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lieh dem Kreise der Vishnu-Krishna-Legende angehörten, dass
uns in den bengalisehen Yäträ's Reste jener Art des ältesten
Dramas erhalten sind und dass Jayadeva's Gitagovinda wohl
als eine Art kunstvoll verfeinertes Abbild desselben anzusehen
ist, — dies Alles habe ich bereits früher hervorgehoben.1
Diese ganze Theorie über den Ursprung des indischen
Dramas hat trotz einiger dagegen erhobener Einwendungen
doch immer noch die grösste Wahrscheinlichkeit für sich, und
es ist merkwürdig, wie sich dieselbe in wesentlichen Punkten
mit der Theorie vom Ursprung des griechischen Dramas berührt
Das Drama ist bei den Indern reich und mannigfaltig
ausgebildet. Wir sehen dies sowohl aus den auf uns gekom-
menen Stücken, die eine seltene Vielseitigkeit dramatischen
Lebens bekunden, wie auch aus den einheimischen Werken,
die von Wesen und Art der Schauspielkunst handeln. Die
Inder theilen alle dramatischen Dichtungen in zwei Haupt-
kategorien: 1) die sogenannten Rüpaka's oder Schauspiele
höherer Ordnung und 2) die Uparüpaka's oder Schauspiele
geringerer Art. Es giebt 10 Arten der ersteren und 18 der
letzteren Kategorie, also werden im Ganzen nicht weniger als
28 Arten von Schauspielen gerechnet. Wenn man nun auch
durchaus zugeben muss, dass diese Arteneintheilung sehr oft
vor dem Richterstuhl der Logik nicht standhält, dass die Unter-
scheidung vielfach auf sehr äusserKchen, spitzfindigen und nich-
tigen Gründen aufgebaut ist, entsprechend dem zu spitzfindigem
Systematisiren besonders hinneigenden indischen Geiste, so wird
man doch aus jener Scheidung der Schauspiele in 28 Arten un-
bedingt schliessen müssen, dass es eine nicht unbeträchtliche
Anzahl von Dramen gegeben haben muss.
Die am höchsten stehende Dramengattung,, das erste in
der Zahl der sogenannten Rüpaka's ist das Nätaka, das Schau-
spiel par excellence. Der Gegenstand eines Nätaka muss immer
berühmt und bedeutend sein. Die Begebenheit soll aus der
Mythologie oder Geschichte genommen sein, wobei theilweise
auch freie Erfindung des Autors zugelassen wird. Das Nätaka
darf nur würdige oder erhabene Personen darstellen. Der Held
muss ein Fürst wie Dushyanta, oder ein Halbgott wie Räma,
oder eine Gottheit wie Krishna sein. Nur Liebe oder Herois-
mus darf den Inhalt, die bewegende Leidenschaft bilden. Die
Diction muss bedeutend und wohlabgerundet sein. Das Nätaka
darf nicht weniger als fünf und nicht mehr als zehn Akte
1 Oben p. 578—580.
v. Sehröder, Indiens Lit. u. Cult. 38
lieh dem Kreise der Vishnu-Krishna-Legende angehörten, dass
uns in den bengalisehen Yäträ's Reste jener Art des ältesten
Dramas erhalten sind und dass Jayadeva's Gitagovinda wohl
als eine Art kunstvoll verfeinertes Abbild desselben anzusehen
ist, — dies Alles habe ich bereits früher hervorgehoben.1
Diese ganze Theorie über den Ursprung des indischen
Dramas hat trotz einiger dagegen erhobener Einwendungen
doch immer noch die grösste Wahrscheinlichkeit für sich, und
es ist merkwürdig, wie sich dieselbe in wesentlichen Punkten
mit der Theorie vom Ursprung des griechischen Dramas berührt
Das Drama ist bei den Indern reich und mannigfaltig
ausgebildet. Wir sehen dies sowohl aus den auf uns gekom-
menen Stücken, die eine seltene Vielseitigkeit dramatischen
Lebens bekunden, wie auch aus den einheimischen Werken,
die von Wesen und Art der Schauspielkunst handeln. Die
Inder theilen alle dramatischen Dichtungen in zwei Haupt-
kategorien: 1) die sogenannten Rüpaka's oder Schauspiele
höherer Ordnung und 2) die Uparüpaka's oder Schauspiele
geringerer Art. Es giebt 10 Arten der ersteren und 18 der
letzteren Kategorie, also werden im Ganzen nicht weniger als
28 Arten von Schauspielen gerechnet. Wenn man nun auch
durchaus zugeben muss, dass diese Arteneintheilung sehr oft
vor dem Richterstuhl der Logik nicht standhält, dass die Unter-
scheidung vielfach auf sehr äusserKchen, spitzfindigen und nich-
tigen Gründen aufgebaut ist, entsprechend dem zu spitzfindigem
Systematisiren besonders hinneigenden indischen Geiste, so wird
man doch aus jener Scheidung der Schauspiele in 28 Arten un-
bedingt schliessen müssen, dass es eine nicht unbeträchtliche
Anzahl von Dramen gegeben haben muss.
Die am höchsten stehende Dramengattung,, das erste in
der Zahl der sogenannten Rüpaka's ist das Nätaka, das Schau-
spiel par excellence. Der Gegenstand eines Nätaka muss immer
berühmt und bedeutend sein. Die Begebenheit soll aus der
Mythologie oder Geschichte genommen sein, wobei theilweise
auch freie Erfindung des Autors zugelassen wird. Das Nätaka
darf nur würdige oder erhabene Personen darstellen. Der Held
muss ein Fürst wie Dushyanta, oder ein Halbgott wie Räma,
oder eine Gottheit wie Krishna sein. Nur Liebe oder Herois-
mus darf den Inhalt, die bewegende Leidenschaft bilden. Die
Diction muss bedeutend und wohlabgerundet sein. Das Nätaka
darf nicht weniger als fünf und nicht mehr als zehn Akte
1 Oben p. 578—580.
v. Sehröder, Indiens Lit. u. Cult. 38