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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 24.1914

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Heft 4
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https://doi.org/10.11588/diglit.26492#0164

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er sich von neunzehn erinnern, sie während der' Arbeit sich selbst
gemacht und sie auch schon sich selbst beantwortet zu haben."

Man pflegt dieses Wort anzuführen, um solche Einwürfe als
entbehrlich abzuweisen. Es muß aber dem Künstler im Gegenteil
willkommen sein, wenn das, was ihn selbst so beschäftigt, ihm so
zu schaffen gemacht hat, auch von andern als problematisch emp-
funden und formuliert wird; denn diese, selbst wenn sie einen
ungünstigen Spruch fällcn, erinnern doch offenbar an eine dcr
Lebensfragen für das Kunstwerk! Und dem Künstler, welchcr sein
Werk als im Zusammenhang mit dem Leben der Kunst sieht, wird
es um vieles wichtiger sein, einem starken Betrachten zu begegnen
als Iustimmung zu finden. A. Halm.

M

onumente.

Jch möchte einigen Dingen des breiten völkischen Lebens
das Lob reden, Dingen, von denen mir scheint, daß sie durch unver-
drossenen Lebenswert manches wettmachen, das sonst etwa mangelt.

§um Exempel die Spielkarten. Sie sollen aus China stammen.
Sie haben sich bei uns nüanciert wie Fränkisch und Deutsch und
gutes Heimatrecht sich erworben. Rhein und Main entlang haben
sie eine jede Kleinstaaterei mitgemacht und sind auch nicht um-
gekommen.

Seit hundert Jahren ungefähr lernt Michel mächtig zu, kon-
zentriert und extrahiert und verändert die Anschauung, doch in
der hinteren Tasche trägt er sein Kartenspiel, und wo es den Sonn-
tagnachmittag versüßt, ist das Wohlbehagen noch immer erblich.

Würfel und Spielbrett. Beide sind unerhört alt, unerhört
fruchtbar und von einer verblüffenden Simplizität der Erfindung.
Altindische Fürsten sehen alles an ihr Spielbrett (Schach). Jn der
Edda würfeln Götter mit Göttinnen. Jm Mittelalter versucht
sich der Teufel darin. Vor 25 Jahren waren Würfel das eigent-
liche ksrpotuum Llobils für Spiele aller Art.

Blinde Kuh! Gewiß das artigste Scherzspiel. Ein grüner
Rasen tbsatrum, die Akteurs aus dem xublloo genommen. Ein
Tüchlein um die Augen, um und um, und die Welt hat mit gedreht.
Therese fühlt sich umlauert, hascht einen Schmachtknaben (Goethc:
O liebliche Therese), flugs ins Dunkel mit ihm und mag er tappen,
schmachten — sagt, könnte ein Liebesspiel scherzhafter, ein Scherz-
fpiel liebenswürdiger sein? Wer erfindet ähnlich: grüner Rasen,
Tüchlein um zwei frische Augen, die Komödie hat begonnen.

Wer in der guten Jahreszeit in Schweizer Städten sich auf-
gehalten, wird die Trommel im Angedenken halten. Der Schweizer
hat von Pfingsten bis Weihnacht nicht einen roten Kalendertag,
doch seine Sonntage beginnen mit Trommelschlag. Die krummen
Gafsen müssen davon dröhnen bis zum Wackeln. So zieht das
Schweizer Volk zur Lände und vom Bahnhof, und Trommel-
wirbel gehen durch die ganze vaterländische Geschichte.

Endlich cine oberrheinische Festwiese. Die Leute leercn ihren
Krug und lassen ihn wiederum füllen und futtern dazu ihre Schützen-
wurst; und nun mein ich: Wem solche zwei Stücklein gelungen,
an denen die Freundchen sich delektieren als eine große Fa-
milie heut und gestern — der dürft wohl stolz sein, und eine
hohe Meinung mit sich tragen. — Kann eine breite Behaglichkeit,
wo sie derart unverwüstliche Formen findet, nicht auch einmal
monumental sein? P-.G afsert.

1515.

Cin Kavalier schildert seiner Dame die ewige Stadt:

Von Rom weiß ich nichts anderes zu sagen, als daß es zu
Land und Meer jeden Tag einen neuen Krieg, einen neuen Frieden
und eine neue Ligue gibt. Der Hof ist erschlafft, der Papst ergibt
sich seinen Lastern, und wer eine süße Freundin hat, erweist ihr
füße Dienste. Die Reichen triumphieren in ihren Ämtern, bis sie
sterben, und die Armen verzweifeln, indem sie auf Pfründen
warten. Wer in Rom keinen Gönner hat, ist wie eine Seele im
Fegfeuer; ohne Geld und Gunst wird dort nichts Gutes getan.
Der Eine lebt in allem Behagen, der Andere hat nichts zu essen;
die Einen sind voll Freude, die Andern voll Trübsal. Zwei Dinge
gibt's, die nicht schmerzenvoller nicht freudenreicher gedacht
werden können — Rom und eine Frau.

Jacinta des Torres Naharro,

aus Ticknor: Geschichte der schönen Literatur m Spanien.

<>ohannes Seiz,

.7 Kurtrierischer Hofarchitekt, Jngenieur sowie Obristwacht-
meister und Kommandeur der Artillerie, 1717 bis 1779, von
Karl Lohmeyer, Heidelberg, Carl Winter, 1914.

Schon der Einband in sattviolettem Stoff mit dem gold-
gepreßten kurtrierischen Kreuz in barockem Schild kündigt Ort und
Zeit der Handlung des Werkes an, den geistlichen Hof des Erz-
stiftes am Mittelrhein, zur Zeit, da Franz Georg von Schönborn
und darauf Iohann Philipp von Walderdorf hier regiert und eine
außerordentliche Bautätigkeit entfaltet haben. Beider prunk-
liebender Herren Geschmack bewegt sich in der Richtung, die die
Heroen des deutschen Barock, der geniale Mainzer Maximilian
von Welsch und die großen Wiener Meister Iohann Bernhard
Fischer von Erlach und Johann Lukas von Hildebrandt, geprägt
haben. Nur mittelbar durch den Würzburger Balthasar Neumann
ist Johannes Seiz von jenen Großen abhängig. Sein starkes
zeichnerisches Talent entwickelt er im engsten Änschluß an Neumann;
erst seit defsen Tod im Jahre 1753 kann er unbeschränkt sein Eigenstes
geben. Jn der Proportionalität seiner Außenarchitekturen übertrifft
Seiz namentlich Neumanns Spätwerke erheblich; in seinen deko-
rativen Schöpfungen läßt er aber seines Lehrers reine Formen-
gebung vermissen; er gefällt sich in wild gesteigerten Ornament-
bildungen. Seizens Hauptwerk, die Residenz in Trier, ist in ben
Jahren 1757 bis 1761 entstanden. Besonders der erste, ohne Einspruch
des Bauherrn gestaltete Entwurf verrät monumentale Kraft und
rhythmisch feine Gliederung. In der figürlichen und ornamentalen
Fassung des Gartenrisalits wic in der Haupttreppe hat die Seizsche
Eigenart wohl ihren stärksten Ausdruck gefunden. Die tlppigkeit
der Formgebung kontrastiert denkbar scharf gegen das anmutige
Spiel Neumannscher Rocaillegebilde, fie zeigt sich zumal an der
Treppenbrüstung in seltsamer Mischung mit spätgotischen Formen.
Die letzte Entwicklungsmöglichkeit des Barockornaments war damit
erschöpft. So stark es sich hier noch einmal aufbäumt, letzten Grundes
ist es schwindendes, müdes Barock, das an den Wandungen der
Treppe unmittelbar neben Waldlandschaften in Reliefs mit Felsen
und Burgruinen gesetzt ist. Die Romantik klingt an. — Nach
Walderdorfs Tod wird Klemens Wenzeslaus von Sachsen Trierer
Kurfürst. Mit ihm wird der Einfluß der französischen Akademie
im Bauwesen entscheidend. Seiz bleibt als bewährter Baumeister
zwar noch im Dienst, größere Bauten werden ihm aber nicht
mehr anvertraut. Trotz seiner Konzessionen an den ihm wesens-
fremden Klassizismus unterliegt er im Kampf um das neue große
Bauunternehmen, die Residenz in Koblenz, den Vertretern der
neuen Bauideen, zunächst dem Franzosen d'Jxnard. Außerlich
nvch in hohem Ansehen, stirbt Seiz 1779 als Künstler vereinsamt.
Eme Reihe bemerkenswerter Baumeister haben gleichzeitig unter
und neben ihm in Kurtrier gearbeitet. Nur einer von ihnen soll
hier genannt werden, der sie alle überragende Sachse Christian
Kretschmar, der Erbauer der Abtei Mettlach. In seinen Grund-
rißlösungen bevorzugt er geschwungene Linien. Jn der Derwen-
dung des Ornaments ist er sparsamer, an barocker Urwüchsigkeit
kräftiger als Seiz. Wenn wir heute gerade noch am Mittelrhein
zahlreiche behaglich gedehnte Barockbauten bewundern können,
so sind es im Wesentlichen aber doch Werke von Seiz und seiner
Schule. Manches ist untergegangen und manches um die Mitte
des 19. Jahrhunderts schwer geschädigt worden, am schwersten die
Trierer Residenz, deren linker Flügel der andrängenden Basilika
zum Opfer gefallen ist. Unbarmherzig hart schneiden ihre starren
Linien in die übermütig komponierte Ornamentik des Walder-
dorfschen Wappens oben im Hofrisalit. j

Lohmeyer hat in Jvhannes Seiz ein feines Gegenstück zu
seinem 1911 erschienenen Friedrich Joachim Stengel geschaffen.
Jn beiden Werken tritt Lohmeyer mit einer Fülle von baugeschicht-
lich neuen Crgebnissen, nicht zuletzt über Balthasar Neumann,
vor die Freunde der Barockarchitektur; in seltenem Maß ist es
ihm auch gelungen, die wissenschaftlichen Erkenntnisse durch kultur-
geschichtlich anziehende Schilderungen zu beleben. Das Werk
bildet den ersten Band der von Carl Neumann und Karl Loh-
meyer herausgegebenen Heidelberger kunstgeschichtlichen Abhand-
lungen; sein gewichtiger Jnhalt, die trefflichen Äbbildungen und
die typographisch gute Ausstattung haben die ihm zuteil gewordene
Unterstühung der rheinischen Provinzialverwaltung reichlich ver-
dient. R. Sillib.

Verantwortlich: Wilhelm Schäfer. — Druck und Verlag: A. Bagel, Düffeldorf. — Kunstdruckpapier! I. W. Aanders, B.-Gladbach.
Gedruckt mit Farbcn der Chr. Hostmann - Steinbcrgschen Farbenfabriken, G. m. b. H., Celle (Hannover).

Alle redaktionellen Sendungen sind an dcn Herausgeber Wilhelm Schäfer in Vallcndar a. Rh. crbeten.

Für unverlangte Manuskripte und Nezcnsionseremplarc wird keine Vcrpflichtung übcrnommcn. Rückporto ist bcizulegen.
 
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