Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]: Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein (24.1914)

Abb. 6.

Hauptportal.

Und doch weiß jeder, der
die Entwicklung init offe-
nem Auge beobachtet, daß
auch der religiösen Sehn-
sucht einer Ieit im Künst-
lerischen neue Iiele vorbe-
halteu siud, daß, soll der
religiöse Mystizismus auch
in unserer Aeit zu Recht
bestehen, das moderne Ge-
fühl Anspruch auf Berück-
sichtigung, ein Recht aus
neue künstlerische Formen
besitzt, die dem Geist unse-
rer Tage — die freilich nicht
mehr Mittelalter sind —
angepaßt sein müssen. Mit
dieser so natürlichen Er-
kenntnis aber begreifen wir
die Notw endigkeit ein er n ach-
haltigen Erneuerung auch
auf diesem Felde künstleri-
scher Betätigung, und wir
begrüßen doppelt freudig
eine Schöpfung, die wie die
starke Verheißung eines neu-
en Kommenden unsere Sin-
ne gefangen nimmt.

Es ist nicht zu viel ge-
sagt, wenn man Koerners
neue Synagoge in Essen,
die im vergangenen Jahr




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Abb. 7.

Mittlere Bronzetür.

vollendet und eingeweiht
wurde, als erste Erfüllung
auf dem Gebiete des mo-
dernen Kirchenbaues schlecht-
hin wertet — einerlei wel-
chem besonderen Kulte sie
auch zu dienen berufen ist.
Denn das Religiöse ist, un-
abhangig von jeder beson-
deren Form, ein absoluter
Begriff und der sich darau
knüpfende Mystizismus, das
lebendige Verlangen des
Menschen nach der Gottheit
ist so alt wie die Welt
selbst. Trotzdem aber ist
die den Völkern und Aeiten
innewohnende Gefühlsge-
walt niemals die gleiche ge-
wesen. Das finstere Mittel-
alter, das unter dem Streit
der Völker und dem Kampf
der Sekten inbrünstig der
Weltverneinung nachging,
kennzeichnet auch im Archi-
tektonischen nicht nur die
Erhabenheit seines Glau-
bens, sondern nicht weni-
ger auch die trutzige Krast
der Überzeugung, durch die
den romanischen Kirchen
der Sinn eines Gleichnisses

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