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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 24.1914

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Heft 12
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Swarzenski, Georg: Eine deutsch-italische Künstlergeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.26492#0412

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Kreuzigungoineisters! Gdiberti
sagt, daß der Kölner unter Papst
Martin (V.) gelebt habe; seine
„mittlere Lebenszeit" fallt alse in
die Jahre 1417—1431, wahrend
das Tedesdatum nach Ghiberti
dic 438. Olnmpiade ist, das sind
die Jahrc 1437—1441. Auch wenn
nran nichts von Ghibertis Meister
ivüßte, bestande schlechterdings
keine Möglicbkeit, die Frankfurter
Kreuzigung und dic ihr venvand-
ten Arbeiten anders als auf diese
Aeitspanne zu datieren!

Eine weniger glatte Rechuung
ergibt sich aus den örtlichen An-
gabcn in Ghibertis Bericht. Hier-
nach ist Köln die eigentliche Hei-
mat des Unbekannten. Von dem
Kreuzigungsmeister kann man mit
Bestimmtbeit sagen, daß sein deut-
scher Wirkungskreis immerhin mit
Sicherheit im rbeinischen Ge-
biet liegt. Allerdings weisen scine
Beziehungen (wie mir scheint!) mehr nach dem Mittel-
rhein als nach Köln, aber sie erstrecken sich auch nach
Wesifalen. Es ist sehr wohl möglich, daß Ghibcrti nnt
der Angabe „Köln" nur das bekannteste Aentrum im
Wirken seines rheinischen Meisters bezeichnen wollte,
ohne es streng wörtlich zu meinen. Aber es ist auch
anderseits keineswegs aus-
geschlossen, den Kreuzigungs-
meister der Kölner Schule
einzuordnen. Die Kompo-
sition der Kreuzigung isi
kölnisch, und die ganze Art
dieser feinen Kleinplastik in
kostbarem Stein scheint in
Deutschland danials nur in
Köln schulmaßig geübt wor-
den zu sein. Schade, daß
eine in Köln bei Schnüttgen
befindliche Figur aus deni
Atelier des Kreuzigungs-
meisters nichts mehr be-
weisen kann, da über ihre
Herkunft nur bckannt ist,
daß sie aus deni Kölner
Kunsthandel stamnit.

Von der Tätigkeit des
unbekanntcn Kölners in
Jtalien erwahnt Ghiberti
nur die Arbeiten für den
Herzog von Anjou. Er
stand also zivar sicher in
Verbindung mit Neapel,
aber keinesivegs war er
darum ctwa nur an Nea-
pel gebunden. Wenn sich
also voni Kreuzigungsmeister

bisher Arbciten in Rimini, Bo-
logna, Padua gefunden haben,
aber nicht gerade in deni nocb
wenig erforschten neapolitani-
schen Gebiet, so spricht auch dies
nicht gegen seine Jdentitat nnt
dem Kölner! Jm übrigen ist aus
Ghibertis Bericht mit Sicherheit
nur noch zu entnehmen, daß die-
ser Mcister nicht in den floren-
tinischen Kunstkreis gehört, urw
vielleicht ist es kein Zufall, daß
in Florenz, wo man jeden Stein
kcnnt, auch von dem Kreuzigungs-
meister nicht eine Spur sich
findet.

Sehr merkwürdig ist schließ-
lich, wie Ghibcrti die Wirksam-
keit des Kölner Meisters als Leh-
rer betont. Er spricht nicht nur
allgcmein von Unterweisungen,
die er seinen Schülern und Jün-
gern gab, sondern von den Vor-
zcichnungen, Vorlagen und Ab-
messungen, die er für sie niachte, und erwahnt noch
besonders die häufigen Nachbildungen seiner Fi-
guren seien es Abgüsse oder Wiederholungen.
Überblickt nian nun das Material, das sich um die
Frankfurter Kreuzigung gruppiert, so zeigt sich, daß
an den erhaltenen Arbesten, trotz ihrer kleinen Anzahl,

viele nachahmende Schüler
und Gehilfen beteiligt sein
müssen, und wir finden so-
gar in einer ganz auffälli-
gen Weise eigentliche Re-
pliken, die von zeitgenössi-
schen Künstlern oder Hand-
werkern gearbeitet sind.

Bei alledem ist es be-
greiflich und berechtigt, wenn
nian vor den Arbeiten des
Kreuzigungsmeisters an den
von Ghiberti bewunderten
Kölner Bildhauer denkt.
Dessen Gestalt steht heute
noch wie in Ghibertis Denk-
würdigkeiten — nach den
Worten ihres Herausgebers,
des gelehrten und feinsinni-
gen Julius von Schlosser —
als ein feierlich märchenbaf-
tes Legendenbild auf Gold-
grund da. Nur ein neuer,
urkundlicher Fund kann je-
nials die Möglichkeit geben,
dieses Bild nüt der greifba-
ren Gestalt cines aus seinen
Werken bekannten Meisters
mit Sicherheit zu verknüp-
fen. G. Swarzenski.

Abb. 15. Aposirlkopf.

Vom Kreiizigrmgsaltar iii Frankfurt a. M.

Abb. 16. Kopf von Ghibertis erster Bronzetür, Florenz.

(Nach Abguß.)

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