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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 24.1914

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Heft 1
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Pfälzer, Karl: Ländlicher Wohnungsbau: (zu den Entwürfen von Jos. Rings.)
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https://doi.org/10.11588/diglit.26492#0025

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Abb. 1.

I. Rings: Entwurf eines Dreifamilienhauses.

Ländlicher Wohnungsbau.

(Zu den Entwürfen von Ios. Rings.)

n der Baukunst hat die Winkelmannsche Erb-
schaft, daß die einzige Art, groß, ja womöglich
unnachahmlich zu werden, die Nachahmung der
Alten sei, zu den traurigsten Resultaten geführt,
obwohl gerade in dieser Kunst — siehe Schinkel — die
wissenschaftliche Heilslehre zunächst eine tatsachliche
Erweckung großer Gesinnung zu bedeuten schien. Die
ganze unglückselige Stilarchitektur des neunzehnten
Jahrhunderts geht auf ihre Rechnung, und wer parador
sein wollte, könnte ihr auch noch den sogenannten Jugend-
stil zur Last legen; denn nur eine Aeit, die so von allem
natürlichen Wuchs der Kunst entfernt war wie diese,
konnte auf die Jdee komnren, aus dem Ornament
einen neuen Baustil schaffen zu können. Auch das ihm
folgende moderne Programm, daß ein Haus von innen
nach außen gebaut sein müsse, verrät noch deutlich den
Mangel an natürlichem Baugefühl, wie ihn nur ein in
Gelehrsamkeit gestorbenesKunstzeitalteraufzeigen konnte;
denn was daran richtig war, daß ein Bauwerk in seinem
Grundriß einen Querschnitt seiner Organisation zeigen
müsse, auch was die äußere Erscheinung betreffe, das
gab sich so kurzsichtig zum besten wie etwa jemand,
der das Futter seiner Kleidung um der Ehrlichkeit willen
außen trüge.

Wenn uns das englische Landhaus das erste Beispiel
eines wirklich modernen gab, so lag seine ganze Weisheit
in dem gleichen Tackt, der auch den englischen Anzug zur
Kleidung der europäischen Welt niachte, nämlich weder
das Futter nach außen noch sonst auf der Straße etwas

anderes als einen zweckmäßigen Straßenanzug zu tragen,
womit zum Schmerz mancher romantischen Gemüter
allen historisierenden Kostümträumen hoffentlich end-
gültig der Garaus gemacht ist. Stil ist nicht Eigen-
tümlichkeit, sondern das Gegenteil, nämlich Haltung,
die aus dem Nebeneinander, aus der Anpassung ans
Ganze entsteht: so liegt das Problem eines Bauwerks
nicht darin, wie es sich prahlend aus seiner Umwelt
erhebt, sondern wie es sich einordnet, obwohl es für sich
selber ein Organismus, und zwar ein für seinen Aweck
gewachsener ist. Je nachdem es in der geschlossenen
Straße, im Garten, am Wasser oder in einer Baugruppe
liegt, muß es in der äußeren Haltung dieser Nachbarschaft
entsprechen. Das ist natürlich etwas anderes als die
historische Stilsucht des neunzehnten Jahrhunderts,
wo außen ein Schema und innen die fatale Notwendigkeit
war, sich mit diesem Schema abzufinden. Ein Haus
soll eben weder von außen noch von innen gebaut werden,
äußere und innere Form sollen sich von selber aus der
Auseinandersetzung zwischen dem inneren Bedürfnis
und der äußeren Haltung in eins ergeben. So darf
es nicht gelten, wie bringe ich die innere Einrichtung
möglichst kapriziös nach außen, sondern wie bringe ich
sie möglichst ungezwungen nach außen zu einem Ab-
schluß von möglichster Diskretion.

Da die Baukunst außerdem nicht zu den freien Künsten
gehört, also in den seltensten Fällen zwecklose Kunst-
werke, meist Gebrauchsgegenstände schafft, ist sie von
Grund auf abhangig von dem Geldbeutel, der den

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