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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 24.1914

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Heft 10
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Schäfer, Wilhelm: Von der Schweizerischen Landesausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.26492#0347

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Von der Schweizenschen Landesausstellung.

vieler Tagesspaziergänge sein könnte; wahrhaft er-
griffen aber war ich von der Darstellung der Verwaltung:
Das Erziehungs-, Unterrichts-, Wohlfahrts-, Bildungs-
wesen und die Fürsorge für die Landwirtschaft, das sind
Denkmäler eines Volkstums, darin einer für alle und
alle für einen stehen. Jch weiß genau, wieviel Stolz
wir in Deutschland auf unsere Leistungen im Einzelnen
dieser Dinge setzen dürsen, wieviel selbstlose Tüchtigkeit
auch bei uns unermüdlich dem Ganzen dient; aber das
Einzelne wird nicht so Ereignis im Ganzen wie hier, weil
man es nicht als Selbstverstandlichkeit eines Volkes
fühlt. Die Ausstellung ist, wenn man so will, wissen-
schaftlich exakt gearbeitet; wer die Schweiz nur als
Sommeraufenthalt kennt und gewohnt ist, alles auf
die Bedürfnisse der Fremden zugeschnitten zu sehen,
wird fast enttauscht sein,
wie wenig oder gar keine
Rücksicht hier auf diese
Fremdenindustrie genom-
men ist, wie alles für sich
selber dasteht und sich dem
Besucher nur mit dem Stolz
zeigt: das sind wir und das
machen wir, nicht niehr aber
auch nicht weniger möchten
wir gelten. Selbst so et-
was wie die weltüberlegene
Uhrenindustrie fällt nicht
aus diesem Rahmen eines
völkischen Selbstbewußt-
seins; in dieser sachlichen
Prazision bewirkt die Aus-
stellung als Ganzes ein
Wohlgefallen, das ästhetisch
genannt werden kann und
der Wirkung guter Kunst
unendlich viel näher steht
als die zweifelhafte Ge-
schmackskunst der Hallen und
Pavillons.

II. Das Dörfli.

Es entspricht dem Wesen
dieser Ausstellung, daß die
Kunst nur eine dienende
oder gar störende Rolle Detail vom GebLude für Uhren
darin spielen kann. Die

Störung bringt die XII. Nationale Kunstausstellung
(worüber die dritte Glosse handeln soll), den Dienst
leistet das „Dörfli", das sich bescheiden in die äußerste
Waldecke zurückgezogen hat und zunächst, wie die
alberne Rutschbahn gegenüber, nur als Anhängsel
wirkt. Es ist aber nichts weniger als ein „Schweizer-
dorf" zur Belustigung der Fremden, sondern nur die
Ausammenfassung einiger Ausstellungsgruppen in einen
baukünstlerisch einheitlichen Rahmen. Ein Gehöft, ein
Wirtshaus, eine Kirche mit Friedhof und Pfarrhaus
geben den äußeren Vorwand, heimatschützlerische Be-
strebungen gemeinsam mit Dingen der kirchlichen Kunst
zur Darstellung zu bringen, die, auf solche Anwendung
angewiefen, in der übrigen Ausstellung keinen Platz
fanden. Wollte man genau sein, könnte man sagen, daß

gerade das „Dörfli" einen Fremdkörper in dieser Schweize-
rischen Landesausstellung gäbe, indem es Dinge des be-
wußten Geschmacks zur Darstellung brächte, die sonst
einer konsequenten Sachlichkeit zuliebe ausgeschlossen
wären: ein anschauliches Beispiel der Lebensfremdheit
aller ästhetischen Bemühungen.

Das Gehöft steht mit zwei von seinen drei Ställen
und einem Wohnhaus um den brunnengeschmückten Hof;
es zeigt also eine unschweizerische Anlage und ist nur
erstellt, um allerlei Stalleinrichtungen mit der per-
manenten Viehausstellung zu zeigen. Obwohl Kühe,
Iiegen und Schafe nicht zu den Erzeugnissen der Ge-
werbetätigkeit gehören, stellen sie doch als Aucht ein
Ergebnis der menschlichen Kultur dar und ich kann mir
wohl einen Besucher denken, dem hier die Schweizer

am meisten imponieren.
Jedenfalls sollte kein Be-
sucher diese Ställe versäu-
men, es ist kein ästhetischer
Eindruck, aber es ist ein
Naturgenuß, dessen Schön-
heit über aller Hände Werk
vollkommen ist, obwohlman
schließlich doch die Sorgfalt
einer jahrhundertelangen
Aucht in den prachtvollen
Tieren bewundert.

Leider hatindemWohn-
haus die bekannte Firma
Nestle im Stil der Schoko-
ladenfabrikanten ausgestellt;
man hätte hier lieber etwas
von der bäuerlichen Wohn-
lichkeit gesehen als diese
bunte Erportprotzerei. So
entlädt sich der Heimatschutz
allein in dem Wirtshaus
und den um einen Hof an-
gebauten Verkaufshallen.
Man kennt sie ja aus den
Fremdenorten genügend,
diese Spitzenklöpplerinnen
und Handstickerinnen, die
Oberländer Schnitzereien
und die Steffisburger Töp-
d Edelmetatte. (Arch. Jngold.) ferwaren, und wie Gutes

mitGeringemdaringemischt
ist: so begrüßt man alte Bekannte und freut sich, daß sie
gewillt sind, ihre Tradition gegen den Versall des Kunst-
handwerks zu stellen. Ausmerksamer geht man schon in
den „Bazar für Reiseandenken"; Erinnerungen an bösen
Kitsch gehen mit und freudig begrüßt man die Tapfer-
keit, gegen die Ausschweifungen dieses Reiselasters an-
zugehen. Alles, was hier ausgestellt und zum Verkauf
zugelassen wurde, ist das Ergebnis eines Preisaus-
schreibens, das der Schweizer Heimatschutzverein ver-
anstaltete.

Seine eigentliche Domäne hat er in dem Wirtshaus
„Aum Röseligarten" und es bedarf keiner großen Kom-
hinationsgabe, um darin etwas Sinnbildliches zu finden.
Der unbarmherzige Aerstörer im schweizerischen Volks-
leben ist — wie wir schon bei der Baukunst bemerkten —

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