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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 2.1901

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Heft 12
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Schwann, Mathieu: Der heilige Ambrosius
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https://doi.org/10.11588/diglit.45535#0293

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im Lesitxe des alten lVlärtens gewesen. Irn Oexen-
teil, der alte lVlärtens war aucb einmal Mng ge-
wesen, wie clie andern, nncl damals in der^ugend-
xeit batte er „geliebt und gelebet". Ond seine
verlodte Lraut war clas ^nnemariecben, ein
lVlädcben, scblank und blond nncl rnit blauen
^Vugen irn Kopie, aber grenxenlos exaltiert und
m^stiscb. Oamals nun, als der lVlärtens verlobt
war, Kng ibrn dabinten sein Lbignon an xu
wacksen. Zuerst ganx nnscbeinbar und winxig,
so dass er es selbst nicbt merkte. Lines l'ages
nun stricb ibrn das ^Vnnemariecben rnit der
Island leise über das geliebte Laupt und da —
ein leiser 8cbrei: „Lu, was bast du denn da?"
fragte sie erscbrocken.
Lr küblte bin und erscbrak nicbt minder.
„Da muss icb docb einrnal gleicb xum Ooktor
geben," rneinte er, und das ^.nnemariecben er-
scbrak nock rnebr. Oer Ooktor sagte, das rnüsse
ausgescbnitten werden, aber als der lVlärtens
vorn 8cbneiden bürte, wurde er kreidebleicb.
Oavon wollte er nicbts wissen, „urn Oott und
die Welt nicbt", das rnüsse aucb anders xu
rnacben sein. 80 ging er beirn und liess nicbts
scbneiden. Oasür aber überlebte er rnit seinem
^.nnemariecben, dass gerade dafür ein recbt
inniges Leten gut sei.
^seden Morgen nun konnte man die Leiden
in der Kircbe seben, er aus der IVlännerseite, sie
aus der Lrauenseite, und sie beteten innig und

lang. Oingen sie dann wieder beim, so sab das
Hmnemariecben reckt scbeu und misstrauiscb
nacb dem Linterbaupte des Oeliebten. Lr aber
batte den Lut im Lacken und liess in ber-
metiscber ^Vbgescblossenbeit wacbsen, was da
wacbsen wollte. Oenn das Oebet bals: das
Lbignon wucbs kräftig beran und entwickelte
sicb von l'ag xu l'ag und von Wocbe xu Wocbe.
Lur eins: die Liebe des ^Vnnemariecbens batte
von der Lntdeckung einen 8tois bekommen. 80
wert ibr aucb der lVlann und Lbarakter war, so
wenig erbeute sie sicb an dieser wacbsenden
Lauptxierde. Ibr Lmgang mit ibm wurde reser-
vierter, sie kielt sicb Zurück; er merkte es und
wurde verstimmt, und als die ^Vngst kam, sie
xu verlieren, entscklois er sicb, nacb Kevelaer
xu wallsabrten, xu dem wundertbätigen Lilde
der Muttergottes. Oen Lntscbluss fübrte er aus.
Lei der grossen Lroxession, die die Wablabrer
vereinigte, scbritt er unter den lVlännern an-
däcbtig und vertrauend dabin, das ^Vnnemariecben
aber unter den Krauen. Lnd ein Wunder gescbab,
ein doppeltes Wunder: seit Yenern läge wucbs
das Lbignon nickt mebr; es war ^etxt gross genug,
so gross wie ein Kinderspielball. Ond das ^Vnne-
mariecben fasste in der m^stiscb-beiligen 8pbäre,
die sie da in Kevelaer mit unendlicben Weibraucb-
wolken umgab, den Lntscbluss, der Welt und allem
unbeiligen Werke xu entsagen. blickt dass sie
direkt in ein Kloster wollte, sondern dem Lei-
spiele der allerseligsten Jungfrau getreu wollte
sie gerade in der Welt den beibgen Lebenswandel
sübren, den ibr Kobes Vorbild geiübrt batte. Oer
lVlann mit dem Lbignon konnte als ebrlicber Lbrist
diesem Koben Lntscbluss nicbts entgegensetxen.
Lr musste ibn billigen, so web es ibm aucb tbat,
xu entsagen, ^ber — er entsagte, er besiegte sicb
selbst und opferte seine Liebe aus dem ^ltar
lVlariens.
Lnd beiden gelang es mit dem edlen Vorsatx.
Lr legte in dieser 2eit den Keim, aus dem sicb
nacbber eben der beilige Ambrosius entwickelte,
der er nun einmal war, und seine kraut wurde
das „geckig ^.nnemariecbe", wie die Leute es
später nannten, als es mit seinem „lVloenemantel"
aus buntgedrucktem Kattun, die Kapuxe über dem
Kops und die weisse l'aube aus der 8cbulter,
ma^estätiscb über die 8traise xog. Oie l'aube
kam aucb mit in die Kircbs und war iür uns
Kinder stets ein unterbaltender und ergütxlicber
Anblick. Lnd da wir nun einmal sebr böse

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