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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 24.1914

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Heft 4
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Schmidt, Paul Ferdinand: Der Zeichner Wilhelm Kalb
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https://doi.org/10.11588/diglit.26492#0132

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Der Aeichner Wilhelm Kalb.

traurigeS Nebelklima in einer Künftlerseele auslöft. Da aber bci Kalb sich angeborene Neigung,
Erziehung und Talent so wunderbar aus einem Punkt vereinigen, so ist eS wohl gut, daS zu wissen
und sich gegenwärtig zu halten, wieviel in der Welt zusammenkommen muß, um einc glückliche Har-
monie ganz schlackenlos herauSzuarbeiten.

So einc Harmonie bilden allerdingS diese Zeichnungen; seien sie in schwarzer Kohle oder mit
Hilfe von wenigcn Buntstiften oder Aquarellstrichen zustandegekommen. Wie wenig Materie genügt
doch, um auözudrückcn, was die Seele bewegt! Vielleicht ist es auch die tcchnische und künstlerische
Bcschränkung, welche die innerliche Steigerung in diesen Zeichnungen ermöglicht. Es liegt in ihnen
eine Inbrunft, die nicht sehr viel umfassen kann: denn wer in die Tiefe dringt, kann nicht zugleich
auch sich ins Weite begeben. Dämmernde Stimmungen über Ebenen und weltabgeschiedene Hütten;
Pferde meist in ruhiger Stellung, Schase, selten nur Menschen, die sich willig in die Landschaft
einfügcn: das ist der Umkreis Kalbscher Darftellung. Menschen als Naherscheinung, in besonderer
Tätigkcit, selbst Rinder liegen ihm schon ferner; und ganz fern alleö, waö an Stadt nnd Unruhe
und Weltlichkeit rührt. Aber innerhalb des KreiseS ift er ein Meifter, ruft jedeö Blatt ein innigeö
Erlcbnis hervor. Welch ein Glück muß es sein, die Welt und ihre Geschöpfe so ftill und ruhevoll
alö Erschcinung zu erleben und auf dcm getönten Blatt auferftehen ;u laffen! Das Glück und
die Innigkeit dcssen, der die Natur von ganzem Herzen liebt und dem sie ihre wahrcn, so einfachen
Geheimnisse enthüllt, sie laffen noch den flüchtigen Betrachter die Herrlichkeit dcr Weltabgcschieden-
heit tief empfinden und geben Gestalt dcm schmerzhaft schönen Wort deö Dichters Zarathustra:
„O Einsamkeit! Du meinc Heimat Einsamkeit! Wie selig und zärtlich redct deine Stimme zu
mir! O, wie aus tiefer Bruft dicse Stille reinen Atem holt! O, wie sie horcht, diese selige
Stillc!" Paul F. Schmidt.

Wilhelm Kalb.

Pferd grasend II.
 
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