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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 24.1914

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Heft 5
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Tafel, Hermann: Otto Reiniger
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https://doi.org/10.11588/diglit.26492#0168

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Abb. 2. Otto Rciniger! Eisack. Aus dem Jahre >89-. (Museum dcr bildenden Künste, Stuttgart.)

bezeichnete, hatte hier in semem Erstling ein Naturwerk geschaffen, das sernab lag von alledem, was man heroische
Landschaft nennt. Wir ftecken in unserer Ieit wie in unserer Haut und können aus beiden nicht heraus, so hat
sich Schopenhauer einmal geäußert.. Die warme Anerkennung eines Fritz von Uhde, der das Bild — leider ver-
geblich — zum Ankauf sür die Neue Pinakothek vorschlug, und die Verleihung der Goldenen Medaille haben da-
mals im Zahr 1889 Reiniger einen mächtigen Jmpuls gegeben. Aus der reichen stolzen, sein ganzeö Wesen
erwärmenden Freude heraus schus er jenen einzigen Abend im Feuerbachtal, der in der Münchner Jahres-
ausftellung von I89O die Geister der führenden LandschaftSmaler, und nicht nur die, gar mächtig erregte. Das Motiv
selbft jo grenzenlos einsach, daß nur er mit der belebenden Kraft seiner Kunst es inalen, vor allem aber in dieser
recht ftattlichen Größe es malen durfte. „Es wächft eben alleS aus dem Bild," meinte einer der feinsinnigsten
unter den Münchnern. Ein Vorfrühlingöabend im Feuerbachtal; im Vordergrund spielen die letzten Strahlen der
Abendsonne aus den braunen Schollen ihr goldiges Spiel und lassen den Waldberg dahinten in rötlichem Schimmer
erglühen. — Die warme wohlige Lust des Vorsrühlings, der dampfende Brodem der Erde schien dieser einzigen
Naturmalerei zu entströmen. Den „Ackerschollenreiniger" nannten ihn von da an seine Stuttgarter Kollegen;
noch fciner hat sich einer der bekanntesten deutschen, heute nicht mehr in Stuttgart weilenden Maler, der selbst
in jener Periode des ausblühenden Naturalismus seine großen Bilder mit der keimenden Kraft der Natur zu
erfüllen suchte, über das einzige Werk ausgedrückt. „Mit diesem Werke haben Sie das erreicht, was ich nur
angestrebt habe," so hat er sich geäußert. Auch Muther und Gurlitt wiesen auf das Werk hin; letzterer ins-
besondcre hat schon früh die starke Pcrsönlichkeit Reinigers erkannt. Er schreibt: „ES war im April und wollte
Nacht werden; wir gingen in einem Tal zwischen noch blattlosem Gesträuch an einem frisch gepflügten Hügel-
rücken hin. Darüber der schon schwer werdende Himmel. Ein Rest Abendrot lag noch in der Luft, spielte um
die Schollen des Feldes, um das Gezweig. Die Stille und Tontiefe der Landschaft tat mir wunderbar wohl.
Jch dachte mit Dank an den Stuttgarter Maler Otto Reiniger, der dergleichen meisterhaft darzuftellen weiß."
Alles in allem ein Bild, in dem die Berufenen einen bedeutungsvollen ganz unvergeßlichen Markstein der modernen
deutschen Landschaftsmalerei erblicken, so auch jene Mitglieder der Münchner Sezession, die nach 2O Jahren für
die Gedächtnisauöstellung zu Ehren Reinigers I9IO nach diesem unvergeffencn und unvergeßlichen Bilde auf das
eifrigste fahndeten. Ach! sie wußten nicht, daß jener heillose Atelierbrand in der Nacht vom 28. Januar I9O4
neben vielem anderen auch die beiden angeführten und so bedeutungövollen Frühwerke vernichtet hat. Ich mag
heute von jener rauchenden Brandstätte nicht reden; ich sehe den Freund noch vor mir mit dem wehen versteinerten
Lächeln in den verzerrten Iügen.

Mit Absicht bin ich bei den beiden Erftlingswerken von Reiniger so ausführlich gewesen. Diese großen von
organischer Kraft, Erdgeruch und ftrahlender Sonne erfüllten Naturschilderungen brachten einen ganz neuen Klang
in die deutsche Landschaftsmalerei und es ist tief schmerzlich, daß wir nur eines derselben in Abbildung bringen

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