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Münchner kunsttechnische Blätter.
!\r. 8.
Eine solche erfolgt aber leicht auf Grund der
wohlbekannten Löslichkeitsverhältnisse. Eiweiss
löst sich in kaltem Wasser, auch wenn dieses
sauer oder basisch reagiert, Kasein löst sich in
saurem Wasser nicht und Gelatine quillt in beiden
nur, löst sich aber in warmem Wasser. Mit Säure-
grün wird man also Kasein und Leim in situ be-
obachten können, mit einer ammoniakalischen
Lösung von Jodeosin dagegen nur letzteren,
während Kasein in Lösung geht. Eiweiss geht
immer in Lösung, falls es nicht durch Erhitzen
oder durch Metallsalze koaguliert worden war.
Da dies bei Bildern kaum in Frage kommt, so
ist damit die Unterscheidung der drei Stoffe
grundsätzlich ermöglicht.
Es erschien mir noch wünschenswert, ein Ver-
fahren zu besitzen, um die in Lösung gegangenen
Stoffe in so minimalen Mengen, wie sie der mikro-
skopische Querschnitt ergibt, nachweisen zu können.
Dies gelang in unerwartetem Masse; für Eiweiss
liegt die Grenze der alsbald zu beschreibenden
Methode bei einem Hunderttausendstel Milligramm
oder io*s g. Der Versuch wird folgendermassen
ausgeführt.
Man lässt die Probe auf dem Objektträger
einige Minuten in einem recht kleinen Tropfen
Wasser liegen, fischt sie dann, ohne den Tropfen
zu verbreitern, heraus und dampft diesen schnell
ein, indem man den Objektträger auf ein erhitztes
Blech legt, dessen Temperatur so hoch ist, dass
ein darauf gespritzter Wassertropfen eben den
sphäroidalen Zustand annimmt. Nachdem der
Tropfen verschwunden ist, erhitzt man noch etwa
eine Minute lang weiter, um das Eiweiss sicher
zum Gerinnen zu bringen, kühlt ab und bringt
auf die Stelle, wo der Tropfen gelegen hatte,
eine starke Lösung von Säuregrün oder Jodeosin.
Nach einigen Augenblicken wird der Farbstoff
mit der SpritzHasche vollständig abgespült. Ist
Eiweiss vorhanden, so findet man die Peripherie
des früheren Tropfens von einer scharfen grünen
bezw. roten Linie gebildet, die man bei grösseren
Mengen mit blossem Auge, bei kleineren mit
einer Lupe oder dem Mikroskop (Vergrösserung
etwa 60) beobachtet. Die Erscheinung beruht
darauf, dass bei der geschilderten Art des Ein-
dampfens sich das Eiweiss am Tropfenrande sam-
melt, indem es dort gerinnt. Durch Arbeiten
mit stufenweise verdünnteren Eiweisslösungen habe
ich die erwähnte Grenze feststellen können, an
der die Reaktion bei einiger Uebung jedesmal
mit Sicherheit eintritt. Sehr erleichtert wird die
Beobachtung, wenn man sich für diesen Zweck
Objektträger aus Milchglas anfertigen lässt; in
der Tat bedeutet die Anwendung einer solchen
Unterlage nach bekannten optischen Verhältnissen
ungefähr die Erhöhung der Empfindlichkeit auf
das Doppelte.
Auch Kasein lässt sich auf gleiche Weise er-
kennen. Wie weit dort die Grenze geht, habe
ich noch nicht ermittelt. Hier ist natürlich Eosin
nicht anwendbar; am besten ist es, den Auszug
vor dem Eindampfen mit Essigsäure anzusäuern
und die Koagulation nicht erst dem Säuregrün zu
überlassen.
Schliesslich seien noch einige Worte über die
Technik dieser Versuche gesagt. Es wurde meist
eine sehr mässige Vergrösserung, go bis 100, be-
nutzt. Die Präparate wurden durch Schneiden
zwischen Kork mittels eines kleinen Handmikro-
toms meist O - I mm stark hergestellt; bei kleineren
Dicken tritt zu leicht ein Zerfallen ein. Bei Ge-
weben wurde vor dem Schneiden eine dicke
Lösung von arabischem Gummi mit I $ Glyzerin
aufgestrichen und getrocknet, um die Fäden
während des Schneidens zusammenzuhalten. Wird
der Schnitt dann in einen Wassertropfen gebracht,
um das Gummi fortzulösen, so zerstreuen sich
allerdings auch die meisten Fasern; es werden
aber doch so viele von den aufgetragenen Schichten
des Malgrundes festgehalten, dass man nichts
Wesentliches verliert. Handelt es sich um Be^
trachtung des Gewebes selbst, so kann man den
Schnitt in Xylol beobachten. Ein Einbetten der
Objekte in Paraffin oder Celloidin, wie dies sonst
üblich ist, verbietet sich hier durch die Natur der
zu beantwortenden Fragen. Häufig sind die
Schichten alter Bilder so spröde, dass sie beim
Schneiden zersplittern; dann kann man sich, wie
mir W. Pfeffer zeigte, dadurch helfen, dass man
das Objekt einige Zeit im Alkoholdampf bei
Zimmertemperatur verweilen lässt.
So dicke Schnitte sind natürlich meist undurch-
sichtig. Da ich mich ferner bald überzeugt hatte,
dass meist bei auffallendem Lichte viel mehr zu
sehen war, als bei durchfallendem, so lasse ich
mittels eines Linsensystems (zwei Brillengläser
von je I g cm Brennweite) ein verkleinertes Bild
des Glühstrumpfes einer Auerlampe auf das Ob-
jekt fallen. Bei dem grossen Abstande des an-
gewendeten Objektivs (Leitz Nr. 3) lässt sich dies
sehr leicht ausführen und man erhält überaus
glänzende Bilder.
Zum Einbetten aufzubewahrender Präparate
dient eine wässerige Lösung von 40°/„ arabischem
Gummi und 30°/„ Glyzerin.
Mit diesen einfachen Hilfsmitteln und unter
Anwendung der oben geschilderten Reaktionen
lässt sich bereits eine recht weitgehende Kennt-
nis von der Beschaffenheit und Technik eines
vorgelegten Bildes erreichen. Welche Bedeutung
dies für das Studium der geschichtlichen Entwick-
lung der Maltechnik, für die Kennzeichnung der
verschiedenen Meister, Schulen und Werkstätten
und endlich für die Beschaffung rationeller Grund-
lagen für die Erhaltung der Bilder hat, kann ich
an dieser Stelle nur andeuten. Doch ist, bevor
die Aufgabe angegriffen wird, die geschichtlich
Münchner kunsttechnische Blätter.
!\r. 8.
Eine solche erfolgt aber leicht auf Grund der
wohlbekannten Löslichkeitsverhältnisse. Eiweiss
löst sich in kaltem Wasser, auch wenn dieses
sauer oder basisch reagiert, Kasein löst sich in
saurem Wasser nicht und Gelatine quillt in beiden
nur, löst sich aber in warmem Wasser. Mit Säure-
grün wird man also Kasein und Leim in situ be-
obachten können, mit einer ammoniakalischen
Lösung von Jodeosin dagegen nur letzteren,
während Kasein in Lösung geht. Eiweiss geht
immer in Lösung, falls es nicht durch Erhitzen
oder durch Metallsalze koaguliert worden war.
Da dies bei Bildern kaum in Frage kommt, so
ist damit die Unterscheidung der drei Stoffe
grundsätzlich ermöglicht.
Es erschien mir noch wünschenswert, ein Ver-
fahren zu besitzen, um die in Lösung gegangenen
Stoffe in so minimalen Mengen, wie sie der mikro-
skopische Querschnitt ergibt, nachweisen zu können.
Dies gelang in unerwartetem Masse; für Eiweiss
liegt die Grenze der alsbald zu beschreibenden
Methode bei einem Hunderttausendstel Milligramm
oder io*s g. Der Versuch wird folgendermassen
ausgeführt.
Man lässt die Probe auf dem Objektträger
einige Minuten in einem recht kleinen Tropfen
Wasser liegen, fischt sie dann, ohne den Tropfen
zu verbreitern, heraus und dampft diesen schnell
ein, indem man den Objektträger auf ein erhitztes
Blech legt, dessen Temperatur so hoch ist, dass
ein darauf gespritzter Wassertropfen eben den
sphäroidalen Zustand annimmt. Nachdem der
Tropfen verschwunden ist, erhitzt man noch etwa
eine Minute lang weiter, um das Eiweiss sicher
zum Gerinnen zu bringen, kühlt ab und bringt
auf die Stelle, wo der Tropfen gelegen hatte,
eine starke Lösung von Säuregrün oder Jodeosin.
Nach einigen Augenblicken wird der Farbstoff
mit der SpritzHasche vollständig abgespült. Ist
Eiweiss vorhanden, so findet man die Peripherie
des früheren Tropfens von einer scharfen grünen
bezw. roten Linie gebildet, die man bei grösseren
Mengen mit blossem Auge, bei kleineren mit
einer Lupe oder dem Mikroskop (Vergrösserung
etwa 60) beobachtet. Die Erscheinung beruht
darauf, dass bei der geschilderten Art des Ein-
dampfens sich das Eiweiss am Tropfenrande sam-
melt, indem es dort gerinnt. Durch Arbeiten
mit stufenweise verdünnteren Eiweisslösungen habe
ich die erwähnte Grenze feststellen können, an
der die Reaktion bei einiger Uebung jedesmal
mit Sicherheit eintritt. Sehr erleichtert wird die
Beobachtung, wenn man sich für diesen Zweck
Objektträger aus Milchglas anfertigen lässt; in
der Tat bedeutet die Anwendung einer solchen
Unterlage nach bekannten optischen Verhältnissen
ungefähr die Erhöhung der Empfindlichkeit auf
das Doppelte.
Auch Kasein lässt sich auf gleiche Weise er-
kennen. Wie weit dort die Grenze geht, habe
ich noch nicht ermittelt. Hier ist natürlich Eosin
nicht anwendbar; am besten ist es, den Auszug
vor dem Eindampfen mit Essigsäure anzusäuern
und die Koagulation nicht erst dem Säuregrün zu
überlassen.
Schliesslich seien noch einige Worte über die
Technik dieser Versuche gesagt. Es wurde meist
eine sehr mässige Vergrösserung, go bis 100, be-
nutzt. Die Präparate wurden durch Schneiden
zwischen Kork mittels eines kleinen Handmikro-
toms meist O - I mm stark hergestellt; bei kleineren
Dicken tritt zu leicht ein Zerfallen ein. Bei Ge-
weben wurde vor dem Schneiden eine dicke
Lösung von arabischem Gummi mit I $ Glyzerin
aufgestrichen und getrocknet, um die Fäden
während des Schneidens zusammenzuhalten. Wird
der Schnitt dann in einen Wassertropfen gebracht,
um das Gummi fortzulösen, so zerstreuen sich
allerdings auch die meisten Fasern; es werden
aber doch so viele von den aufgetragenen Schichten
des Malgrundes festgehalten, dass man nichts
Wesentliches verliert. Handelt es sich um Be^
trachtung des Gewebes selbst, so kann man den
Schnitt in Xylol beobachten. Ein Einbetten der
Objekte in Paraffin oder Celloidin, wie dies sonst
üblich ist, verbietet sich hier durch die Natur der
zu beantwortenden Fragen. Häufig sind die
Schichten alter Bilder so spröde, dass sie beim
Schneiden zersplittern; dann kann man sich, wie
mir W. Pfeffer zeigte, dadurch helfen, dass man
das Objekt einige Zeit im Alkoholdampf bei
Zimmertemperatur verweilen lässt.
So dicke Schnitte sind natürlich meist undurch-
sichtig. Da ich mich ferner bald überzeugt hatte,
dass meist bei auffallendem Lichte viel mehr zu
sehen war, als bei durchfallendem, so lasse ich
mittels eines Linsensystems (zwei Brillengläser
von je I g cm Brennweite) ein verkleinertes Bild
des Glühstrumpfes einer Auerlampe auf das Ob-
jekt fallen. Bei dem grossen Abstande des an-
gewendeten Objektivs (Leitz Nr. 3) lässt sich dies
sehr leicht ausführen und man erhält überaus
glänzende Bilder.
Zum Einbetten aufzubewahrender Präparate
dient eine wässerige Lösung von 40°/„ arabischem
Gummi und 30°/„ Glyzerin.
Mit diesen einfachen Hilfsmitteln und unter
Anwendung der oben geschilderten Reaktionen
lässt sich bereits eine recht weitgehende Kennt-
nis von der Beschaffenheit und Technik eines
vorgelegten Bildes erreichen. Welche Bedeutung
dies für das Studium der geschichtlichen Entwick-
lung der Maltechnik, für die Kennzeichnung der
verschiedenen Meister, Schulen und Werkstätten
und endlich für die Beschaffung rationeller Grund-
lagen für die Erhaltung der Bilder hat, kann ich
an dieser Stelle nur andeuten. Doch ist, bevor
die Aufgabe angegriffen wird, die geschichtlich