Unji,
Nr. 51, S. 60-72, hier S. 68f.
48 Vgl. dazu Tabelle 1 im Anhang. Für insgesamt acht Jahre (1450, 1465,1471,1475, 1480, 1481,
1482 und 1482) konnte weder die Planung noch die Veranstaltung einer allgemeinen Ver-
sammlung ermittelt werden. Vgl. dazu auch die Übersichten bei FALKOwsKi, Rok trzech
sejmöw, S. 437f., PiExosiNSKi, Wiece, S. 175-251 sowie WÜNSCH, Ritual und Politik, S. 246-252.
49 In den Jahren 1455,1456,1457,1463,1472,1478,1479 und 1488 wurde der Sejm jeweils zwei-
mal zusammengerufen. Die Begebenheiten der drei Versammlungen des Jahres 1459 wurden
ausführlich von Jan Dlugosz beschrieben. Annales seu cronicae XII, S. 314—318, S. 328-33 und
S. 335. Vgl. dazu auch den Rezess der preußischen Stände, in: ToEPPEN, Acten V Nr. 8, S. 24—30.
Entstehung, Kontext und Ablauf dieser Zusammenkünfte wurden detailliert von Wojciech
Falkowski bearbeitet: FALKOwsKi, Rok trzech sejmöw.
50 Interessanterweise scheint die Dauer des Sejms von den Zeitgenossen kaum reflektiert wor-
den zu sein. In seinen sonst so ausführlichen Beschreibungen ging etwa Jan Dlugosz nur we-
nige Male auf die Tagungslänge ein. 1470 jedoch stellte er gar einen direkten Zusammenhang
zwischen der Bedeutung der diskutierten Inhalte und der Dauer der Verhandlungen her. Die
 
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