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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 24.1914

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Heft 12
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Swarzenski, Georg: Eine deutsch-italische Künstlergeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.26492#0411

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Abb. 13. Kopf von Ghibcrtis erstcr Bronzetür. (dnrch Abguß.)

Ghiberti erzählt, daß der Kölner Bildhauer zugleich
eiu ausgezeichneter Goldschntied >var; vor der Kreuzigung
in Frankfurt und anderen Arbeiten ihres Nceisters denkt
jeder an Goldschmiedekunst. Man kann gar nicht zweifcln,
daß auch dieser Meister zu der vornehn>en Klasse der
Goldschmiede-Bildhauer gehört (nicht zu der anderen,
die über die Bauplastik aus de»> Steinmetzenhandiverk
hervorging). Ghiberti ka»» bei der Beurteilung seines
Kölners nicht genug sich tu» in der Bewunderung seines
technischen Könnens, des Fleißes, der Genauigkcit, der
höchsten „Perfektion" der Arbeit. Bei der Beurteilung
des Kreuzigungsmeisters tritt all dies auch als etwas ganz
Außerordentliches hervor. Wenn schließlich Ghiberti dcn
Kölner »och besonders als einen ganz großen Aeichner
feiert, so kann »>a» nicht verkennen, daß auch bei jenem
Meister die zeichnerische» Oualitaten ganz hervorragend
sind, —- ja, gerade die Acichnung in diesen Figuren
und Gruppe» gehört zum Vchönsten, was die »ordische
Kunst hervorgebracht hat; sie spielt, auch abgesehe» von
ihrer O.ualitat, bei diesei» Bildhauer eine Rolle, die
kaum »och zu den allgemeinen, sondern wohl schon
zu den besonderen Merkmalen scines Stils gerechnet
werden muß.

Aber Ghiberti führt auch »och folgende Merkmale der
Figuren des Kölner Meisters an! Die Köpfc und das
Nackte nennt er „bewunderungswürdig g»t", die Ge-
wandung — erwähnt er nicht! Beim Kreuzigungs-
ineister staunt ein jeder über die Köpfe und (trotz mancher
Archaismen) über das Nackte, während die „überladene"
Gewandung, die mit dei» Bau des Körpers nicht so
recht sich auseinandersetzen will, den meisten garnichts

Nbb. 11. Kopf aus der Krcuzigmu>sgr»ppe, Frnnkfurt n. M.

oder »ur wenig sagt! Wenn nun Ghiberti der Charakte-
ristik des Kölners noch hinzufügt, sein einziger Fehler
sci, daß dic Figurcn „etwas kurz" sind, so glaubt man nicht
mehr zweifeln zu können, daß er die gedrungencn, oft
untersetzten (odcr richtiger: durch die Geivandung so
wirkenden) Figuren „unseres" Meisters meinen müsse!
Die allgemeine Beurteilung des Ausdrucks und Stils,
den Ghiberti als „gentilissima" bezeichnet, entspricht
schließlich vorzüglich der maßvollen, liebenswürdig an-
mutigen, edel feinen Art, die bei dem Kreuzigungsmeister
(gegenüber dem sonstigen Hang der dcutschen Gotik
zum Übertriebenen und Grimassierten!) besonders auf-
fällt und für Ghiberti gewiß eine notwendige Voraus-
setzung für jede künstlerische Auneigung ivar! Daß im
übrigen die Beiden so verschieden waren, wie es ein
Florentiner und ein Kölner nur sein können, ist wohl
selbstverstandlich. Sicher auch, daß dieser auf jcnen
nicht wegcn solcher Dinge Eindruck gemacht hat, dic wir
nach 500 Jahren als „stilistische Ahnlichkeit" konstatieren
können! Das besondere Leben der plastischen Forni,
das deni im Tonmodell konzipierenden florentinischen
Bronzebildner eigen ist, läßt sich überhanpt bei keineni
deutschen Künstler jener Aeit erwarte». Au dein wie
nüt dem Griffel arbeitenden Kreuzigungsmcister steht
es jedenfalls in einein Gegensatz, vor dcm zwar die
moderne Stilkritik die Waffen strecken niuß, der aber die
beiden Meister nicht gehindert zu haben braucht, einander
künstlerisch nahe zu kommen.

Aum Glück läßt Ghiberti keinen Aweifel über die
Lebenszeit des Unbekannten; sie fällt vollständig zu-
sammen mit der Entstehungszeit der Arbeiten des

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