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J. BERNHARDT: BEZEICHNUNGEN MITTELALTERLICHER SCHWERTER
BAND 2
nach hinten verlaufende Clavus war dort nicht Stan-
desabzeichen, sondern Verzierung. Die alte klassische
Tunika sowohl wie die spätantike Armeitunika sind
auch aus diesem Grunde als nordafrikanisches Tracht-
gut in Anspruch zu nehmen. An diese beiden reiht
sich als dritte Erscheinungsform die ebenfalls in
spätantiker Zeit in die römische Modetracht aufge-
nommene tunica dalmatica talaris. Über diese wird
noch in einer besonderen Abhandlung zu sprechen
sein.
Es ist vielfach die Behauptung aufgestellt worden,
daß die klassische Tunika von den Römern nach
Nordafrika und anderen Reichsteilen gebracht wor-
den sei. Abgesehen von solchen Fällen, wo sie z. B.
als Beamtentracht erscheint, ist das Gegenteil Tat-
sache. Die Behauptung wird schon unglaubhaft des-
halb, weil kein Volk geneigt ist, alte bewährte Klei-
derformen aufzugeben. Direkt widerlegt aber wird
sie durch den historischen Vorgang, daß die Römer
bereits im ersten Jahrhundert begannen, die in den
Provinzen üblichen Landestrachten nach Rom einzu-
führen. Man trug besonders Übergewänder spani-
scher, gallischer und germanischer Herkunft. Mit zu-
nehmender Macht drang .seit dem Anfang des 3. Jahr-
hunderts der Orient nach Westen vor. Syrien und
Ägypten stellten eine Kulturmacht dar, welche den
Okzident mit unermeßlichen, nie geahnten geistigen
und materiellen Schätzen überschüttete, und Alt-Rom
war nur zu aufnahmebegierig. Der Orient war nicht
nur eine Tagesmode, sondern die Orientalisierung des
Westens ist ein kulturgeschichtliches Symptom der
Kaiserzeit. So kamen also umgekehrt die stark ge-
musterten Armelkittel aus Ägypten nach Rom und
zwar als Fertigware in Originalstücken, dazu die bun-
ten Mäntel und Stiefel, wie wir sie in den Katakom-
ben gemalt sehen und in den ägyptischen Gräbern
gefunden haben. Kaiser Diocletian, der offizielle Ur-
heber der orientalischen Luxus, stellt sie in seinem
Maximaltarif v. 301 als tunicaeafrae (worunter stets
da.s heutige Tunis zu verstehen ist), als pallia aegyp-
tiaca und dgl. unter Einfuhrzoll11).
X1) Th. Mommsen und Blümner, Der Maximaltarif des
Kaisers Diocletian v. J. 301. Berlin 1893.
BEZEICHNUNGEN MITTELALTERLICHER SCHWERTER
VON J. BERNHARDT
Im Folgenden soll nicht von Namen die Rede sein,
die manche Schwerter in der Sage und Dichtung tra-
gen, obgleich sich auch hierüber manches Unterhal-
tende und Lehrreiche sagen ließe, sondern es soll von
Bezeichnungen gehandelt werden, die sich auf mit-
telalterlichen Schwertern finden. Dies könnte viel-
leicht überflüssig erscheinen, nachdem verschiedene
kenntnisreiche Fachleute sich eingehend darüber ge-
äußert haben (Wegeli Z. H. W. K. 3, 181; Schwiete-
ring 7, 107). Da alber neuerdings über diesen Gegen-
stand ganz neue Behauptungen, aufgestellt worden
sind, so dürfte es nicht unangebracht sein, noch ein-
mal darauf zurückzukommen. Dabei will ich als Phi-
lologe das ausgesprochen Technische den Fachleuten
überlassen und in der Hauptsache die sprachliche
Seite der Bezeichnungen in den Vordergrund stellen.
Daß die Sprachwissenschaft hier ein Wort mitzuspre-
chen hat, ist schon von Wegeli a. a. 0. S. 183 her-
vorgehoben worden.
Eine besondere Rolle spielen die Ulfberht-
schwerter. Wenn ich nun lese: „In Deutschland
sind Funde älterer Ulfberhtschwerter seltener als im
Norden, weil die christliche Sitte allmählich die Bei-
gabe von Waffen bei den Grabsetzungen ausschloß“,
so muß ich sagen, daß ich das nicht recht verstehe.
Man sollte doch meinen, daß aus dem angeführten
Grunde gerade Funde jüngerer Schwerter seltener
seien, weil das Christentum, das die Beigabe von
Waffen ausschloß, das jüngere ist. Auch finden sich
solche Schwerter nicht nur in Gräbern, sondern auch
in Flüssen und Mooren. Doch dies nebenbei.
Die Ulfberhtschwerter werden von den Kennern als
karolingisch angesprochen, doch über den Ort oder
die Gegend, wo diese Klingen hergestellt sind, be-
finden sich, soweit ich sehe, die Fachleute selbst im
unklaren. Wegeli sagt a. a. O. Seite 183: „Wo sind
diese Schwerter entstanden? Undset weist die Vi-
kingerschwerter einer jüngeren skandinavischen Ei-
senzeit zu, während Lorange sie für importiert er-
klärt“, und weiterhin: ,,... den Ort der Herkunft ge-
nau bestimmen zu können, ist meiner Ansicht nach
zur Stunde unmöglich“. Und Schwiertering äußerl
sich, nachdem er von einem Ulfberhtschwert aus dem
11. Jahrhundert gesprochen hat, folgendermaßen:
„Erweitert sich aber der Zeitraum, in dem Ulfberht-
schwerter geschmiedet wurden, auf etwa drei Jahr-
J. BERNHARDT: BEZEICHNUNGEN MITTELALTERLICHER SCHWERTER
BAND 2
nach hinten verlaufende Clavus war dort nicht Stan-
desabzeichen, sondern Verzierung. Die alte klassische
Tunika sowohl wie die spätantike Armeitunika sind
auch aus diesem Grunde als nordafrikanisches Tracht-
gut in Anspruch zu nehmen. An diese beiden reiht
sich als dritte Erscheinungsform die ebenfalls in
spätantiker Zeit in die römische Modetracht aufge-
nommene tunica dalmatica talaris. Über diese wird
noch in einer besonderen Abhandlung zu sprechen
sein.
Es ist vielfach die Behauptung aufgestellt worden,
daß die klassische Tunika von den Römern nach
Nordafrika und anderen Reichsteilen gebracht wor-
den sei. Abgesehen von solchen Fällen, wo sie z. B.
als Beamtentracht erscheint, ist das Gegenteil Tat-
sache. Die Behauptung wird schon unglaubhaft des-
halb, weil kein Volk geneigt ist, alte bewährte Klei-
derformen aufzugeben. Direkt widerlegt aber wird
sie durch den historischen Vorgang, daß die Römer
bereits im ersten Jahrhundert begannen, die in den
Provinzen üblichen Landestrachten nach Rom einzu-
führen. Man trug besonders Übergewänder spani-
scher, gallischer und germanischer Herkunft. Mit zu-
nehmender Macht drang .seit dem Anfang des 3. Jahr-
hunderts der Orient nach Westen vor. Syrien und
Ägypten stellten eine Kulturmacht dar, welche den
Okzident mit unermeßlichen, nie geahnten geistigen
und materiellen Schätzen überschüttete, und Alt-Rom
war nur zu aufnahmebegierig. Der Orient war nicht
nur eine Tagesmode, sondern die Orientalisierung des
Westens ist ein kulturgeschichtliches Symptom der
Kaiserzeit. So kamen also umgekehrt die stark ge-
musterten Armelkittel aus Ägypten nach Rom und
zwar als Fertigware in Originalstücken, dazu die bun-
ten Mäntel und Stiefel, wie wir sie in den Katakom-
ben gemalt sehen und in den ägyptischen Gräbern
gefunden haben. Kaiser Diocletian, der offizielle Ur-
heber der orientalischen Luxus, stellt sie in seinem
Maximaltarif v. 301 als tunicaeafrae (worunter stets
da.s heutige Tunis zu verstehen ist), als pallia aegyp-
tiaca und dgl. unter Einfuhrzoll11).
X1) Th. Mommsen und Blümner, Der Maximaltarif des
Kaisers Diocletian v. J. 301. Berlin 1893.
BEZEICHNUNGEN MITTELALTERLICHER SCHWERTER
VON J. BERNHARDT
Im Folgenden soll nicht von Namen die Rede sein,
die manche Schwerter in der Sage und Dichtung tra-
gen, obgleich sich auch hierüber manches Unterhal-
tende und Lehrreiche sagen ließe, sondern es soll von
Bezeichnungen gehandelt werden, die sich auf mit-
telalterlichen Schwertern finden. Dies könnte viel-
leicht überflüssig erscheinen, nachdem verschiedene
kenntnisreiche Fachleute sich eingehend darüber ge-
äußert haben (Wegeli Z. H. W. K. 3, 181; Schwiete-
ring 7, 107). Da alber neuerdings über diesen Gegen-
stand ganz neue Behauptungen, aufgestellt worden
sind, so dürfte es nicht unangebracht sein, noch ein-
mal darauf zurückzukommen. Dabei will ich als Phi-
lologe das ausgesprochen Technische den Fachleuten
überlassen und in der Hauptsache die sprachliche
Seite der Bezeichnungen in den Vordergrund stellen.
Daß die Sprachwissenschaft hier ein Wort mitzuspre-
chen hat, ist schon von Wegeli a. a. 0. S. 183 her-
vorgehoben worden.
Eine besondere Rolle spielen die Ulfberht-
schwerter. Wenn ich nun lese: „In Deutschland
sind Funde älterer Ulfberhtschwerter seltener als im
Norden, weil die christliche Sitte allmählich die Bei-
gabe von Waffen bei den Grabsetzungen ausschloß“,
so muß ich sagen, daß ich das nicht recht verstehe.
Man sollte doch meinen, daß aus dem angeführten
Grunde gerade Funde jüngerer Schwerter seltener
seien, weil das Christentum, das die Beigabe von
Waffen ausschloß, das jüngere ist. Auch finden sich
solche Schwerter nicht nur in Gräbern, sondern auch
in Flüssen und Mooren. Doch dies nebenbei.
Die Ulfberhtschwerter werden von den Kennern als
karolingisch angesprochen, doch über den Ort oder
die Gegend, wo diese Klingen hergestellt sind, be-
finden sich, soweit ich sehe, die Fachleute selbst im
unklaren. Wegeli sagt a. a. O. Seite 183: „Wo sind
diese Schwerter entstanden? Undset weist die Vi-
kingerschwerter einer jüngeren skandinavischen Ei-
senzeit zu, während Lorange sie für importiert er-
klärt“, und weiterhin: ,,... den Ort der Herkunft ge-
nau bestimmen zu können, ist meiner Ansicht nach
zur Stunde unmöglich“. Und Schwiertering äußerl
sich, nachdem er von einem Ulfberhtschwert aus dem
11. Jahrhundert gesprochen hat, folgendermaßen:
„Erweitert sich aber der Zeitraum, in dem Ulfberht-
schwerter geschmiedet wurden, auf etwa drei Jahr-