Münchner kunsttechnische Biätter.
Nr. 3.
!2
Bleiweiss enthält in ioo ccm 66,66 ccm Oel, also 66,66
Lithopone ,,
„ 63,37 „ „
„ 65,57 „
Zinkweiss „
„ 74,07 „
„ 74,07 „
Hellocker ,,
Terra di
„ 7°,'7 „ „
„ 70,17 „
Siena nat. ,,
Terra di
„ 68,96 „ „
„ 6S,96 „
Siena gebr. „
„ 75,01 „ „
„ 75,ot „
Englischrot ,,
„ 75,47 „ „
„ 75,47 ,,
Viktoriagrün „
Ultarmar.-
-, 63,37 „ „
„ 65,57 „
Lackierblau ,,
„ 63,57 „ „
„ 65,57 „
Ultramarin ,,
„ 7°,!7 „ „
„ 70,17 „
Kienruss ,,
„ 81,63 „ „
„ 81,63 ,,
Diese Ergebnisse bestätigen die Vermutung, dass
bei Messungen unter Zugrundetegung der Volumeh-
verhäitnisse sich ein wesentiich anderes BUd ergeben
würde ais bei Messungen, bei denen das Gewicht des
Farbkörpers ats Grundlage und Ausgangspunkt ange-
nommen ist. Die sich daraus ergebenden Schlüsse
für den Oelgehalt und die daraus entspringende Halt-
barkeit der einzelnen Farben stimmen wiederum voll-
kommen mit den bisher bekannten praktischen Erfahrun-
gen überein. Schwarz z. B., Kienruss, ist mit der höchsten
Oelziffer verzeichnet, Kienruss aber ist gleichzeitig auch
von jeher dem Maler und Anstreicher dafür bekannt,
dass es als Oelfarbe im Freien sehr dauerhaft ist, dauer-
hafter als Bleiweissanstriche und solide Lackierungen.
Auch ist derUnterschied im Verhältnis zwischenFar-
be und Bindemittel unter den einzelnen Farben bedeutend
geringer als bei der Oelziiferbestimmung nach dem Ge-
wicht; jedenfalls ist damit erwiesen, dass bei streichierti-
gen Farben das Oel immer weitaus im Ueberschuss ist,
immer die grössere Menge bildet, wogegen sich bei der
Berechnung nach Gewicht das Gegenteil herausstellte.
Von besonderer Wichtigkeit ist bei Bezug von Far-
ben, die schon in Oel gerieben sind, die Feststellung
ihrer Zusammensetzung. Namentlich Bleiweiss wird ja
von den kleineren Malergeschäften fast nur in Oel ge-
kauft, gerade Bleiweiss ist aber auch einer der am
meisten ,,verschnittenen" Farbkörper. Bleiweiss ist
eben ziemlich teuer und das Ersatzmittel ist zumeist
der sehr billige Schwerspat; es ist deshalb ein Zusatz
von nur 10% Schwerspat für den Händler schon von
grossem Vorteil. Die Deckkraft der Farbe leidet dar-
unter noch soviel wie gar nicht, wohl aber ist der
Empfänger finanziell geschädigt, wenn er eine Farbe
als reines Bleiweiss kauft und bezahlt, aber dabei io"/„
Schwerspat erhält. Ausserdem aber sind Zusätze von
mehr als 3o°l„, selbst über 50"^ Schwerspat gar nicht
so selten, wenn auch neuerdings derartige Mischungen
nicht mehr so ungeniert als reines Bleiweiss oder Blei-
weiss prima usw. verkauft werden wie früher.
Der sicherste Schutz gegen solche Uebervortei-
lung besteht darin, dass man sofort nach Empfang der
Ware eine Stichprobe macht und diese untersucht; es
ist dies bei in Oel geriebenen Farben nicht so einfach
als bei trockenen Farben, da selbstverständlich das
Oel erst aus der Oelfarbe herausgelöst werden muss.
Am einfachsten verfährt man dabei in der Weise, dass
man die Farbenprobe in eine Flasche gibt und sie mit
viel Benzin oder Aethyiäther übergiesst, mehrmals tüch-
tig schüttelt in Zwischenräumen von ca. 13 Minuten,
dann ruhig stehen lässt, damit das?Farbpulver sich ab-
setzen kann und die klargewordene Benzin- oder Aether-
Oellösung abßltriert. Dies muss mehrmals wiederholt wer-
den, da mit einemmale sich schwerlich alles Oel aus der
Farbe herausholen lässt; das Farbpulver muss vollkom-
men trocken und ölfrei sein und wird dann in den für die be-
treffende Farbe in Frage kommenden Mitteln untersucht.
Nach einer englischen Fachzeitschrift (Oil and
colourmans journal) ist eine Mischung aus 60 Teilen Aethyi-
äther, 36 Teilen absolutem Alkohol und 4 Teilen Wasser
sehr gut geeignet, das Oel aus Farben auszuscheiden.
Die Haarlemer Biider des Frans Hals.
Zu dem in Nr. 24 der „Münchn. Kunsttechn. Bl." ent-
haltenen Aufsatz ,.Barbarische Restaurierungen" möchte
ich mir, bei dem Interesse, das die gesamte Kunstwelt
an diese Meisterwerke nimmt, einige Ergänzungen ge-
statten. Meine diesjährige Studienreise führte mich
nach Holland und veranlasste mich zu einem mehr-
wöchigen Aufenthalte in Haarlem. Es war also nahe-
liegend, dass ich öfter Gelegenheit nahm, mir die
kostbare Sammlung des dortigen Stadthauses, welche
die hervorragendsten Schöpfungen von Frans Hals
birgt, anzusehen. Hierbei konnte ich denn auch die
Beobachtung machen, dass mehrere der grossen Grup-
penbildnisse von Hals eine durchaus unzweckmässige
Behandlung erfahren haben. Einige davon weisen
einen so störenden speckigen Glanz auf, dass sie nur
mühsam zu betrachten sind, andere wieder zeigen bläu-
lich angelaufene Stellen, die wieder die Gesamtwir-
kung, namentlich durch die Vernichtung der Tiefen,
völlig vernichten. Im Verlauf meines Haarlemer Auf-
enthalts hörte ich denn auch, dass in Amsterdamer
Zeitungen der Vorschlag gemacht worden sei: die Bil-
der von Frans Hals aus der Haarlemer Sammlung
zu entfernen und sie dem Reichsmuseum in
Amsterdam einzuverleiben. Es liegt mir fern,
hier eine Lanze für die Stadt Haarlem oder deren
Verwaltung, der auch die Leitung der Sammlung unter-
steht, brechen zu wollen; ich äussere mich lediglich
im Interesse der Sache, und da muss ich denn sagen,
dass ich es aufrichtig bedauern würde, wenn die weit-
aus bedeutendsten Werke des Frans Hals seiner Ge-
burtsstadt entzogen werden sollten. Denn als ich unter
anderen holländischen Städten auch Leyden und das
dortige Museum besuchte, war es für mich durchaus
kein erhebendes Gefühl, in der Geburtsstadt Rem-
brandts, des grössten Koloristen aller Zeiten, nur ein
etwa handgrosses Bildnis und bei einem Umgang durch
die Stadt an Stelle seines Geburtshauses einen Pferde-
stall vorzuHnden. — Wohl liegt bei der Behandlung
der hier in Frage kommenden Hals-Werke ein nicht
zu entschuldigendes Versehen vor, aber — seien wir
ehrlich — sind solche und mitunter noch weit schlim-
mere ,.Versehen" nicht auch schon anderwärts vor-
gekommen? Ich erinnere nur an die vor etwa drei
Jahrzehnten vorgenommene Restaurierung des in der
Berliner Galerie befindlichen Rembrandt-Bildes „Raub
der Proserpina", die einen Sturm der Entrüstung in
allen Kunstkreisen hervorrief. (Dass derartige Vor-
kommnisse unter der heutigen Berliner Museumsver-
waltung ausgeschlossen sind, wissen wir alle.) Was
nun die Bilder des Frans Hals anbelangt, so bin ich
nach eingehendem Betrachten der fraglichen Stücke
zu der Ueberzeugung gelangt, dass die Malerei an sich
völlig intakt geblieben ist. Es handelt sich in diesem
Fall also nur darum, die verständnislos aufgetragene
Lackschicht wieder zu entfernen und durch eine neue,
von kundiger Hand aufgetragene, zu ersetzen. Ferner
den vermutlich durch übermässige Behandlung mit
Balsam copaivae erzeugten Fettglanz zu rektifizieren.
Die Ursachen des Erblindens der Lackschicht an eini-
gen Bildern Hesse sich erst nach genauer Kenntnis
aller einschlägigen Faktoren feststellen. Denn ohne
weiteres lässt sich nicht sagen, ob die bläulichen Stellen
in einer Minderwertigkeit des Lackes selbst liegen —
was ich bezweifeln möchte — oder ob sie dadurch
entstanden sind, dass der Auftrag des Lackes während
der kalten Jahreszeit und in einem nngeheizten Raum
vorgenommen worden ist. Freilich wäre es im Hin-
blick auf die unersetzlichen Meisterwerke zu wünschen,
dass die unbedingt vorzunehmende Restaurierung so bald
als möglich geschehe. Ernst Kiesling.
Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig).
Nr. 3.
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Bleiweiss enthält in ioo ccm 66,66 ccm Oel, also 66,66
Lithopone ,,
„ 63,37 „ „
„ 65,57 „
Zinkweiss „
„ 74,07 „
„ 74,07 „
Hellocker ,,
Terra di
„ 7°,'7 „ „
„ 70,17 „
Siena nat. ,,
Terra di
„ 68,96 „ „
„ 6S,96 „
Siena gebr. „
„ 75,01 „ „
„ 75,ot „
Englischrot ,,
„ 75,47 „ „
„ 75,47 ,,
Viktoriagrün „
Ultarmar.-
-, 63,37 „ „
„ 65,57 „
Lackierblau ,,
„ 63,57 „ „
„ 65,57 „
Ultramarin ,,
„ 7°,!7 „ „
„ 70,17 „
Kienruss ,,
„ 81,63 „ „
„ 81,63 ,,
Diese Ergebnisse bestätigen die Vermutung, dass
bei Messungen unter Zugrundetegung der Volumeh-
verhäitnisse sich ein wesentiich anderes BUd ergeben
würde ais bei Messungen, bei denen das Gewicht des
Farbkörpers ats Grundlage und Ausgangspunkt ange-
nommen ist. Die sich daraus ergebenden Schlüsse
für den Oelgehalt und die daraus entspringende Halt-
barkeit der einzelnen Farben stimmen wiederum voll-
kommen mit den bisher bekannten praktischen Erfahrun-
gen überein. Schwarz z. B., Kienruss, ist mit der höchsten
Oelziffer verzeichnet, Kienruss aber ist gleichzeitig auch
von jeher dem Maler und Anstreicher dafür bekannt,
dass es als Oelfarbe im Freien sehr dauerhaft ist, dauer-
hafter als Bleiweissanstriche und solide Lackierungen.
Auch ist derUnterschied im Verhältnis zwischenFar-
be und Bindemittel unter den einzelnen Farben bedeutend
geringer als bei der Oelziiferbestimmung nach dem Ge-
wicht; jedenfalls ist damit erwiesen, dass bei streichierti-
gen Farben das Oel immer weitaus im Ueberschuss ist,
immer die grössere Menge bildet, wogegen sich bei der
Berechnung nach Gewicht das Gegenteil herausstellte.
Von besonderer Wichtigkeit ist bei Bezug von Far-
ben, die schon in Oel gerieben sind, die Feststellung
ihrer Zusammensetzung. Namentlich Bleiweiss wird ja
von den kleineren Malergeschäften fast nur in Oel ge-
kauft, gerade Bleiweiss ist aber auch einer der am
meisten ,,verschnittenen" Farbkörper. Bleiweiss ist
eben ziemlich teuer und das Ersatzmittel ist zumeist
der sehr billige Schwerspat; es ist deshalb ein Zusatz
von nur 10% Schwerspat für den Händler schon von
grossem Vorteil. Die Deckkraft der Farbe leidet dar-
unter noch soviel wie gar nicht, wohl aber ist der
Empfänger finanziell geschädigt, wenn er eine Farbe
als reines Bleiweiss kauft und bezahlt, aber dabei io"/„
Schwerspat erhält. Ausserdem aber sind Zusätze von
mehr als 3o°l„, selbst über 50"^ Schwerspat gar nicht
so selten, wenn auch neuerdings derartige Mischungen
nicht mehr so ungeniert als reines Bleiweiss oder Blei-
weiss prima usw. verkauft werden wie früher.
Der sicherste Schutz gegen solche Uebervortei-
lung besteht darin, dass man sofort nach Empfang der
Ware eine Stichprobe macht und diese untersucht; es
ist dies bei in Oel geriebenen Farben nicht so einfach
als bei trockenen Farben, da selbstverständlich das
Oel erst aus der Oelfarbe herausgelöst werden muss.
Am einfachsten verfährt man dabei in der Weise, dass
man die Farbenprobe in eine Flasche gibt und sie mit
viel Benzin oder Aethyiäther übergiesst, mehrmals tüch-
tig schüttelt in Zwischenräumen von ca. 13 Minuten,
dann ruhig stehen lässt, damit das?Farbpulver sich ab-
setzen kann und die klargewordene Benzin- oder Aether-
Oellösung abßltriert. Dies muss mehrmals wiederholt wer-
den, da mit einemmale sich schwerlich alles Oel aus der
Farbe herausholen lässt; das Farbpulver muss vollkom-
men trocken und ölfrei sein und wird dann in den für die be-
treffende Farbe in Frage kommenden Mitteln untersucht.
Nach einer englischen Fachzeitschrift (Oil and
colourmans journal) ist eine Mischung aus 60 Teilen Aethyi-
äther, 36 Teilen absolutem Alkohol und 4 Teilen Wasser
sehr gut geeignet, das Oel aus Farben auszuscheiden.
Die Haarlemer Biider des Frans Hals.
Zu dem in Nr. 24 der „Münchn. Kunsttechn. Bl." ent-
haltenen Aufsatz ,.Barbarische Restaurierungen" möchte
ich mir, bei dem Interesse, das die gesamte Kunstwelt
an diese Meisterwerke nimmt, einige Ergänzungen ge-
statten. Meine diesjährige Studienreise führte mich
nach Holland und veranlasste mich zu einem mehr-
wöchigen Aufenthalte in Haarlem. Es war also nahe-
liegend, dass ich öfter Gelegenheit nahm, mir die
kostbare Sammlung des dortigen Stadthauses, welche
die hervorragendsten Schöpfungen von Frans Hals
birgt, anzusehen. Hierbei konnte ich denn auch die
Beobachtung machen, dass mehrere der grossen Grup-
penbildnisse von Hals eine durchaus unzweckmässige
Behandlung erfahren haben. Einige davon weisen
einen so störenden speckigen Glanz auf, dass sie nur
mühsam zu betrachten sind, andere wieder zeigen bläu-
lich angelaufene Stellen, die wieder die Gesamtwir-
kung, namentlich durch die Vernichtung der Tiefen,
völlig vernichten. Im Verlauf meines Haarlemer Auf-
enthalts hörte ich denn auch, dass in Amsterdamer
Zeitungen der Vorschlag gemacht worden sei: die Bil-
der von Frans Hals aus der Haarlemer Sammlung
zu entfernen und sie dem Reichsmuseum in
Amsterdam einzuverleiben. Es liegt mir fern,
hier eine Lanze für die Stadt Haarlem oder deren
Verwaltung, der auch die Leitung der Sammlung unter-
steht, brechen zu wollen; ich äussere mich lediglich
im Interesse der Sache, und da muss ich denn sagen,
dass ich es aufrichtig bedauern würde, wenn die weit-
aus bedeutendsten Werke des Frans Hals seiner Ge-
burtsstadt entzogen werden sollten. Denn als ich unter
anderen holländischen Städten auch Leyden und das
dortige Museum besuchte, war es für mich durchaus
kein erhebendes Gefühl, in der Geburtsstadt Rem-
brandts, des grössten Koloristen aller Zeiten, nur ein
etwa handgrosses Bildnis und bei einem Umgang durch
die Stadt an Stelle seines Geburtshauses einen Pferde-
stall vorzuHnden. — Wohl liegt bei der Behandlung
der hier in Frage kommenden Hals-Werke ein nicht
zu entschuldigendes Versehen vor, aber — seien wir
ehrlich — sind solche und mitunter noch weit schlim-
mere ,.Versehen" nicht auch schon anderwärts vor-
gekommen? Ich erinnere nur an die vor etwa drei
Jahrzehnten vorgenommene Restaurierung des in der
Berliner Galerie befindlichen Rembrandt-Bildes „Raub
der Proserpina", die einen Sturm der Entrüstung in
allen Kunstkreisen hervorrief. (Dass derartige Vor-
kommnisse unter der heutigen Berliner Museumsver-
waltung ausgeschlossen sind, wissen wir alle.) Was
nun die Bilder des Frans Hals anbelangt, so bin ich
nach eingehendem Betrachten der fraglichen Stücke
zu der Ueberzeugung gelangt, dass die Malerei an sich
völlig intakt geblieben ist. Es handelt sich in diesem
Fall also nur darum, die verständnislos aufgetragene
Lackschicht wieder zu entfernen und durch eine neue,
von kundiger Hand aufgetragene, zu ersetzen. Ferner
den vermutlich durch übermässige Behandlung mit
Balsam copaivae erzeugten Fettglanz zu rektifizieren.
Die Ursachen des Erblindens der Lackschicht an eini-
gen Bildern Hesse sich erst nach genauer Kenntnis
aller einschlägigen Faktoren feststellen. Denn ohne
weiteres lässt sich nicht sagen, ob die bläulichen Stellen
in einer Minderwertigkeit des Lackes selbst liegen —
was ich bezweifeln möchte — oder ob sie dadurch
entstanden sind, dass der Auftrag des Lackes während
der kalten Jahreszeit und in einem nngeheizten Raum
vorgenommen worden ist. Freilich wäre es im Hin-
blick auf die unersetzlichen Meisterwerke zu wünschen,
dass die unbedingt vorzunehmende Restaurierung so bald
als möglich geschehe. Ernst Kiesling.
Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig).