Umbau und Neuordnung in der Nativnalgalerie.
liegen die Verhältnisse, daß ich die Sache umdrehen
möchte und sagen: mit Ausnahme von diesem einen
Slevogt hat der Direktor bei seinen Ankäufen durchweg
eine glückliche Hand bewiesen. Oder, wenn man immer
wieder sagt, was könnte nicht alles gekauft werden:
gewiß, es kann und muß noch vieles gekauft werden,
aber soll der Mann etwa gleich bei Pechstein und Heckel
beginnen? Nichts fehlte uns weniger. Damit hat es
gute Weile, diese Dinge müssen erst gründlich durch das
große Sieb der Aeit gehen. Und wenn man weiter ruft:
er kauft keine berühmten Ausländer, so wäre auch darauf
zu antworten: wir haben vorläufig deren genug, und
höchstens das eine oder andere Werk allerersten Ranges,
etwa die Arlesienne von van Gogh, wäre willkommen zu
heißen.
So kann die Nationalgalerie zufrieden sein mit einem
Direktor, der ein derartiges Programm bei den Ankäufen
verfolgt. Denn die zu hastig erworbenen modernen
Bilder, für die man heute so gern Propaganda macht,
müssen nach weiteren zwanzig Jahren so sicher aus der
Galerie entfernt werden, wie jene vor etwa 30 Jahren
die Mode darstellenden, die Herr Justi heute mit so großer
Mühe hinauskomplimentiert, zumal wir mit ziemlicher
Sicherheit behaupten können, daß wir es unter den
jüngeren nicht mit einem Werte-Schöpfer zu tun haben,
viel mehr durchweg schon mit modernen Epigonen.
Museen sind aber weder Erperimentieranstalten noch
Kunstausstellungen. Jn einer Kunstausstellung oder in
einer Aeitschrift mag man Dinge willkommen heißen,
die noch längst nicht für ein Museum reif sind; dahin
gehört, was sich über die Jahrhunderte bewährt.
Es gehört heute mehr dazu, mit Verständnis gegen das
Moderne zu sein, d. h. innerhalb seiner zu sichten, als
sich als sein Protektor den billigen Lorbeer zu holen.
Wie not eine solche Sichtung tut, soll eine Galerie nicht
bald vor unnützem Zeug starren, dafür haben wir,
die wir kaum Vierzig sind, doch schon hinreichend Bei-
spiele erlebt und in Dichtung wie Kunst die gleichen:
wie entzückten uns einst die mystischen Perversitäten
eines Huysmanns und die Psychologie eines Bourget;
welcher Mann von Geschmack aber kehrte heute nicht
lieber zu der inneren und klaren Festigkeit einer Erzählung
von Mörimöe zurück, die eine reine und tiefere Poesie
enthält als selbst Flaubert und Balzac, und stellte sie
in ihrer Unvergänglichkeit nicht weit höher. Auf die
Malerei angewendet, heißt das soviel wie: in Frankreich
schätzen wir Jngres über allen, diesen selbständigsten
Formendenker, der weit weniger Epigone ist, als der so
sehr überschätzte Delacroir. Er allein kommt in einigen
seiner Werke den absoluten Werten der großen alten
Kunst nahe. Auf deutsche Verhältnisse übertragen folgt
daraus: für einen Schwind, einen Oberländer geben
wir ein Schock Moderner hin, ganz abgesehen davon,
daß wir natürlich in Menzel und Böcklin die'^größten
Genien des Jahrhunderts zu verehren haben.
t Baut also Ludwig Justi die Galerie in diesem Sinne
aus, so können wir ihm dafür nur dankbar sein; die von
Hugo v. Tschudi erworbenen französischen Bilder be-
weisen daneben höchstens, daß es auch in Frankreich
tüchtige Künstler gibt, daß aber ihre Werke weder an
Menzel noch an Böcklin heranreichen und wir die Uber-
schätzung jener bei uns als Geschichtsfälschung bezeichnen
müssen. Man hat gesagt, der frühe Böcklin habe von Corot
gelernt: ich kenne kein Bild aus der Schule von Fontaine-
bleau, das an Reichtum der Naturbeobachtung und Klang
der Farbe der Volzschen Kampagnalandschaft von 1859
von Böcklin gleichzustellen wäre: daneben wirken die
Fontainebleauer als glatte ölige Ateliermaler. Für
jenen Böcklin muß man eine Parallele schon bei Hobbema
suchen. Die gegenteilige Ansicht beweist, daß man heute
vollständig verlernt hat, Werte losgelöst von der Aeit-
modernität zu beurteilen.
Mit Recht betont Ludwig Justi den außerordentlichen
Wert der deutschen Handzeichnungen aus der ersten
Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Aber ich finde,
auch die Malereien dieser Künstlergruppe wären zu
erweitern und der Leibl- und Böcklin-Reihe die der
Nazarener und Romantiker als geschlossener Kreis
voranzustellen und weniger der Akzent auf den bürger-
lichen Realismus der Jahrzehnte zu legen, wie er in
Krüger und Blechen zum Ausdruck kommt. Das große
Schwindbild z. B. ist in dem an sich recht bedenklichen
Saal der „großen Formate" wenig an seinem Orte;
es ist weder in der Nähe eines Slevogt noch eines Leisti-
kow zu genießen. Es wäre ferner höchste Aeit, daß endlich
eine deutsche Galerie damit den Anfang machte ein
eigenes Oberländer-Kabinett anzulegen, solange diese
Werke noch für geringes Geld zu haben sind. Sie werden
in Bälde zum Echtesten und Gesuchtesten zählen, das die
deutsche Kunst im neunzehnten Jahrhundert hervor-
gebracht hat und manchen heute gefeierten Jmpressio-
nisten überdauern wird, eben in der Art, wie die Poesie
eines Merimöe über die Psychologie eines Bourget
jetzt schon triumphiert. Rudolf Klein-Diepold.
in Vergleich.
Das Jnstrumentieren als ein Farbengeben zu
bezeichnen, liegt so nahe und ist so allgemein
üblich, daß wir, davon handelnd, fast unwillkürlich den
Blick auf beide Künste, Musik und Malerei, zusammen
richten. Kann man nun sagen, die erstere sei der Schwester-
kunst näher gekommen, verwandter geworden, seitdem
die Technik des Jnstrumentierens sich vergrößert und so
sehr dominiert, daß sie auch das musikalische Empfinden
und Gestalten stark beeinflußt?
f Es leuchtet ein, daß, wo der Reichtum der Palette,
die Erfindsamkeit in charakteristischen Klängen überschätzt
wird, krasse Buntheit sich einzustellen droht, und daß
ein Geschlecht, welches die Schönheit unterschätzt, das
Adlige und Auszeichnende im Klanglichen für Seltsam-
keiten, Frappierendes, Betäubendes und Agacantes ein-
zutauschen in Gefahr ist. Und wirklich herrscht heute ein
geradezu plebejischer Geschmack; oder sollte das zu viel
gesagt sein, so wird er doch zugelassen. Jn der ganzen
anerkannten und auch nur halbwegs anerkannten Malerei
wüßte ich nichts, was dem Gepauke, Gepfeife und Ge-
trommel entspräche, wie wir es in durchaus ernsthaft
gemeinten, ja vermeintlich vornehmen Konzerten hören
können; dagegen weiß ich, daß man sich dort dem Reich-
tum selbst, der plumpen Vielheit, die man auf unserer
Seite schon bewundert, noch nicht beugt, sondern daß
man mehr, nämlich die über den Reichtum gebietende
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liegen die Verhältnisse, daß ich die Sache umdrehen
möchte und sagen: mit Ausnahme von diesem einen
Slevogt hat der Direktor bei seinen Ankäufen durchweg
eine glückliche Hand bewiesen. Oder, wenn man immer
wieder sagt, was könnte nicht alles gekauft werden:
gewiß, es kann und muß noch vieles gekauft werden,
aber soll der Mann etwa gleich bei Pechstein und Heckel
beginnen? Nichts fehlte uns weniger. Damit hat es
gute Weile, diese Dinge müssen erst gründlich durch das
große Sieb der Aeit gehen. Und wenn man weiter ruft:
er kauft keine berühmten Ausländer, so wäre auch darauf
zu antworten: wir haben vorläufig deren genug, und
höchstens das eine oder andere Werk allerersten Ranges,
etwa die Arlesienne von van Gogh, wäre willkommen zu
heißen.
So kann die Nationalgalerie zufrieden sein mit einem
Direktor, der ein derartiges Programm bei den Ankäufen
verfolgt. Denn die zu hastig erworbenen modernen
Bilder, für die man heute so gern Propaganda macht,
müssen nach weiteren zwanzig Jahren so sicher aus der
Galerie entfernt werden, wie jene vor etwa 30 Jahren
die Mode darstellenden, die Herr Justi heute mit so großer
Mühe hinauskomplimentiert, zumal wir mit ziemlicher
Sicherheit behaupten können, daß wir es unter den
jüngeren nicht mit einem Werte-Schöpfer zu tun haben,
viel mehr durchweg schon mit modernen Epigonen.
Museen sind aber weder Erperimentieranstalten noch
Kunstausstellungen. Jn einer Kunstausstellung oder in
einer Aeitschrift mag man Dinge willkommen heißen,
die noch längst nicht für ein Museum reif sind; dahin
gehört, was sich über die Jahrhunderte bewährt.
Es gehört heute mehr dazu, mit Verständnis gegen das
Moderne zu sein, d. h. innerhalb seiner zu sichten, als
sich als sein Protektor den billigen Lorbeer zu holen.
Wie not eine solche Sichtung tut, soll eine Galerie nicht
bald vor unnützem Zeug starren, dafür haben wir,
die wir kaum Vierzig sind, doch schon hinreichend Bei-
spiele erlebt und in Dichtung wie Kunst die gleichen:
wie entzückten uns einst die mystischen Perversitäten
eines Huysmanns und die Psychologie eines Bourget;
welcher Mann von Geschmack aber kehrte heute nicht
lieber zu der inneren und klaren Festigkeit einer Erzählung
von Mörimöe zurück, die eine reine und tiefere Poesie
enthält als selbst Flaubert und Balzac, und stellte sie
in ihrer Unvergänglichkeit nicht weit höher. Auf die
Malerei angewendet, heißt das soviel wie: in Frankreich
schätzen wir Jngres über allen, diesen selbständigsten
Formendenker, der weit weniger Epigone ist, als der so
sehr überschätzte Delacroir. Er allein kommt in einigen
seiner Werke den absoluten Werten der großen alten
Kunst nahe. Auf deutsche Verhältnisse übertragen folgt
daraus: für einen Schwind, einen Oberländer geben
wir ein Schock Moderner hin, ganz abgesehen davon,
daß wir natürlich in Menzel und Böcklin die'^größten
Genien des Jahrhunderts zu verehren haben.
t Baut also Ludwig Justi die Galerie in diesem Sinne
aus, so können wir ihm dafür nur dankbar sein; die von
Hugo v. Tschudi erworbenen französischen Bilder be-
weisen daneben höchstens, daß es auch in Frankreich
tüchtige Künstler gibt, daß aber ihre Werke weder an
Menzel noch an Böcklin heranreichen und wir die Uber-
schätzung jener bei uns als Geschichtsfälschung bezeichnen
müssen. Man hat gesagt, der frühe Böcklin habe von Corot
gelernt: ich kenne kein Bild aus der Schule von Fontaine-
bleau, das an Reichtum der Naturbeobachtung und Klang
der Farbe der Volzschen Kampagnalandschaft von 1859
von Böcklin gleichzustellen wäre: daneben wirken die
Fontainebleauer als glatte ölige Ateliermaler. Für
jenen Böcklin muß man eine Parallele schon bei Hobbema
suchen. Die gegenteilige Ansicht beweist, daß man heute
vollständig verlernt hat, Werte losgelöst von der Aeit-
modernität zu beurteilen.
Mit Recht betont Ludwig Justi den außerordentlichen
Wert der deutschen Handzeichnungen aus der ersten
Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Aber ich finde,
auch die Malereien dieser Künstlergruppe wären zu
erweitern und der Leibl- und Böcklin-Reihe die der
Nazarener und Romantiker als geschlossener Kreis
voranzustellen und weniger der Akzent auf den bürger-
lichen Realismus der Jahrzehnte zu legen, wie er in
Krüger und Blechen zum Ausdruck kommt. Das große
Schwindbild z. B. ist in dem an sich recht bedenklichen
Saal der „großen Formate" wenig an seinem Orte;
es ist weder in der Nähe eines Slevogt noch eines Leisti-
kow zu genießen. Es wäre ferner höchste Aeit, daß endlich
eine deutsche Galerie damit den Anfang machte ein
eigenes Oberländer-Kabinett anzulegen, solange diese
Werke noch für geringes Geld zu haben sind. Sie werden
in Bälde zum Echtesten und Gesuchtesten zählen, das die
deutsche Kunst im neunzehnten Jahrhundert hervor-
gebracht hat und manchen heute gefeierten Jmpressio-
nisten überdauern wird, eben in der Art, wie die Poesie
eines Merimöe über die Psychologie eines Bourget
jetzt schon triumphiert. Rudolf Klein-Diepold.
in Vergleich.
Das Jnstrumentieren als ein Farbengeben zu
bezeichnen, liegt so nahe und ist so allgemein
üblich, daß wir, davon handelnd, fast unwillkürlich den
Blick auf beide Künste, Musik und Malerei, zusammen
richten. Kann man nun sagen, die erstere sei der Schwester-
kunst näher gekommen, verwandter geworden, seitdem
die Technik des Jnstrumentierens sich vergrößert und so
sehr dominiert, daß sie auch das musikalische Empfinden
und Gestalten stark beeinflußt?
f Es leuchtet ein, daß, wo der Reichtum der Palette,
die Erfindsamkeit in charakteristischen Klängen überschätzt
wird, krasse Buntheit sich einzustellen droht, und daß
ein Geschlecht, welches die Schönheit unterschätzt, das
Adlige und Auszeichnende im Klanglichen für Seltsam-
keiten, Frappierendes, Betäubendes und Agacantes ein-
zutauschen in Gefahr ist. Und wirklich herrscht heute ein
geradezu plebejischer Geschmack; oder sollte das zu viel
gesagt sein, so wird er doch zugelassen. Jn der ganzen
anerkannten und auch nur halbwegs anerkannten Malerei
wüßte ich nichts, was dem Gepauke, Gepfeife und Ge-
trommel entspräche, wie wir es in durchaus ernsthaft
gemeinten, ja vermeintlich vornehmen Konzerten hören
können; dagegen weiß ich, daß man sich dort dem Reich-
tum selbst, der plumpen Vielheit, die man auf unserer
Seite schon bewundert, noch nicht beugt, sondern daß
man mehr, nämlich die über den Reichtum gebietende
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