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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 2.1901

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Heft 8
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Morawe, Ferdinand: Der Ring des Nibelungen: vom Parkett aus
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https://doi.org/10.11588/diglit.45535#0086

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Länder vereint ihre Phantasie aalten, irgend eine
in ihrer äusseren Lrsckeinung rnit der Musik und
der Dichtung durchaus harmonierende Ligur kin-
sustellen, eine Ligur, die dem Beschauer, dessen
Okr und 8inn in den Landen der Musik liegt, auch
aus dein Weg durchs ^.uge die Seele ergreift. Oer
Wotan okne Küstung wäre eine prachtvolle Ligur
2urn -^nbringen von 8ckmuck, Lernstein oder
^metk^sten, sie brauchen )a nickt eckt su sein;
und für gans besonders reiche Ausstattung der
Leine rnit dicktern, schön geklocktenem Leder-
werk. Das sind so Punkte, an deren liebe-
vollster Ausarbeitung wahrlich nichts hindert,
nickt einmal die l'keaterkasse, denn das Le-
wutstsein, in den Oarstellern Kunstwerke durch
sich selbst geniessen su können, die den Weg
sum Lernen durch das ^.uge Kuden, wird schwer-
lich ein Parkett weniger lullen, als es )a heute
schon geschieht. Ond ein Kunstwerk müsste
noch Lins sein, das Lersblatt der l'rilogie: die
Lrünnkilde. Lrünnkilds büsst immer dort an
ihrer Beweglichkeit ein, wo man ihr das Pferd
mit aus die Lükne giebt. Oas Lrscksinen des
Lauls wirkt schon an sich peinlich. Mächtige
8treitkengste, rassige llinke Kenner mit leickt-
bewegtem Llut verbieten sich von selbst, nervös
dars das l'ier nickt sein. Ons aber treuen im
Lrunde dock nur nervöse Pferde, die lebkast
mit Okr, ^uge und Lebifs spielen, die Leine
munter setzen und sich scheinbar nickt denken
können, dass 8tiUsteken manchmal auch nickt
übel ist. lemperamentlose Kosse reifen sogleich
su einem Vergleich mit dem bekannten breitge-
stirnten glatten Wiederkäuer. Lrane aus den
Brettern stört also in federn Lall, entweder
durch Zappelnde Onruke oder durch behaglichen
8cklas; das Pferd wirkt weder durch sckall-
dämpsende Öbersckuke noch durch das Klap-
pen der Buse auf den Lrettern als Kunstwerk.
Wie störend ist sum Beispiel wie hier in
Darmstadt das l'ier beim Lrsckeinen der Brünn-
bilde vor der Inodes Verkündigung. Wetterwolken
sind an unserer 8eele vorbeigesogen, swei Le-
witter haben einander bekämpft, langes dumpfes
Lrollen ist dann gefolgt, Wotans Lrsäklung;
düster erhaben Kat uns alles in Landen ge-
schlagen. Oie 8timmung wird nickt heiterer beim
Lleraneilen der verzweifelnden Wälsungen, bang
und immer bänger ergreift uns deren blot, wie
grauer blebeldunst liegt es uns aul dem Lemüt.
Oa ist plötzlich eins neue Lrsckeinung da,
glänzend bock mit mildem Lrnst in leuchtender
Wuckt, unvermittelt steht die Walküre vor uns.
Müsste sie vor uns stehen, müsste sie erscheinen.*
Llöker muss ikr 8tandpunkt sein als der 8isg-
munds — beide sind sie Wunschgebilde des
obersten Lottes, der Wälsung und die Walküre,
* Warner Kat äss äer Walküre
anders vor^ssctiritzdsn, aber äas lässt sick sdsn nickt änrck-
kükren.

aber diese Kat Lewalt über)enen, sie stekt Köber
als er, dessen Bestimmung ikn dock mehr sur
Lrde siebt. Oie Walküre ist mekr, darum
mufs sie auch äufserlick über ikm steken, wenn
sie ikm sum ersten und wichtigsten Male er-
scheint. Diese 8sene lässt sich so ungeheuer
eindrucksvoll gestalten, gans einfach und kand-
greillick weist sie durch sich selbst auf die
Dokumentierung höchsten künstlerischen Aus-
baues bin; sie ist von Wagner so herrlich an-
gelegt, wie nur irgend etwas, aber wieder kann
man su keiner einheitlichen Wirkung gelangen
Zwischen Musik und Darstellung, klnd daran
ist das Pferd sehr mit schuld. Oie Walküre
kann nickt so auktaucken, nickt so überhaupt
da sein, wie ein mächtiges leuchtendes phan-
tastisches Wolkengebilde in der Lause, die die
blatur sich Zwischen vergangenen und neu sich
bildenden Wettern gönnt. Oie Lrsckeinung
strahlt und glänzt nur mild und gewaltig Zu-
gleich. 8ie drokt nickt, sie bringt kein Idnbeil,
trotzdem sie dem Wälsung seinen nabenden lod
verkündet; sie ist der strahlende Kukepunkt
Zwischen swei Linsternissen, sie drückt das
Lemüt nickt in Bangigkeit nieder, sie regt die
Phantasie erbebend an. klnd das soll nun dem
^.uge vorgetragen werden, wie die Musik es dem
Okr vorträgt, und beides soll in unserer 8eele
verschmelzen, ^ber da tauckt die Lrünnkilde
auf, stekt still in den grauen Leisen mit ihrem
weifsen Lewand — und neben ikr siebt der
Kopf eines sich abkauenden Pferdes den käl-
tenden ^rm bin und Ker, und wenn es ikr und
uns su dumm wird, dann läfst sie das l'iercken
los, dem es unter Umständen einfällt, noch ein
bisschen Kulisse ansuknabbern, bis es an unsicht-
barer 8cknur surückgesoppt wird. Das ist
schlechter Zirkus, aber kein Ikeater. Ond sind
wir den Laul los, dann ist die eigentliche 8timmung
nickt leickt wiedersuknden. Ick meine, die
Walküre müsste Kochstellen, Köber noch wie
ick mich erinnere in Dresden gesehen su haben,
klnd wenn dann 8iegmund das 8ckwert über
8ieglinde hebt, dann wird gewöhnlich die er-
habene Lrsckeinung der Lrünnkilde wieder all-
sumenscklich, indem sie herunter- oder kervor-
stürmt, die Krau mit dem 8ckild su sckütsen.
Weit grösser darf man sich die Wirkung der
gansen 8sene denken, wenn die Walküre un-
beweglich auf ihrem platse kält, die 8peerspitse
sum Reichen ihrer l'odesbotsckalt sur Lrde
senkt und dann, wie 8iegmund sustolsen will,
unbeweglich steken bleibt und nur den 8peer
aulr-icktet sum Reichen, dass die Krau nickt
dem l'od verfallen soll — um schliesslich den
8peer mit erhobenem ^rm bock emporsustrecken
— wiederum sum Reichen, dass mit ihrem
Willen 8iegmund leben soll, klnd bei alledem
darf man nickt sehen, wie sie kommt und wie
sie gebt, sie muss da sein und fort sein (das
muss sich büknentecknisch einrichten lassen),

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