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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 24.1914

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Heft 12
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Swarzenski, Georg: Salve crux laudabilis!: zur Ausstellung des Kreuzigungsaltars in der Städtischen Skulpturensammlung zu Frankfurt
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https://doi.org/10.11588/diglit.26492#0405

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— im einzel-
nen besondcrS
nndenMmal-
ler Meister —
erinncrt füh-
len wird, so
hat dies seinen
letzten Grund
darin, daß
beider Kunst
in jenem alte-
renKunstkreise
wurzelt.

Als die Frank-
furter Kreu-
zigung auf-
tauchte, über-

raschend, >vie ctwas ganz Unbe-
kanntes und Einziges, war es der
crste Eindruck, daß ihr Meister,
trotz der Jnternationalität seiner
Beziehungen, ein Dcutscher sein
müsse. Dieser gefühlsmaßige Ein-
druck hat sich durch iveitere Beob-
achtungen bestatigt. Es fanden sich
vereinzelte Arbeiten, dic sciner Hand
und seiner Werkstatt angehören.

Wenn man dieses, geiviß noch nicht
vollstandige „Werk" übersieht, so
tritt der deutsche Charakter noch
mehr hervor. Von den verstreuten
klcineren Arbeiten, die sich der
Frankfurter Kreuzigung angliedern,
stehen drei noch an deni ursprüng-
lichen Orte: in Brügge, Rimini
(eine Pieta ini Dom) und in Lorch
am Mittelrhein. Daß der Meister
ein Jtalicner war, ist ausgeschios-
sen; in der flandrischen Plastik gibt
es nichts Verwandtes; in der west-
dcutschen, rheinischen Kunst findet
sich aber vieles, was ahnlich ist,
und so ivenig es hier zu beweisen
und so sehr es besiritten werden
mag, bietct die meisten Analogien
die mittelrheinische Kunst. Jn
Deutschland und nur in Deutschland
finden sich schließlich Arbeiten, die
die Kunst des Meisters in etwas jüngerer, werkmaßiger
Erstarrung und Erschlaffung zeigen, aber unbedingt
aus seiner Schule abzulciten sind: eine Reihe von
Arbeiten, die sich um die Altarfiguren in der Kirche
von Schwerte in Westfalen gruppieren. Ferner ist ein
dcni Schwerter Altar ganz entsprechendes Werk aus
den Urkunden bekannt: es wurde von einem deut-
schen Kaufmann nach Nord-Frankreich geliefert, um
dort mit vlamischen Gemalden zu einem Altar vereinigt
zu werden! Jm übrigen kann heute nur gesagt wer-
den, daß der vielbegehrte Meister gewiß an verschieden-
artigen Stätten gewirkt hat; für die größeren Äufträge
wird er bald da, bald dort sich längere Aeit niederge-

lassen haben,
als ivandern-
der Künstler;
kleinere Ar-
beiten wurden
sicher von sei-
neni jeweili-
gen Atclier
aus an ihren
Bestimmttngs-
ort versandt.
Wenn eine be-
sondereBezie-
bungzumMit-
telrhein ange-
iiommen wird,
so stcht der
internationale Charakter dieses
Kunstgebietes, welches auch
den burgundischen Einflüssen
am offensten stand, mit dem
künstlerischen Charakter dieses
Meisterö in guteni Einklang.

Jni übrigen ivill ich nun
weder der Forschung noch der
rein künstlerischen Würdigung
des Werkes vorgreifen; seine
geschichtliche Stellung mag
später besser erklärt werden,
sein künstlerischer Gehalt wird
ihm stetS eine erste Stelle an-
weisen.

Jm Mittelpunkt des Wer-
keS stcht die Golgathaszene,
in der breiten Ausgestaltung,
die sie in Jtalien erfahren
hatte und die von dort, seit
der Übersiedelung der Päpste
nach Avignon, in den ikono-
graphischen Bestand der nor-
dischen Kuust überging. Der
Stoff, mit all den ausge-
sponnenen Zügen der Legende,
ivar den Menschen von Kind-
heit an bekannt, und so ist es
nicht eigentlich die Erzählung
einer Begebenheit, sondern
die Darstellung ibrer Bedeu-
tung für die Menschheit, die den Jnhalt bildet. Das
Kreuz Christi ragt empor wie ein wunderwirkendes
Symbol, von kostbarster Arbeit, mit reichem, orna-
mentaleni Schmuck, cingefaßt von den Aeichen der
Evangelisten. Christus selbst: hinsterbend, das Antlitz
voller Gnade, der Körper von geistigster Zartheit.
Darunter Magdalena: das Kreuz umklammernd, in
die Knie gesunken, aber zugleich emporstrebend zu
ihrem Erlöser, — eine unvergeßliche Gestalt, gleich-
sam genahrt von Jnnigkeit und verhaltener Leiden-
schaft. An den Seiten die Kreuze mit den Schächern,
— der eine, wie ein Aufschrei im Todeskrampf —, eine
Vorahnung von Grünewald. Unter diesen Kreuzen

Abb. b. Der böse Schächer.

Vom Kreuzigungsaltar in Frankfurt a. M.

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