mit weißen Blüten kalten Kalk, das Kind lief aus der
Stube, wieder ins Gras, Sonnenkringel huschten hin
und her, die Mutter stand unter der Haustüre, der
Dater oben auf dem Turm.
So gingen die Jahre. Das Haus trug sie geduldig.
Aber die Menschen bekamen lichtere Haare. Das Kind
war groß und über den Winter in der Stadt, mit dem
Sommer kam auch der Junge, zuerst spielend, kreiselnd,
allgemach ruhiger, ernster.
Jn einem Herbst geschah es, daß sie die Mutter in
einen Wagen packten. Der Vater stand daneben, bleich,
setzte sich zu ihr. Die Pferde zogen an. Das Haus stand
einsam. Gelbe Blätter schwankten nieder. Der Vater
kam wieder, allein, nie mehr wurde die Mutter gesehen.
Jm Sommer kam der Junge, nur auf ein paar Tage,
er machte seine erste große Ferienreise. Seitdem kam
er nie mehr über den ganzen Sommer, immer nur auf
ein paar Tage, wie es sich eben traf. Der Alte spann sich
ein, er war weiß geworden. Auf den Turm hatte er
ein Fernrohr gestellt, durch das er die Sterne besah,
Nächte lang. Er schlief nicht. Er schlürfte durch die
Zimmer, wenn er nicht auf dem Turm war, alle Lichter
brannten, zuweilen blieb er stehen und starrte in eine
Ecke. Das Mädchen fürchtete sich vor dem Nachtwan-
delnden, hatte die Türe ihres Aimmers verschlossen
und verriegelt.
Der Sohn kam öfters. Aber jetzt nur noch auf
Stunden. Er war in Hast, seine Augenbrauen gingen
zusammen, seine Nasenflügel bebten. So trat er dem
Alten entgegen. Und der nahm die Schlüssel, schloß
auf und reichte ihm die Scheine. Aber er sprach kein
Wort und blieb stumm und fragte nicht. Und der Sohn
kam immer wieder, und aus dem schönen springenden
Kind war ein harter, zuckender Mann geworden.
Dann war der Alte tot. Er fiel bei dem hellsten
Mittag um, war nicht mehr zu erwecken. Der Sohn
kam mit einer kleinen Frau, die immer über das Häus-
chen lächelte, und sie begruben den Vater. Dann reisten
sie. Das Haus wurde verschlossen, stand leer. Niemand
kam. Jn den Aimmern krachten die Dielen und Schränke
vor Sehnsucht.
Das Haus wurde verkauft. Am letzten Nachmittag
kam der Sohn allein. Die Möbel sollten weggeführt
werden. Stück für Stück wurde auf die Wagen geladen.
Der Sohn stand da, sah zu und nichts war ihm anzu-
merken. Er bückte sich, hob einen Nagel auf und steckte
ihn in die Tasche. Dann ging er durch das leere Haus,
die Zimmer, er blieb nicht stehen, er ging mit großen
hallenden Schritten, die Augen ein wenig gehoben,
er sah in den Garten, er stieg den Turm hinauf, er beugte
sich über die Brustwehr, sah den See, die Wiesen, die
Jnsel, die Acker, die Berge, die Bäume, den Himmel
und sie waren wie von Ewigkeit her, ohne Wechsel,
ohne Alter, in grausamer Unwandelbarkeit. Mit zum
Pfeifen gespitzten Lippen blickte er darüber, als wolle
er spotten. Da knickte dem Sohn der Kopf, sein Kinn
schlug auf die Brust auf, aber er weinte nicht. Mit
einem Ruck hob er sich dann und ging, ohne den Blick
zu kehren.
Ein junger Architekt, eben in die Gegend gekommen,
ließ sich hier mit seiner Frau nieder. Sie strichen das
Das Landhau^.
Haus rosa, auf den Turm kam eine Fahne und die schlug
hin und her in breiten frohen Stößen. Lachen der
jungen Frau ging durch die Räume, indes der Architekt
arbeitete und schaffte. Jmmer mehr Menschen kamen
zu ihm, damit er ihnen Häuser baue, immer größer hob
sich sein Wollen und immer heller scholl das Lachen.
Da wurde das Haus den Glücklichen zu klein, sie bauten
sich unten am See ein großes. Das aber schenkten sie
ihrer Mutter. Sie brachte Tauben mit, weiße, graue
und blaue, sie streute ihnen Futter, und eins, zwei, drei,
stand ein Taubenschlag vor dem Hause, im kleinen Vor-
gärtchen. Und die Tauben flogen aus und ein, bis keine
Stimme sie mehr rief, sie gefangen wurden und anderswo
wieder die Flügel rühren durften.
Ein Amerikaner hatte das Haus gekauft, er ließ es
gelb streichen, die Fensterläden grün. Er schlief eine
Nacht darin, dann fuhr er nach Amerika, sein Vermögen
zu ordnen, seine Braut übers Wasser zu holen. Auf dem
Meer war Nebel, die Sirenen schrieen, ein Schiff rannte
den Dampfer an, er sank, die Passagiere wurden ge-
rettet, nur drei nicht, unter ihnen war der Ameri-
kaner. Ein Rechtsanwalt schrieb das Haus zum Verkauf
aus.
Ein General mit seinen vier Töchtern zog ein. Sie
ließen das Haus, wie es war, nur hinten wurde ein
Zubau für den Wagen und das Pferd errichtet. Viele
Besucher kamen, Wein wurde aus dem Keller geholt
und getrunken, Braten geschnitten und gegessen. Mit
dem Wagen fuhr man rundum im Kreis zum Besuch.
Awei Töchter heirateten. Man tanzte, während die
jüngste Schwester auf dem Klavier einen Walzer um
den andern spielte. Jm Garten bei Lampenschein
prustete der General mit dem weinroten Antlitz den
Toast. Gläser klangen. Eine Ieit später wurde er im
Rollstuhl gefahren. Noch hatte er die laute ungeduckte
Stimme, er schrie durch den Garten, er aß noch Hühner
und Fasanen, er trank noch roten Burgunder, er schaffte
noch lärmend und gutmütig an. Aber die Stimme wurde
leiser, rieb sich ab, zerrieb, er röchelte, sie brach. Die
Töchter waren allein, sie blieben es. Nicht mehr kamen
Besucher, nicht mehr rollten Weinfässer in den Keller,
nicht mehr rochen die Stiegen nach Gebratenem. Die
Mädchen lebten in der Stille. Sie verkauften den Wagen
und das Pferd. Die ältere Schwester ging in die Stadt
als Erzieherin. Ein schwarzer Herr mit Koteletts gab
der jüngeren Geld, nachdem er das Haus in- und aus-
wendig gemustert hatte. Eine große Straße wurde
gebaut. Sie lief an dem Haus vorbei, rannte ein paar
alte Bäume um. Weinend sah ihren Fall die Schwester.
Automobile knatterten vorbei. Lang sah sie ihnen nach.
Sie vermietete über den Sommer das Haus, behielt
sich nur ein kleines Zimmer. Ein Pensionist ging mit
schlenkernden Beinen nach dem Mittagsschläfchen zum
Verdauungsspaziergang, Liebende lebten hier ihre erste
Nacht, eine Frau keifte mit ihrem Mann, der barg seinen
Kopf in den Pelz seines Schäferhundes, ein Maler
trug seine Staffeleien und Farben ins Freie, ein Kranker
starrte mit weiten Augen von seinen Kissen auf der
Veranda den See an, Buben und Mädchen drehten sich
im Hofe, fingen sich und versteckten sich hinter Büschen.
Jn Hängematten lagen reife Frauen, in den Schaukeln
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Stube, wieder ins Gras, Sonnenkringel huschten hin
und her, die Mutter stand unter der Haustüre, der
Dater oben auf dem Turm.
So gingen die Jahre. Das Haus trug sie geduldig.
Aber die Menschen bekamen lichtere Haare. Das Kind
war groß und über den Winter in der Stadt, mit dem
Sommer kam auch der Junge, zuerst spielend, kreiselnd,
allgemach ruhiger, ernster.
Jn einem Herbst geschah es, daß sie die Mutter in
einen Wagen packten. Der Vater stand daneben, bleich,
setzte sich zu ihr. Die Pferde zogen an. Das Haus stand
einsam. Gelbe Blätter schwankten nieder. Der Vater
kam wieder, allein, nie mehr wurde die Mutter gesehen.
Jm Sommer kam der Junge, nur auf ein paar Tage,
er machte seine erste große Ferienreise. Seitdem kam
er nie mehr über den ganzen Sommer, immer nur auf
ein paar Tage, wie es sich eben traf. Der Alte spann sich
ein, er war weiß geworden. Auf den Turm hatte er
ein Fernrohr gestellt, durch das er die Sterne besah,
Nächte lang. Er schlief nicht. Er schlürfte durch die
Zimmer, wenn er nicht auf dem Turm war, alle Lichter
brannten, zuweilen blieb er stehen und starrte in eine
Ecke. Das Mädchen fürchtete sich vor dem Nachtwan-
delnden, hatte die Türe ihres Aimmers verschlossen
und verriegelt.
Der Sohn kam öfters. Aber jetzt nur noch auf
Stunden. Er war in Hast, seine Augenbrauen gingen
zusammen, seine Nasenflügel bebten. So trat er dem
Alten entgegen. Und der nahm die Schlüssel, schloß
auf und reichte ihm die Scheine. Aber er sprach kein
Wort und blieb stumm und fragte nicht. Und der Sohn
kam immer wieder, und aus dem schönen springenden
Kind war ein harter, zuckender Mann geworden.
Dann war der Alte tot. Er fiel bei dem hellsten
Mittag um, war nicht mehr zu erwecken. Der Sohn
kam mit einer kleinen Frau, die immer über das Häus-
chen lächelte, und sie begruben den Vater. Dann reisten
sie. Das Haus wurde verschlossen, stand leer. Niemand
kam. Jn den Aimmern krachten die Dielen und Schränke
vor Sehnsucht.
Das Haus wurde verkauft. Am letzten Nachmittag
kam der Sohn allein. Die Möbel sollten weggeführt
werden. Stück für Stück wurde auf die Wagen geladen.
Der Sohn stand da, sah zu und nichts war ihm anzu-
merken. Er bückte sich, hob einen Nagel auf und steckte
ihn in die Tasche. Dann ging er durch das leere Haus,
die Zimmer, er blieb nicht stehen, er ging mit großen
hallenden Schritten, die Augen ein wenig gehoben,
er sah in den Garten, er stieg den Turm hinauf, er beugte
sich über die Brustwehr, sah den See, die Wiesen, die
Jnsel, die Acker, die Berge, die Bäume, den Himmel
und sie waren wie von Ewigkeit her, ohne Wechsel,
ohne Alter, in grausamer Unwandelbarkeit. Mit zum
Pfeifen gespitzten Lippen blickte er darüber, als wolle
er spotten. Da knickte dem Sohn der Kopf, sein Kinn
schlug auf die Brust auf, aber er weinte nicht. Mit
einem Ruck hob er sich dann und ging, ohne den Blick
zu kehren.
Ein junger Architekt, eben in die Gegend gekommen,
ließ sich hier mit seiner Frau nieder. Sie strichen das
Das Landhau^.
Haus rosa, auf den Turm kam eine Fahne und die schlug
hin und her in breiten frohen Stößen. Lachen der
jungen Frau ging durch die Räume, indes der Architekt
arbeitete und schaffte. Jmmer mehr Menschen kamen
zu ihm, damit er ihnen Häuser baue, immer größer hob
sich sein Wollen und immer heller scholl das Lachen.
Da wurde das Haus den Glücklichen zu klein, sie bauten
sich unten am See ein großes. Das aber schenkten sie
ihrer Mutter. Sie brachte Tauben mit, weiße, graue
und blaue, sie streute ihnen Futter, und eins, zwei, drei,
stand ein Taubenschlag vor dem Hause, im kleinen Vor-
gärtchen. Und die Tauben flogen aus und ein, bis keine
Stimme sie mehr rief, sie gefangen wurden und anderswo
wieder die Flügel rühren durften.
Ein Amerikaner hatte das Haus gekauft, er ließ es
gelb streichen, die Fensterläden grün. Er schlief eine
Nacht darin, dann fuhr er nach Amerika, sein Vermögen
zu ordnen, seine Braut übers Wasser zu holen. Auf dem
Meer war Nebel, die Sirenen schrieen, ein Schiff rannte
den Dampfer an, er sank, die Passagiere wurden ge-
rettet, nur drei nicht, unter ihnen war der Ameri-
kaner. Ein Rechtsanwalt schrieb das Haus zum Verkauf
aus.
Ein General mit seinen vier Töchtern zog ein. Sie
ließen das Haus, wie es war, nur hinten wurde ein
Zubau für den Wagen und das Pferd errichtet. Viele
Besucher kamen, Wein wurde aus dem Keller geholt
und getrunken, Braten geschnitten und gegessen. Mit
dem Wagen fuhr man rundum im Kreis zum Besuch.
Awei Töchter heirateten. Man tanzte, während die
jüngste Schwester auf dem Klavier einen Walzer um
den andern spielte. Jm Garten bei Lampenschein
prustete der General mit dem weinroten Antlitz den
Toast. Gläser klangen. Eine Ieit später wurde er im
Rollstuhl gefahren. Noch hatte er die laute ungeduckte
Stimme, er schrie durch den Garten, er aß noch Hühner
und Fasanen, er trank noch roten Burgunder, er schaffte
noch lärmend und gutmütig an. Aber die Stimme wurde
leiser, rieb sich ab, zerrieb, er röchelte, sie brach. Die
Töchter waren allein, sie blieben es. Nicht mehr kamen
Besucher, nicht mehr rollten Weinfässer in den Keller,
nicht mehr rochen die Stiegen nach Gebratenem. Die
Mädchen lebten in der Stille. Sie verkauften den Wagen
und das Pferd. Die ältere Schwester ging in die Stadt
als Erzieherin. Ein schwarzer Herr mit Koteletts gab
der jüngeren Geld, nachdem er das Haus in- und aus-
wendig gemustert hatte. Eine große Straße wurde
gebaut. Sie lief an dem Haus vorbei, rannte ein paar
alte Bäume um. Weinend sah ihren Fall die Schwester.
Automobile knatterten vorbei. Lang sah sie ihnen nach.
Sie vermietete über den Sommer das Haus, behielt
sich nur ein kleines Zimmer. Ein Pensionist ging mit
schlenkernden Beinen nach dem Mittagsschläfchen zum
Verdauungsspaziergang, Liebende lebten hier ihre erste
Nacht, eine Frau keifte mit ihrem Mann, der barg seinen
Kopf in den Pelz seines Schäferhundes, ein Maler
trug seine Staffeleien und Farben ins Freie, ein Kranker
starrte mit weiten Augen von seinen Kissen auf der
Veranda den See an, Buben und Mädchen drehten sich
im Hofe, fingen sich und versteckten sich hinter Büschen.
Jn Hängematten lagen reife Frauen, in den Schaukeln
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