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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 24.1914

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Heft 3
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Benn, Joachim: Wilhelm Schmidtbonns Legendenbuch
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Gorsleben, Rudolf John: Das Atlilied: aus der Edda übertragen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26492#0120

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Sand, schließlich gar znnschcn Mensch nnd Tier. Dic
Gesaintlegcnde 'dcs triebhaftcn Lcbens, das sich auf
diesem Erdball ausbreitet, ist schließlich aufs beste ge-
rundet durch die Legende des letzten Menschen, der sich
in der vereisenden Welt aus Erde noch einmal eine Ge-
fahrtin baut.

Am schönsten, in den lichtesten Farben und mit den
faszinierendsten Einzelheiten, im allgemeingültigsten
Symbol ist das Thema dieser Alliebe wohl in der Ge-
schichte der „drei Jungfrauen von Heemsteede" dargestellt,
die „eines Morgens einmal wie die Vögel, die Bäume
und die Wolken sein" wollten und „nach Schmetterlingen
und Blumen, ini Ubergefühl der Freiheit sogar nach
Wolken und Sonne" griffen. Wie sich hier Gras und
Käfer, Sträucher, Sand und Wellen der schönen Mäd-
chen zu bemächtigen suchen, bis schließlich die Winde
sie siegreich auf den Wellen entführen, das ist wohl
vollkommen und dichterisch nicht mehr zu vergessen.
„Die drei Pfeile", die ein Mädchen aus den heiligen
Sebastian abschießt, „Riza" ist kaum minder schön;
und „Der Ruderknecht und die Zwerge", „Der Jung-
brunnen", „Heinrich Frauenlob stirbt", „Die Loreley
und der Schmied", „Das Mütterchen auf der Jnsel"
bilden darum einen weiteren Kreis von Erzählungen,
die noch immer als eine dauernde Bereicherung der
deutschen Prosadichtung scheinen wollen. Jn den anderen
Stücken geschieht es dann, und am meisten immer ent-
weder um den Anfang oder um das Ende hin, daß die
sprachlich-logische Formung nicht bis zu dem gleichen
Grade unangreifbarer Geschlossenheit und Notwendigkeit
getrieben ist. An solchen Stellen wird die Glut der sinn-
lichen Jmpression, die immer gleich stark und so stark
wie sonst bei keinem heute in Deutschland ist, nicht mehr,
wie es sein sollte, durch die Geschlossenheit des denkeri-
schen Baus wie durch eine Haut umschlossen; ungehemmt,
entfesselt, ja herrenlos wütend rast der nackte Sinnen-
trieb los, und ist es überall ein Mangel, so wird es pein-
lich, wo inhaltlich zugleich das Außerste gewagt, da hier
die strengste Bindung nötig wäre. Aber nicht einmal
diese Stücke wirken eigentlich unrein, nur als augenblick-
liche Verwirrung einer bis ins Jnnerste keuschen, einer
Natur, in der echteste, klarste, treuste Deutschheit ein-
gesangen ist wie ein Bergsee in Felsgestein. Von den
Zeiten der deutschen Heldensage und der späteren völ-
kischen Sage, von den Zeiten des reinen großen deutschen
Märchens ist über die Aeiten des großen deutschen Bürger-
Deutschtums, das sich in Dürer und Hans Sachs, in
Luther und Cranach repräsentiert, alles in ihm, was je
deutsche Größe ausmachte. Als Kind einer neuen
Epoche, in der Durchgangszeit, die heute deutscheni
Wesen auferlegt ist, tastet er nun wie andere mit wilder
entfesselten Sinnen neu die Grenzen ab, die deutscheü
Leben sich setzen muß, um seine Seele zu wahren. Aber
weil dieses alte Deutschtum ganz natürlich in ihm lebendig
ist, weil in ihm sichtlich unvermischt noch das selbe Blut
schäumt, das in den Altvorderen floß, sodaß er eine Wurzel
ist, aus der man immer weiter das Alte, Unvermischte
ziehen kann: darum hat man zu ihm wie zu kaum einem
anderen das Vertrauen, daß er über dieses schöne Buch
hinaus zu deutschem Wesen noch immer weiter die neuen
deutschen Formen finden wird. Joachim Benn.

Aus der Edda übertrageu
von Rud. John von Gorsleben.

(Mit lauter Stimme zu sprechen.)

Atli sandte einst zu Gunnar

Einen kundigen Reitersmann, Knefröd geheißen.

Aur Grenze kam er der Gibiche und zu Gunnars Halle,
Iu den herdumgreifenden Bänken und zum Biere, dem
süßen.

Dort trank des Königs Troß, zum Betruge schweigend,
Wein in der Halle und besah sich zornvoll den Hunnen.
Laut rief da Knefröd mit kalter Stimme,

Der Held aus dem Südland, von der Gastbank der hohen:
„Atli gebot mir Botschaft zu reiten
Auf stahlgezaumter Mähre durch den weglosen Schwarz-
wald,

Au bitten euch, Gunnar! daß zu den Bänken ihr kämet,
Mit herdumgreifenden Helmen heimsuchtet Atli.

Dort könntet ihr Schilde wählen und Eschen geschabte,
Goldbeschlagene Helme und hunnische Schwerter,
Silbernes Sattelzeug und blutrote Seide,

Strahlende Schildjungfrauen und stahlgezäumte Rosse.
Auch den Gau, sagt er, will er euch geben, der weiten
Gnitaheide

Ium gellenden Geere, zum goldenen Steven,

Aum stolzen Geschmeide und zum Gestade des Danpar
Und den Forst, den geheiligten, der da Schwarzwald
geheißen."

Das Haupt wandte da Gunnar, und zu Högni sprach er:
„Was rät uns der jüngere Mann, da wir solches hören?
Gold wüßte ich keins auf der Gnitaheide,

Davon wir das beste nicht hätten, anderes und gleichviel;
Sieben der Säle sind unser Eigen mit Schwertern gefüllt,
An jeglichem glänzt uns ein Griff aus Gold,

Mein weiß ich das beste Pferd und der Schwerter
schärfstes,

Den bankzierenden Bogen mein und diese Brünne aus
Gold,

Mein den hellsten Schild und Helm aus der Halle des
Kiar:

Mein Eines ist besser als das Alles der Hunnen.

Und was denkst du, riet die Schwesier mit dem Ring,
den sie sandte

Umwickelt mit Wolfsgewand? Daß sie Warnung uns
bot —

Jn des Heidwolfs Haar fand ich verflochten den roten
Ring —

So wird wölfisch verlegt uns der Weg, wenn wir reiten."

Die Schwertmagen nicht lockten noch die Weibesver-
wandten,

Nicht raunend noch ratend die Reichen des Reiches,
Aber Gunnar rief da — und so geziemt es dem Könige —
Machtvoll durchs Methaus mit starkem Mut:

„Wohlauf nun, Mundschenk, laß füllen und wandern
Die klangfrohen Goldschalen durch Knechteshand!

Wölfe mögen walten über Wohnstatt und Erbe,

Die grimmigen Graupelze, wenn Gunnar vergeht,
Schwarzglänzende Bären mögen zerfleischen
Gesinde und Hunde, wenn Gunnar nicht heimkehrt!"

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