Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 24.1914

DOI Heft:
Heft 6
DOI Artikel:
Schmidt, Paul Ferdinand: Bernhard Hoetgers Monumentalplastik im Darmstädter Platanenhain
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26492#0225

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Bernhard Hoetgers Monumentalplastik im Darmstädter Platanenhain.

n seinen besten Sachen besaß Hoetger schon immer
das architektonische Grundgefühl. Von dem Na-
^ turalismus der zerhackten Form rascher befreit
als andere, hatte er kaum des Umweges über
Maillol bedurft, um die Wurzeln aller plastischen Er-
kenntnis in agyptischem, in griechisch-archaischem und
indischem Stil zu finden. Seine Arbeiten riefen nach
Architektur, wie nur je frühgotische Heiligenstatuen. Und
da er endlich die Gelegenheit erhielt, ein umfassendes
Raumgebilde skulptural zu füllen, ist ein Werk von
einer Klarheit und Echtheit des Stilgefühls entstanden,
wie man es im 19. Jahrhundert vergeblich sucht.

Man mache sich die Grundlage klar, auf der Hoetger
aufgebaut hat. Gegeben war der rechteckige Platanen-
hain mit seinen regelmaßig zugestutzten schachbrettförmig
gestellten Baumen, zwischen denen es einige lange
und viele kurze Achsen gab, den Begrenzungen parallel.
Er solltemitBildnereien gefüllt werden. Und nun braucht
man im Geiste nur an Rude und Carpeaur, an Rietschels
Lutherdenkmal in Worms, an Rodins Höllenpforte
und Bartholomss Totenmonument zu denken, um zu
begreifen, daß der plastische Jmpressionismus hier total
versagen mußte, wie er bei allen Beziehungen zur
Architektur versagt hat, weil er unidealistisch durch und
durch ist, weil er sich keine Raumbeziehung anders vor-
stellen kann als grob materieller Art und weil ihm eines
ganzlich abgeht: der Sinn sür das Hohe und Geheimnis-
volle des Raumsymbols.

Snmbolisch aber war aller Ausammenhang zwischcn
Architektur und Plastik seit je. Die Flächigkeit der ägyp-
tischen Grabreliefs war ebenso unrealistisch wie der Rhyth-
mus der barocken Gartenanlagen mit ihren dekorativen
Skulpturen; Michelangelos Einheit in der Medicikapelle
von der gleichen Hochspannung des Raumgesühls be-
sessen wie die strengen Vertikalen der gotischen Portal-
figuren. Jmmer lebten diese alten Skulpturen in einer
fremden ihnen anhastenden Atmosphare, die architek-
tonische Bindung hieß und durchaus nichts gemein
hatte mit der Luft, welche Menschen atmeten. Ob nun
sie herrschten oder die Tyrannei der Bauformen:
sie sonderten sich ab, sie hatten ihre aristokratische Ge-
meinschaft und blieben gemeinschaftlich unnahbar.

Bis die Revolution auch mit diesem künstlerischen
Hochmut aufräumte und damit allerdings das heil-
loseste Chaos in die von Natur strengen Künste brachte.
Man braucht nur Thorwaldsen und Rude mit Bouchar-
don, ja Pigalle zu vergleichen, um die unüberbrückbare
Kluft zu spüren, die zwei Welten trennt. Und dieser
fatale Jrrtum, die Skulptur sei versteinertes Leben,
war unausrottbar, bis die Auferweckung des euro-
päischen Gewissens um 1900 von demselben Frankreich
ausging, das die Revolution auch der Kunst beschert
hatte. Maillol hat das unsterbliche Verdienst, den Weg
zur kubischen Jdealitat der modernen Plastik gewiesen
zu haben, und Minne das fast noch größere, sie zu archi-
tektonisieren. Hildebrands Beispiel wirkt daneben im

205
 
Annotationen