HEFT 2
AUKTIONSBERICHTE
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hier erst seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert
sprechen. In jener Zeit entstanden die Besonderheiten
der Trachten, welche die einzelnen Landesgegenden
kennzeichnen. Zum Schluß finden wir eine Übersicht
des ostschweizerischen Mädchen- und Frauenkopfputzes
von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis auf unsere Zeit,
nebst der Angabe ihrer Zeitdauer und ihres Verbreitungs-
bezirkes. Von allen Trachten der Ostschweiz hat sich
nur die Inner-Rhoder Tracht erhalten und bis ins 20. Jahr-
hundert weiter entwickeln können.
Vom allgemeinen kostümgeschichtlichen Standpunkt ist
das besprochene Buch insofern wichtig, als es uns in
einem örtlich begrenzten Raum zeigt, wie sich die all-
gemeine Mode im Laufe der Zeit zur Volkstracht umge-
wandelt hat und wie beharrlich Überbleibsel vergangener
Perioden festgehalten wurden. Für die folgenden Bände
wäre es erwünscht, wenn am Schlüsse der einzelnen Haupt-
kapitel die Ergebnisse knapp zusammengefaßt würden.
Das ausgezeichnete Bildermaterial ist dem des ersten
Bandes ebenbürtig und belegt die Textausführungen ausge-
zeichnet. E. A. Qeßler.
Neuerscheinungen.
Francis M. Kelly and Randolph Schwabe. Historie
costume. A cronicle of fashion in Western Europe
1490—1790. London 1925. Batsford. 94 High Holborn.
AUKTIONSBERICHTE
Wien. Die Versteigerung der Sammlung Friedrich Otto
Edler von Leber (1803—1846) im Dorotheum, 9. und 10.
November 1925 erweckte infolge des klangvollen in der Waf-
fenkunde, rühmlichst bekannten Namens ihres einstigen
Besitzers hohe Erwartungen. Schon der, von Dr. L. Rup-
recht mit guter Sachkenntnis. gearbeitete Katalog bewies,
daß soweit die erste aus rund 175 Stück bestehende Gruppe
Waffen in Frage kam, mit der wissenschaftlichen Bedeutung
des Forschers das Glück des Sammlers nicht immer Schritt
hält. Denn so sehr wir bereit sind, die bahnbrechende Leistung
Lebers als Verfassers des 1846 erschienenen Werkes über
„Wiens kaiserlichesZeughaus“ anzuerkennen, so wenig darf
verschwiegen werden, daß die Bestände dieser Auktion dem
Maßstab, den wir sonst an die Auktionen des Dorotheums
zu legen gewohnt sind (man erinnere sich der Sammlung
Dietrichstein) im ganzen keineswegs entsprach. Von den
beiden Feldharnischen (85 und 90)wies der erste, mit einer
guten „maximilianischen“ Brust, zahlreiche spätere Ergän-
zungen auf; ein gebläuter Knabenharnisch (96) von Ende
des 16. Jahrhunderts erzielte, da er eine einheitliche Ar-
beit darstellte, den gleichen Preis (5500 Sch.) wie der
etwas ältere, aber stark zusammenkomponierte (90). Die
geätzte Brust (87) vom Jahre 1548, deren Atzung gute
Nürnberger Schule zeigte, mit sicher gegliedertem Figuren-
fries und einer Lukretia im Mittelstreifen, weist nicht nur
durch die Atzmalermarke WG. auf die Art Glockentons hin.
Man könnte an Wolf Glockenton, den Goldschmied, den-
ken, der 1561 gestorben ist (Hampe, Nürnberger Ratsver-
lässe 3872); er war wahrscheinlich einer der zwölf Söhne
des älteren Nikolaus G. Die Lilie der Plattnermarke ist
vorläufig noch nicht sicher zu deuten. Das Stück erwarb
das Histor. Museum, Dresden für 4000 Sch. Ebendahin
gelangte der einwandfreie italienische Stirnhelm (95), eine
sehr bezeichnende, gut erhaltene Arbeit jener Schule, die
Laking als „Pisaner“ bezeichnet (Record of European arms
IV, 77) und deren Atzmotive durch die Verbindung von
locker im Raum verteilten Armaturen mit Fabeltieren in
Rankendekor gekennzeichnet ist. Das Stück könnte gut zu
dem Kinnreff des Harnisch des Großkomthurs Jean Jac-
ques de Verdelain in der Rüstkammer des Ritterordens
des HL Johannes von Jerusalem in Malta passen (s. das
Bildnis des Kriegshelden von Amerighi im Louvre). Von
den Feuerwaffen fand die schwere, glatte Radschloßmus-
kete mit sogen, spanischem Kolben (117) das stärkste In-
teresse. Der Lauf trägt die Zahl 1588, das Schloß zeichnet
sich durch seine gewaltigen Dimensionen aus (2400 Sch.).
Auch dies Stück gelangte in die Dresdner Sammlung; ebenso
der italienische Balester (71) für den mäßigen Preis von
1100 Schillingen. Hier handelt es sich um eine Arbeit von
besonderer Eleganz und Feinheit der Linienführung; auch
die Goldtausia der Beschläge wies auf die Herkunft hin.
Unter den sonstigen Armbrüsten und den Stangenwaffen
war nichts von Belang.
H.
Qriffwaffen aus der Sammlung Max Dreger. Berlin
bei R. Lepke Berlin am 8. Dezember 1925. Die im vor-
letzten Heft der Zeitschrift angekündigte Versteigerung
(N. F. 1, 233) stand in vielfacher Hinsicht unter einem
ungünstigen Stern. Zu der auf allem, insbesondere auf
dem Kunstmarkt lastenden wirtschaftlichen , Depres-
sion kam der wenig glücklich unmittelbar vor dem zu
Ausgaben verpflichtenden Weihnachtsfest gewählte Ver-
steigerungstermin, der zudem von einer anderen großen
Kunstversteigerung am selben Tag und Ort (Smlg. Tücher
bei Cassirer) überschattet wurde. Doch alle diese un-
günstigen Umstände rechtfertigen nicht allein die auf-
fallend geringe Beteiligung, die in keinem Verhältnis
stand wenigstens zu der hohen Qualität der Orientwaffen
— die abendländischen gehörten nicht alle zur Elite der
Dregerschen Sammlung. —
Wir müssen aus den Ergebnissen dieser Versteigerung,
die übrigens immer noch weit besser abschnitt als z. Zt.
andere dieser Art, eine beträgliche Abnahme des Inter-
esses an der Waffe folgern, eine bittere Erkenntnis, die
fraglos zu den Rückwirkungen des Weltkrieges zu rech-
nen ist . Wird der Wert der Waffe als Kultur- und Kunst-
dokument durch solche Zeitströmungen auch in keiner
Weise berührt, so wollen wir doch hoffen, daß die hier-
durch veranlaßte starke Senkung des Preisniveaus der
Waffe auch in Sammlerkreisen mit bescheidenen Mitteln
neue Freunde gewinnt. Als Käufer traten neben den
Museen von Dresden (Histor. Mus.), München (Völker-
kunde Mus.) und Bern (Histor. Mus.) nur wenige Pri-
vatsammler und Händler auf. Von den abendländischen
Waffen erwarb einen großen Teil Herr Wiehage, einiges
AUKTIONSBERICHTE
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hier erst seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert
sprechen. In jener Zeit entstanden die Besonderheiten
der Trachten, welche die einzelnen Landesgegenden
kennzeichnen. Zum Schluß finden wir eine Übersicht
des ostschweizerischen Mädchen- und Frauenkopfputzes
von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis auf unsere Zeit,
nebst der Angabe ihrer Zeitdauer und ihres Verbreitungs-
bezirkes. Von allen Trachten der Ostschweiz hat sich
nur die Inner-Rhoder Tracht erhalten und bis ins 20. Jahr-
hundert weiter entwickeln können.
Vom allgemeinen kostümgeschichtlichen Standpunkt ist
das besprochene Buch insofern wichtig, als es uns in
einem örtlich begrenzten Raum zeigt, wie sich die all-
gemeine Mode im Laufe der Zeit zur Volkstracht umge-
wandelt hat und wie beharrlich Überbleibsel vergangener
Perioden festgehalten wurden. Für die folgenden Bände
wäre es erwünscht, wenn am Schlüsse der einzelnen Haupt-
kapitel die Ergebnisse knapp zusammengefaßt würden.
Das ausgezeichnete Bildermaterial ist dem des ersten
Bandes ebenbürtig und belegt die Textausführungen ausge-
zeichnet. E. A. Qeßler.
Neuerscheinungen.
Francis M. Kelly and Randolph Schwabe. Historie
costume. A cronicle of fashion in Western Europe
1490—1790. London 1925. Batsford. 94 High Holborn.
AUKTIONSBERICHTE
Wien. Die Versteigerung der Sammlung Friedrich Otto
Edler von Leber (1803—1846) im Dorotheum, 9. und 10.
November 1925 erweckte infolge des klangvollen in der Waf-
fenkunde, rühmlichst bekannten Namens ihres einstigen
Besitzers hohe Erwartungen. Schon der, von Dr. L. Rup-
recht mit guter Sachkenntnis. gearbeitete Katalog bewies,
daß soweit die erste aus rund 175 Stück bestehende Gruppe
Waffen in Frage kam, mit der wissenschaftlichen Bedeutung
des Forschers das Glück des Sammlers nicht immer Schritt
hält. Denn so sehr wir bereit sind, die bahnbrechende Leistung
Lebers als Verfassers des 1846 erschienenen Werkes über
„Wiens kaiserlichesZeughaus“ anzuerkennen, so wenig darf
verschwiegen werden, daß die Bestände dieser Auktion dem
Maßstab, den wir sonst an die Auktionen des Dorotheums
zu legen gewohnt sind (man erinnere sich der Sammlung
Dietrichstein) im ganzen keineswegs entsprach. Von den
beiden Feldharnischen (85 und 90)wies der erste, mit einer
guten „maximilianischen“ Brust, zahlreiche spätere Ergän-
zungen auf; ein gebläuter Knabenharnisch (96) von Ende
des 16. Jahrhunderts erzielte, da er eine einheitliche Ar-
beit darstellte, den gleichen Preis (5500 Sch.) wie der
etwas ältere, aber stark zusammenkomponierte (90). Die
geätzte Brust (87) vom Jahre 1548, deren Atzung gute
Nürnberger Schule zeigte, mit sicher gegliedertem Figuren-
fries und einer Lukretia im Mittelstreifen, weist nicht nur
durch die Atzmalermarke WG. auf die Art Glockentons hin.
Man könnte an Wolf Glockenton, den Goldschmied, den-
ken, der 1561 gestorben ist (Hampe, Nürnberger Ratsver-
lässe 3872); er war wahrscheinlich einer der zwölf Söhne
des älteren Nikolaus G. Die Lilie der Plattnermarke ist
vorläufig noch nicht sicher zu deuten. Das Stück erwarb
das Histor. Museum, Dresden für 4000 Sch. Ebendahin
gelangte der einwandfreie italienische Stirnhelm (95), eine
sehr bezeichnende, gut erhaltene Arbeit jener Schule, die
Laking als „Pisaner“ bezeichnet (Record of European arms
IV, 77) und deren Atzmotive durch die Verbindung von
locker im Raum verteilten Armaturen mit Fabeltieren in
Rankendekor gekennzeichnet ist. Das Stück könnte gut zu
dem Kinnreff des Harnisch des Großkomthurs Jean Jac-
ques de Verdelain in der Rüstkammer des Ritterordens
des HL Johannes von Jerusalem in Malta passen (s. das
Bildnis des Kriegshelden von Amerighi im Louvre). Von
den Feuerwaffen fand die schwere, glatte Radschloßmus-
kete mit sogen, spanischem Kolben (117) das stärkste In-
teresse. Der Lauf trägt die Zahl 1588, das Schloß zeichnet
sich durch seine gewaltigen Dimensionen aus (2400 Sch.).
Auch dies Stück gelangte in die Dresdner Sammlung; ebenso
der italienische Balester (71) für den mäßigen Preis von
1100 Schillingen. Hier handelt es sich um eine Arbeit von
besonderer Eleganz und Feinheit der Linienführung; auch
die Goldtausia der Beschläge wies auf die Herkunft hin.
Unter den sonstigen Armbrüsten und den Stangenwaffen
war nichts von Belang.
H.
Qriffwaffen aus der Sammlung Max Dreger. Berlin
bei R. Lepke Berlin am 8. Dezember 1925. Die im vor-
letzten Heft der Zeitschrift angekündigte Versteigerung
(N. F. 1, 233) stand in vielfacher Hinsicht unter einem
ungünstigen Stern. Zu der auf allem, insbesondere auf
dem Kunstmarkt lastenden wirtschaftlichen , Depres-
sion kam der wenig glücklich unmittelbar vor dem zu
Ausgaben verpflichtenden Weihnachtsfest gewählte Ver-
steigerungstermin, der zudem von einer anderen großen
Kunstversteigerung am selben Tag und Ort (Smlg. Tücher
bei Cassirer) überschattet wurde. Doch alle diese un-
günstigen Umstände rechtfertigen nicht allein die auf-
fallend geringe Beteiligung, die in keinem Verhältnis
stand wenigstens zu der hohen Qualität der Orientwaffen
— die abendländischen gehörten nicht alle zur Elite der
Dregerschen Sammlung. —
Wir müssen aus den Ergebnissen dieser Versteigerung,
die übrigens immer noch weit besser abschnitt als z. Zt.
andere dieser Art, eine beträgliche Abnahme des Inter-
esses an der Waffe folgern, eine bittere Erkenntnis, die
fraglos zu den Rückwirkungen des Weltkrieges zu rech-
nen ist . Wird der Wert der Waffe als Kultur- und Kunst-
dokument durch solche Zeitströmungen auch in keiner
Weise berührt, so wollen wir doch hoffen, daß die hier-
durch veranlaßte starke Senkung des Preisniveaus der
Waffe auch in Sammlerkreisen mit bescheidenen Mitteln
neue Freunde gewinnt. Als Käufer traten neben den
Museen von Dresden (Histor. Mus.), München (Völker-
kunde Mus.) und Bern (Histor. Mus.) nur wenige Pri-
vatsammler und Händler auf. Von den abendländischen
Waffen erwarb einen großen Teil Herr Wiehage, einiges