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ALBERT WEYERSBERG: DIE VERSCHLEPPUNG DER WAFFENHERSTELLUNG USW. BAND 2
Schilderung und die Abbildungen dieser „amtlichen“
Berner Chronik, welche auf Geheiß des Rates ver-
faßt und mit Miniaturen ausgeschmückt wurde, sind
als gute Zeugen zu bewerten. Wir lassen dieses Ka-
pitel folgen:
„33. Das etlich Behemer vom riehen herzogen wi-
der die Eidgnossen harus kament.
Es wurden auch in dem als man vor Walzhut lag,
vom riehen herzogen wol bi sechzechenhundert Be-
hemer zu hilf der herschaft harus geschicket, und
als die kament, wart dennocht durch si nit krieg-
haftigs wider die Eidgnossen gehandlet, wann das
si den Fründen me schadens tatent, dann den Eid-
gnossen.“ Der „reiche Herzog“ war Ludwig von
Bayern, der verpflichtet war, Österreich beizustehen,
nachher aber als Friedensvermittler auftrat. Er
schickte böhmische Söldner zu Hilfe.
Der Illustrator schildert in dem zugehörigen Bilde
diese böhmischen Hilfstruppen in ihrer eigenen
Tracht und Bewaffnung so trefflich, vielleicht auch
ein bißchen karikiert, z. B. der Schild mit der
Maske, daß keine weitere Erklärung nötig ist. Auch
hier ist das Wurfbeil deutlich als fremde Waffe
dargestellt.
Nach dieser kurzen Übersicht der Quellen müssen
wir mit Sicherheit feststellen, daß das Wurfbeil
den Eidgenossen des 15. Jahrhunderts wohl bekannt
war, jedoch von ihnen nicht geführt wurde. Die
beiden in der Schweiz erhaltenen Stücke, wovon
eines als Bodenfund sicher belegt, haben sich durch
Zufall dahin verirrt.
DIE VERSCHLEPPUNG DER WAFFENHERSTELLUNG DURCH
SOLINGER HANDWERKSBRÜDER
VON ALBERT WEYERSBERG
Aus allenPrivilegien, welche die bergischen Herzöge
im 15. Jahrhundert und späterhin den Solinger Bru-
derschaften erteilt haben, auch aus dem wichtigen
Sechsmannsbrief, der 1487 zu Papier gebracht wurde,
aber auf vierzig Jahre älteren Abmachungen fußt,
geht mit besonderer Deutlichkeit hervor, wie sehr
man bestrebt gewesen ist, neben der Hochhaltung
des Solinger Rufes sämtlichen Handwerksbrüdern
und ihren ehelichen Söhnen bis in jede Einzelheit
einen gleichmäßigen Erwerb zu sichern und die Ver-
schleppung ihrer Kunstfertigkeiten nach Orten, die
außerhalb des Amtes Solingen lagen, zu verhüten.
Die Hoheitsrechte der bergischen Herzöge erstreck-
ten sich im 16. Jahrhundert über die Länder Jülich,
Cleve, Berg, die Grafschaft Mark, Ravensberg und
Ravenstein. Als 1614 die letzteren Gebiete unter
kurbrandenburgische Herrschaft kamen, schieden sie
aus dem übrigen Bereiche aus, das an den Pfalz-
grafen Wolfgang Wilhelm von Neuburg fiel und
in dem die alten bergischen Privilegien und Zeichen-
rechte Geltung behielten.
Eigenartig lagen die Verhältnisse zu dem den
Großhandel beherrschenden Köln, dessen Kaufleute
bis hinein ins 17. Jahrhundert nicht nur den Solin-
ger Absatz hauptsächlich in Händen hielten, son-
dern die Solinger zudem mit Eisen, Stahl, Schleif-
steinen und sonstigen Materialien versorgten und
auch die gesamte Zahlungsweise beeinflußt haben
dürften. Die verhältnismäßig wenigen, im 16. Jahr-
hundert in Köln noch vorhandenen Schwertfeger —
1525 ist von 12 oder 13, 1548 von 15 Meistern die
Rede1 2 * * * * *) — vermochten unmöglich größere Posten
Klingen, wie sie der Handel verlangte, zu schaffen.
Wahrscheinlich haben sie eben nicht bloß, wie
längst angenommen wurde, die Hilfe der bergischen
Schleifer8) in Anspruch genommen, sondern auch
Schwertklingen in Solingen schmieden lassen.
Im Jahre 1603 beklagten sich die Kölner Schwert-
feger darüber, daß die Schwertschmiede von So-
lingen und dem benachbarten Wald den Handel mit
Kölner Bürgern verböten, weil der Kölner Bürger
Caspar Koell Schwertklingen in Köln geschmiedet
haben sollte. Sie machten dabei geltend, daß die
Solinger Privilegien in Köln nicht zu Recht bestän-
den. Dieser Konflikt rührte möglichenfalls daher,
J) Robert Dörner, Das Sarworter- und das Schwert-
fegeramt zu Köln von den ältesten Zeiten bis zum Jahre
1550. Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 3. S. 1/60.
Köln 1916.
2) Wetjersberg, Beziehungen des Solinger Klingenhand-
werks zu der Kaufmannschaft und zu den Zünften Kölns.
Solinger Zeitung 5. 3. 1921.
Derselbe, Geschichtliche Nachrichten, insbesondere aus
älterer Zeit — Solingen und sein Industriebezirk. Düssel-
dorf 1922.
ALBERT WEYERSBERG: DIE VERSCHLEPPUNG DER WAFFENHERSTELLUNG USW. BAND 2
Schilderung und die Abbildungen dieser „amtlichen“
Berner Chronik, welche auf Geheiß des Rates ver-
faßt und mit Miniaturen ausgeschmückt wurde, sind
als gute Zeugen zu bewerten. Wir lassen dieses Ka-
pitel folgen:
„33. Das etlich Behemer vom riehen herzogen wi-
der die Eidgnossen harus kament.
Es wurden auch in dem als man vor Walzhut lag,
vom riehen herzogen wol bi sechzechenhundert Be-
hemer zu hilf der herschaft harus geschicket, und
als die kament, wart dennocht durch si nit krieg-
haftigs wider die Eidgnossen gehandlet, wann das
si den Fründen me schadens tatent, dann den Eid-
gnossen.“ Der „reiche Herzog“ war Ludwig von
Bayern, der verpflichtet war, Österreich beizustehen,
nachher aber als Friedensvermittler auftrat. Er
schickte böhmische Söldner zu Hilfe.
Der Illustrator schildert in dem zugehörigen Bilde
diese böhmischen Hilfstruppen in ihrer eigenen
Tracht und Bewaffnung so trefflich, vielleicht auch
ein bißchen karikiert, z. B. der Schild mit der
Maske, daß keine weitere Erklärung nötig ist. Auch
hier ist das Wurfbeil deutlich als fremde Waffe
dargestellt.
Nach dieser kurzen Übersicht der Quellen müssen
wir mit Sicherheit feststellen, daß das Wurfbeil
den Eidgenossen des 15. Jahrhunderts wohl bekannt
war, jedoch von ihnen nicht geführt wurde. Die
beiden in der Schweiz erhaltenen Stücke, wovon
eines als Bodenfund sicher belegt, haben sich durch
Zufall dahin verirrt.
DIE VERSCHLEPPUNG DER WAFFENHERSTELLUNG DURCH
SOLINGER HANDWERKSBRÜDER
VON ALBERT WEYERSBERG
Aus allenPrivilegien, welche die bergischen Herzöge
im 15. Jahrhundert und späterhin den Solinger Bru-
derschaften erteilt haben, auch aus dem wichtigen
Sechsmannsbrief, der 1487 zu Papier gebracht wurde,
aber auf vierzig Jahre älteren Abmachungen fußt,
geht mit besonderer Deutlichkeit hervor, wie sehr
man bestrebt gewesen ist, neben der Hochhaltung
des Solinger Rufes sämtlichen Handwerksbrüdern
und ihren ehelichen Söhnen bis in jede Einzelheit
einen gleichmäßigen Erwerb zu sichern und die Ver-
schleppung ihrer Kunstfertigkeiten nach Orten, die
außerhalb des Amtes Solingen lagen, zu verhüten.
Die Hoheitsrechte der bergischen Herzöge erstreck-
ten sich im 16. Jahrhundert über die Länder Jülich,
Cleve, Berg, die Grafschaft Mark, Ravensberg und
Ravenstein. Als 1614 die letzteren Gebiete unter
kurbrandenburgische Herrschaft kamen, schieden sie
aus dem übrigen Bereiche aus, das an den Pfalz-
grafen Wolfgang Wilhelm von Neuburg fiel und
in dem die alten bergischen Privilegien und Zeichen-
rechte Geltung behielten.
Eigenartig lagen die Verhältnisse zu dem den
Großhandel beherrschenden Köln, dessen Kaufleute
bis hinein ins 17. Jahrhundert nicht nur den Solin-
ger Absatz hauptsächlich in Händen hielten, son-
dern die Solinger zudem mit Eisen, Stahl, Schleif-
steinen und sonstigen Materialien versorgten und
auch die gesamte Zahlungsweise beeinflußt haben
dürften. Die verhältnismäßig wenigen, im 16. Jahr-
hundert in Köln noch vorhandenen Schwertfeger —
1525 ist von 12 oder 13, 1548 von 15 Meistern die
Rede1 2 * * * * *) — vermochten unmöglich größere Posten
Klingen, wie sie der Handel verlangte, zu schaffen.
Wahrscheinlich haben sie eben nicht bloß, wie
längst angenommen wurde, die Hilfe der bergischen
Schleifer8) in Anspruch genommen, sondern auch
Schwertklingen in Solingen schmieden lassen.
Im Jahre 1603 beklagten sich die Kölner Schwert-
feger darüber, daß die Schwertschmiede von So-
lingen und dem benachbarten Wald den Handel mit
Kölner Bürgern verböten, weil der Kölner Bürger
Caspar Koell Schwertklingen in Köln geschmiedet
haben sollte. Sie machten dabei geltend, daß die
Solinger Privilegien in Köln nicht zu Recht bestän-
den. Dieser Konflikt rührte möglichenfalls daher,
J) Robert Dörner, Das Sarworter- und das Schwert-
fegeramt zu Köln von den ältesten Zeiten bis zum Jahre
1550. Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 3. S. 1/60.
Köln 1916.
2) Wetjersberg, Beziehungen des Solinger Klingenhand-
werks zu der Kaufmannschaft und zu den Zünften Kölns.
Solinger Zeitung 5. 3. 1921.
Derselbe, Geschichtliche Nachrichten, insbesondere aus
älterer Zeit — Solingen und sein Industriebezirk. Düssel-
dorf 1922.