Abb. 6. Bernbard Hoetgen Krugträgerin
(Platanenhain).
gerinnen. An der Schmalwand, im
Hintergrunde der mittelsten Längs-
achse, die Monumentalgruppe der
Sterbenden Mutter; hingestreckt
liegt sie, auf den linken Arm gestützt,
Haupt und Blick nach oben gewendet,
während auf ihrem Schoße das Kind-
chen sitzt. Der reinen Vertikalen des
Brunnens stellt sich hier das Wider-
spiel einer ansteigenden Schragen und
der mittleren Vertikale des Kindchens
entgegen; architektonisch streng gefaßt
ist der Sockel: sitzende Löwen tragen
die Platte, auf der die Gestalt ruht,
und die in Form von Wolken stilisiert
ist. An den Seiten derbeiden Schmal-
wande des Hains sind endlich jeweils
zwei Reliefs eingelassen, von denen
sich je zwei in denselben Achsen gegen-
überstehen: „Schlaf" und „Aufer-
stehung", „Frühling" und „Le-
ben" grüßen sich solchergestalt. Die
verbindende Kette zwischen dem allen
bilden Blumenvasen mit symmetri-
schen Tieren und Köpfen, in regel-
maßigen Abstanden.
Der Gedankevom ewigen Kreislauf
des Lebens und seinem Gleichnis im
WasserliegtdemplastischenRhythmen-
gebilde zugrunde. Das Wasser selber,
sichtbar im Brunnen hervortretend,
weist seine wohltatige Macht in den
Gestalten der höchsten Krughaltenden,
der sich die durstigen entgegenneigen,
und den sieben Wasserträgerinnen,
die das lebenspendende Naß in alle
Welt verteilen. Am Brunnen liest
man den Goetheschen Vers:
Des Menschen Seele
Gleicht dem Wasser;
Vom Himmel kommt es,
Dum Hinunel steigt es,
Und wieder nieder
Zur Erde muß es,
Ewig wechselnd.
Abb. 7. Bernhard Hoetger: Krugträgerin
(Platanenhain).
Den menschlichen Gegenpol bildet die Mutter, als
Symbol vom Werden und Vergehen; die Mutter, die
sterbend einem neuen Menschlein das Leben gibt und
so den unausgesetzten Kreislauf der Natur verkörpert,
die sich ewig neu gebiert und ewig welkt, in welcher Tod
nur eine andere Form für Leben bedeutet. Än den
Tafeln zwischen den Löwen steht geschrieben: „Geboren
nimmer, ninnnermehr gestorben; gewesen nimmer,
nimmer noch zu werden; beständig, ewig, unerzeugt von
jeher, zerfällt es nicht, wenn auch der Körper hinfallt."
Die Reliefs endlich stellen das Gleichmaß des ewigen
Kreislaufs dar. Jn vier gleichen Kompositioncn von
sechs stehenden und fünf zwischcn ihnen hockenden
Figuren verkörpern sich einzelne Austande in symbolischen
Gesten, die vom Menschen den Ausdruck, vom Element
des Wassers die sließende Form der Linie und den
Rhythmus der ewigen Miederkehr entlehnen und des
Menschen Seele mit dem Schicksal des Wassers in unauf-
lösbare Gleichung setzen. Dem „Schlaf" ist der Spruch
(aus dem vorbuddhistischen Epos „Krischnas Weltengang",
wie auch bei den übrigen) beigegeben: „Gestalten,
sagt man, sterben hin, entstammen dem, was nicht
erstirbt, was unermeßlich nie versiegt." Der „Auf-
erstehung": „Woher sie kommen, merkst du nicht, merkst
nicht, wohin sie wieder gehn; der Wesen Mittag merkst
du hier: was mutet also Weh dich an?" Dem „Leben":
„Gleich wie der Leib im Leben schon aus Jugendblüte
Alter zeugt, erzeugt sich wieder neu der Leib." Und dem
„Frühling": „Es ist ein Ewiges, das wandelt und das
bleibt, da-s in sich selber ruht und ruhlos treibt."
Das Große an diesen Skulpturen ist, daß man
nirgends an ihnen etwas Gedankenhaftes spürt. Sie
tragen Sinn und Bedeutung in ihrer plastischen Form
verschlossen, und nur wer sie zu deuten weiß, spürt
708
(Platanenhain).
gerinnen. An der Schmalwand, im
Hintergrunde der mittelsten Längs-
achse, die Monumentalgruppe der
Sterbenden Mutter; hingestreckt
liegt sie, auf den linken Arm gestützt,
Haupt und Blick nach oben gewendet,
während auf ihrem Schoße das Kind-
chen sitzt. Der reinen Vertikalen des
Brunnens stellt sich hier das Wider-
spiel einer ansteigenden Schragen und
der mittleren Vertikale des Kindchens
entgegen; architektonisch streng gefaßt
ist der Sockel: sitzende Löwen tragen
die Platte, auf der die Gestalt ruht,
und die in Form von Wolken stilisiert
ist. An den Seiten derbeiden Schmal-
wande des Hains sind endlich jeweils
zwei Reliefs eingelassen, von denen
sich je zwei in denselben Achsen gegen-
überstehen: „Schlaf" und „Aufer-
stehung", „Frühling" und „Le-
ben" grüßen sich solchergestalt. Die
verbindende Kette zwischen dem allen
bilden Blumenvasen mit symmetri-
schen Tieren und Köpfen, in regel-
maßigen Abstanden.
Der Gedankevom ewigen Kreislauf
des Lebens und seinem Gleichnis im
WasserliegtdemplastischenRhythmen-
gebilde zugrunde. Das Wasser selber,
sichtbar im Brunnen hervortretend,
weist seine wohltatige Macht in den
Gestalten der höchsten Krughaltenden,
der sich die durstigen entgegenneigen,
und den sieben Wasserträgerinnen,
die das lebenspendende Naß in alle
Welt verteilen. Am Brunnen liest
man den Goetheschen Vers:
Des Menschen Seele
Gleicht dem Wasser;
Vom Himmel kommt es,
Dum Hinunel steigt es,
Und wieder nieder
Zur Erde muß es,
Ewig wechselnd.
Abb. 7. Bernhard Hoetger: Krugträgerin
(Platanenhain).
Den menschlichen Gegenpol bildet die Mutter, als
Symbol vom Werden und Vergehen; die Mutter, die
sterbend einem neuen Menschlein das Leben gibt und
so den unausgesetzten Kreislauf der Natur verkörpert,
die sich ewig neu gebiert und ewig welkt, in welcher Tod
nur eine andere Form für Leben bedeutet. Än den
Tafeln zwischen den Löwen steht geschrieben: „Geboren
nimmer, ninnnermehr gestorben; gewesen nimmer,
nimmer noch zu werden; beständig, ewig, unerzeugt von
jeher, zerfällt es nicht, wenn auch der Körper hinfallt."
Die Reliefs endlich stellen das Gleichmaß des ewigen
Kreislaufs dar. Jn vier gleichen Kompositioncn von
sechs stehenden und fünf zwischcn ihnen hockenden
Figuren verkörpern sich einzelne Austande in symbolischen
Gesten, die vom Menschen den Ausdruck, vom Element
des Wassers die sließende Form der Linie und den
Rhythmus der ewigen Miederkehr entlehnen und des
Menschen Seele mit dem Schicksal des Wassers in unauf-
lösbare Gleichung setzen. Dem „Schlaf" ist der Spruch
(aus dem vorbuddhistischen Epos „Krischnas Weltengang",
wie auch bei den übrigen) beigegeben: „Gestalten,
sagt man, sterben hin, entstammen dem, was nicht
erstirbt, was unermeßlich nie versiegt." Der „Auf-
erstehung": „Woher sie kommen, merkst du nicht, merkst
nicht, wohin sie wieder gehn; der Wesen Mittag merkst
du hier: was mutet also Weh dich an?" Dem „Leben":
„Gleich wie der Leib im Leben schon aus Jugendblüte
Alter zeugt, erzeugt sich wieder neu der Leib." Und dem
„Frühling": „Es ist ein Ewiges, das wandelt und das
bleibt, da-s in sich selber ruht und ruhlos treibt."
Das Große an diesen Skulpturen ist, daß man
nirgends an ihnen etwas Gedankenhaftes spürt. Sie
tragen Sinn und Bedeutung in ihrer plastischen Form
verschlossen, und nur wer sie zu deuten weiß, spürt
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