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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 24.1914

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Heft 1
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https://doi.org/10.11588/diglit.26492#0050

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Typus der großen Düsseldorfer Ausstellung dieses Jahres denkt,
aber die Bilder allerältester Richtung streicht — dort war noch
Pfannschmidt zu sehen —, um die ganz moderne Abtcilung ent-
sprechend zu erweitern — auch dort waren neben Pechstein schon
die jungen Münchner wie Schwalbach, Caspar, Caspar-Elser und
verschiedene andere aufgehängt. —- Alles, was zwischen diesen
Ertremen liegt, ist auch hier zu sehen: Da sind eine garnicht geringe
Anzahl süßlich erfaßter Landschaften in toniger Halbdunkelmalerei,
von denen man nicht begreift, wie sie hierher kommen; da sind
Arbeiten, wie sie den verschiedenen Richtungen der Münchner
Malerei entsprechen; da sind dann die, die in Deutschland als
Impressionisten und Neo-Impressionisten zur Berliner Sezession
gehören würden, Talente wie RLseler dabei. Man sieht weiter
als erste Versuche zu strengerer stilistischer Bindung Nachahmungen
aller sogenannten primitiven Malerei, von den Agyptern an-
gefangen bis zu den Früh-Florentinern und den alten Deutschen,
ganz erstaunliche Beispiele der Selbstaufgabe von Menschen; daran
schließen sich die Arbeiten, in denen der Versuch zu strengerer Bin-
dung auf den Naturgesehen von der Kontrastwirkung der Farben
beruhen, es gibt schlechte Nachahmungen CLzannes; und endlich
sind auch einige Kubisten da, die wiederum mehr von der reinen
Form ausgehen, zum Teil mit ganz furiosen Riesentafeln, aber
doch verhältnismäßig in ganz geringer Zahl. Nimmt man hinzu,
daß Hodler eine kleine Sonderausstellung gewidmet ist, daß ein
Drittel aller Aussteller Landfremde sind, indem alle Weltteile
vertreten sind, und daß dies alles ohne jedcs System nach Herkunft,
Stil, Technik durcheinandergehängt ist, so hat man das äußere
Bild der Ausstellung vor sich.

Freilich erkennt man auch nirgends so deutlich, wie in dieser
der Anordnung nach geradezu monstrLsen Ausstellung, wie wenig
schließlich Stil, Rasse, Schule, Richtung in Wahrheit für das be-
sagen will, was Kunst ist; daß dies alles nur Voraussehungen,
Grundlagen sind, die auch anders sein kLnnten, ohne den wirklichen
Wert eines Kunstwerkes zum Bösen oder zum Guten hin zu ver-
ändern. Jch bin bereit, im Prinzip ein kubistisches Bild anzu-
erkennen, denn ich weiß, was es will und warum es das wollen muß,
zum mindesten für eine Zeit; ich kann deshalb noch immer nicht
jedes impressionistische Bild schlecht finden, besonders wenn es
sich eine entsprechende Aufgabe gestellt hat — man kann eine
Landschaft, aber keine Madonna impressionistisch malen —; ich
liebe alle Alten, Raffael immer noch nicht weniger als Michelangelo,
und finde bei den Ägyptern heutiges Stilgefühl. Aber was ich
von einem Bilde verlange, ist, daß es gut, und das ist schließlich,
daß es mit Erfolg ehrlich ist; daß es aus einem bis zur Religiosität
gesteigerten Kampf des Künstlers um Erkenntnis der Wirklichkeit
im weitesten Sinne dieses Begriffs hervorgegangen sei; daß es
unerbittlich sei, vb es nun auS einer weichen oder stählernen Seele
komme; daß es die wirkliche große Welt in restloser Spiegelung
durch eine unangreifbar durchgebildete menschliche Natur wieder-
gebe. Die meisten Bilder dieser immerhin berühmten franzLsischen
Ausstellung demgegenüber sind jedoch, wie der ehrliche Beschauer
mit Schrecken sieht, nicht deshalb schlecht, weil sie dieser oder jener
Richtung angehören, sondern weil sie garnicht aus der stürmischen
Begattung zwischen Mensch-Natur und Welt-Natur hervorgegangen
sind, sondcrn, nachgemacht, halbversucht, unter unbewußten Ein-
flüssen entstanden, im Grunde leichtsinnig, bequem, nicht eigentlich
wirkliche Bilder, sondern Gespenster von Bildern sind. Die Auf-
gabe, vor der die jüngers Generation von Malern steht, ist durch die
neuen Wege, die aus notwendigen Gründen eben betreten worden
sind, so klar bestimmt, daß sie sich in zwei, drei Sätzen fest normieren
ließen; fragt man, wie sie, nach dieser Ausstellung zu urteilen, heute
in Frankreich erledigt wird, so muß man antworten: Wirklich macht-
volls PersLnlichkeiten fehlen; die Masse ist unfähig; eine kleine
Zahl von Talenten arbeitet, ohne recht eigentlich weiterzukommen.

An dieser Stelle interessiert diese Ausstellung um der deutschen
Verhältnisse willen, und da darf man hinzufügen: Wenn diese
Ausstellung, wie man in Deutschland vielfach glaubt, den gegen-
wärtigen Stand der jungen Malerei in Frankreich anzeigt, so hat
Deutschland heute Frankreich die Führung in der malerischcn Ent-
wicklung abgenommen. Von den Talenten, die in Deutschland
heute wichtig sind, sind einige schon genannt; es wäre vielleicht
wichtig, noch zu betonen, daß im Rahmen der neuen Bestrebungen
die Antworten auf die neuen malerischen Fragen sichtlich immer
deutscher, immer mehr aus einer innersten Vsrknüpfung mit den
Grundquellen deutscher Wesenheit herausgegeben werden, wobei
man mit besonderer Innigkeit des fast unbekannten Pforzheimers

Hildenbrand, auch eines Haustein gedenken mLchte. Jmmerhm
sind auch hier einige, die ernst arbeiten; von den Franzosen seien —
außer Matisse mit einem Porträt von sehr schLner Haltung — Fres-
nayes, Gaspard, Maillol, Gilles, auch Friesz und Le Beau genannt,
von den Ausländern Rice, Rzecho, Zak; dabei sind interessanter-
weise Aquarelle und Tuschzeichnungen meist besser als die Ölbilder.
Die Bildhauerei bringt wie vielfach heute der Zahl nach relativ
Bedeutenderes, obwohl hier die Franzosen noch mehr zurück-
treten; während Lehmbruck nicht recht weiterzukommen scheint,
ist eine Arbeit der Breslauerin Hanna Koschinsky z. B. außer-
ordentlich ernst; außerdem fallen Immenhoff, Howard, Inden-
bann und Popineau auf. Der Clou der Ausstellung ist sogar, da
Hodler doch zu unglücklich unter franzLsische Farbenpikanterien und
Graphik (!) gehängt ist, dieGedächtnis-Ausstellung des Schweizer
Bildhauers Rodo de Niedcrnhäusern, dcr wirklich ein Meister war,
wie ihm Rodin im Katalog bezeugt. Während die Möbel-Aus-
stellung sehr unbedeutend ist, ist unter den keramischen und auch
den Metallarbeiten manches Beachtenswerte, so deutlich der Ein-
fluß Ostasiens ist. Eine ganz klcine Ausstellung aus dieser großeu
würde mancherlei Anregung zu geben vermLgen: Das ist der dies-
jährige Herbst-Salon. Ioachim Benn.

as Frankfurter Heinr-Denkmal.

Frankfurt hat wieder seinen Ruhm eines liberalcn Gemein-
wesens um ein gutes Stück vermehrt. Cs ist nicht nur die Stadt
in Deutschland, die seit dem 13. Dezember das erste Lffentlich auf-
gestellte Heinedenkmal besiht, sondern es hat auch dafür gesorgt,
daß dieses Denkmal ein Kunstwerk geworden ist. Das will heute
noch etwas heißen, und wir verzeichnen das mit um so grLßerer
Genugtuung, als hierin früher in unverantwortlicher Weise ge-
sündigt worden ist. Man stelle sich in Gedanken den Brunnen
neben dem Schauspielhause und vor allem den Bismarck mit seiner
Germania hoch zu Roß vor, und man wird dem Schicksal dankbar
sein, das eine einsichtsvolle Kommission sich für den Cntwurf Georg
Kolbes entscheiden ließ. Da echte Kunstwerke auf Lffentlichen
Plähen noch immer ein so rarer Artikel sind, kann man das Monu-
ment Kolbes immerhin als eine Angelegenheit der Kultur ansprechen.

In erster Linie ist es natürlich keine Porträtfigur. Das wäre
im besten Falle eine angenehme Biedermeierstatue „mit Welt-
schmerz" geworden. Kolbe brachte nur auf dem schlichten Sockel
das Profil des Kopfes in Relief an, und manche gibt es, die auch
das noch für überflüssig halten. Darunter steht: Dem Dichter
Heine. Auf dem Sockel aber erhebt sich eine freie Bronzegruppe,
die gar kein Gedicht illustriert und an kcine Gestalt des Dichters
auch nur im entferntesten anklingt, die vielmehr aus reinem Mit-
schwingen der Empfindung geboren ist; Kolbes eigenste SchLpfung.

Ein Mädchen kauert am Boden, den OberkLrper aufgerichtet;
ein Iüngling schreitet hinter ihr mit dem weiten Schritt des Siegers
dahin. Niemand vermag restlos zu erklären, was sie „bedeuten".
Denn sie bedeuten nichts, im üblichen Sinne. Sie sind schLn,
und das sollte genug sein. Eine plastische Gruppe jugendlich
sehnender, jugendlich strebender Gestalten, den Genius Heines
gewidmet: das ists. Man kLnnte natürlich nicht jedes beliebige
plastische Bildwerk dergestalt verwenden. Aber man schenkt auch
nicht einein bestimmten Menschcn irgend ein beliebiges Ding;
man wählt für ihn aus. Und so hat Georg Kolbe etwas aus seiner
reichen Schatzkammer plastischer Figur ausgewählt, was er mit
Würde seinem lieben Dichter Heine widmen konnte: ein Paar,
das Heines Geist und Art nahe steht in dem, was es ausdrückt.
Schwermut und Sehnsucht und hoffends Hingebung in dem
Mädchen, Schwung, Tatkraft, Weltgefühl und Siegerbewußtsein
im Iüngling. Das sind Worte; wesentlicher ist das rhythmisch-
geistige Körpergefühl, das dieses schöne Paar in uns auslöst, und
das sich so wenig in Worte fassen läßt wie Musik.

Die Kunst Georg Kolbes ist zu feingliedrig, zu innerlich, um
dekorativ wirken zu können. Cr ist kein Plastiker für den freien
Platz; er will aus der NLHe genossen, jede feine Senkung und
Hebung seiner Flächen mitempfunden werden. So ist es kein
Wunder, wenn das Denkmal in dem mächtigen Raum der Fried-
berger Anlagen beinahe zu durchsichtig wirkt, zu geringe Substanz
entfaltet. Das wird besser sein, wenn die Hecke höher wächst und ihm
den Hintergrund, den geschlossenen Raum gibt, dessen es bedarf.
Sein Werk wird davon so wenig berührt, wie dic SchLnheit einer
Kammermusik, die irrtümlicherweise in einem zu großen Konzert-
saal gespielt wird. Paul F. Schmidt.

Verantwortlich: Wilhelm Schäfer. — Druck und Verlag: A. Bagel, Düsteldorf. — Kunstdruckpapier: I. W. Zanders, B.-Gladbach.
Alle redaktionellen Sendungen sind an den Herausgeber Wilhelm Schäfer in Vallendar a. Rh. erbcten.

Für unverlangte Manuskripte und Nezensionsercmplare wird keine Verpflichtung überuommen. Nückporto ist beizulcgen.
 
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