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SITZUNGSBERICHTE
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orientalisierenden Charaktere. Zu welchem Zweck sollte
diese ein „fränkischer“ Stempelstecher eingegraben
haben? Daß sie nichts besagen, spricht nicht gegen
ihren morgenländischen Ursprung. Die von orientalischen
Handwerkern an Gebrauchsgegenständen angebrachten
Schriftbänder stecken ja fast stets voller Fehler. Der
asiatische Atzmaler, Graveur, Tausiator, Treibarbeiter
war und ist meist des Lesens und des Schreibens un-
kundig. Er zeichnet einfach mechanisch Vorlagen nach,
deren Bedeutung er nicht versteht. Diese Vorlagen selbst
waren vielleicht von einem Schriftgelehrten entworfen
worden, mit dessen Kunst es auch nicht weit her war.
Sie waren von Hand zu Hand gegangen und auf diesem
langen Weg sprachlich nicht besser geworden. Manche
Lücke war zwischen den einzelnen Buchstaben ent-
standen, welche dann die Einbildungskraft des Arbeiters
ausfüllte. So erklären sich die oft ganz unverständ-
lichen Schriftbänder auf orientalischen Waffen, und man
darf darum nicht gleich an bewußte Fälschung denken,
wenn etwa eine doch lesbare Jahreszahl in so einem
Schriftband nicht recht zu der ganzen Waffe stimmen
will.
Nach der Mitteilung meines Gewährsmannes, dem ich
hier meinen Dank ausspreche, würde das Schloß 1903
einem in Bremen lebenden Freunde alten Gewaffens aus
der Schweiz zugesendet und soll sehr verläßlich ge-
arbeitet haben, so daß bei etwa zehn Versuchen nie ein
Versager vorkam. Uber das weitere Schicksal dieser ein
gewisses technisches Können verratenden büchsenmache-
rischen Spielerei ist nichts bekannt. Sollten vielleicht
diese Zeilen das Schloß wieder irgendwo zum Vorschein
bringen, so freute dies
Otmar Baron Potier.
SITZUNGSBERICHTE
der Berliner Mitglieder im Zeughaus.
49. Sitzung am 19. Oktober 1927. Anwesend: Frau Dihle,
Frau Czermack als Gast, die Herren Binder, Blanckertz,
Closs, Czermack, Dreger, Eckardt, Funck, Ilgner,
E. Kahlert, Kekule v. Stradonitz, Leonhardy, Locht,
Michelly, Mützel, Post, Rohde, Sonnenberg, Sterzei, Trapp,
Weinitz.
1. Herr Stephan Kekule v. Stradonitz spricht über die
sog. goldenen Geschütze des Grafen Wilhelm zu
Schaumburg-Lippe. Der Vortrag erscheint in einem der
nächsten Hefte als Aufsatz. In Anknüpfung an den
Aufsatz von Herrn P. Post über den Waffenrock des
„Schwarzen Prinzen“ in der Kathedrale von Canterbury
(Z. H. W. K. 11 (2), 153) spricht Herr von Kekule sodann
über Herkunft und Bedeutung des Wahlspruches des
Schwarzen Prinzen: „Ich dien.“ Es gäbe drei Theorien:
1. „Ich dien“ sei eigentlich das walisische „aich dyn“
und bedeute „Euer Mann“, „Euer Landsmann“. König
Eduard I. von England, der Besieger Llewellins, des letz-
ten Fürsten von Wales, habe seinen neuen Untertanen ver-
sprochen, ihnen einen Eingeborenen zum Herrscher zu
geben, und als sein Sohn, der nachmalige König Eduard II.,
1284 zu Carnarvon (in Wales) geboren worden sei, das
Kind den versammelten Häuptlingen mit obigen Worten ge-
zeigt. Diese Deutung ist schon geschichtlich schwer glaub-
haft, weil die Straußenfedern erst erheblich später,
eben bei dem Schwarzen Prinzen (1330—76), dem Sohne
Eduards III., vorkommen.
2. „Ich dien“ sei mittelhochdeutsch und von dem blinden,
in der Schlacht bei Crecy (1346) gefallenen Könige Jo-
hann von Böhmen übernommen. Diese Behauptung ent-
hält insofern einen Widerspruch in sich, als nicht abzu-
sehen ist, wieso König Johann einen Wahlspruch in einer
anderen als der tschechischen oder französischen Sprache
geführt haben soll.
3. „Ich dien“ sei von den altflämischen „ic dien“ herge-
leitet und stamme von Philippa von Holland oder von
Hennegau (f 1369), der Mutter des Schwarzen Prinzen, einer
Tochter des Grafen Wilhelm III. Jedenfalls stammten die
zu dem Waihlspruch „Ich dien“ gehörigen Straußenfedern
von der Königin. Nach, einem Inventar aus dem Jahre 1369
erscheinen nämlich die Straußenfedern als Marke auf dem
Silberzeuge der Königin, und vom Schwarzen Prinzen sind
zwei Siegel an Urkunden vom 13. August 1362 und vom
29. Januar 1366 bekannt, auf denen Straußenfedern (ohne
den Wahlspruch) neben dem Helm mit dem gekrönten
Leoparden (1362) und neben der gotischen Thronnische
des „Majestätssiegels“ des Prinzen (1366) angebracht sind.
Sprachlich steht die Sache so, daß sich der Wahl-
spruch „Ich dien“ zweimal in der mittelhochdeutschen
Schreibweise „ich dene“ als Selbstschrift neben der Unter-
schrift des Schwarzen Prinzen, das eine Mal unter einem
Blatte von 1360, abgedruckt Bibliogr. Topograph. III,
p. 90, das anderemal an einer Urkunde vom 25. April 1370
(Tower; in dem von W. B. Sanders angelegten Auto-
graphenbande), findet, wie schon Rose in seiner ausführ-
lichen Veröffentlichung „König Johann der Blinde von
Böhmen und die Schlacht bei Crecy“ Z. H. W. K. 7, 37
Anmerk. 106 festgestellt hat. Hiernach dürfte an der
sprachlichen Deutung im Sinne des deutschen „Ich dien“
kaum mehr ein Zweifel sein können, und für die Her-
leitung bleibt nur die Wahl zwischen Johann von Böhmen
und Philippa von Holland (Hennegau).
N. Harris Nicolas spricht in einem Brief an Sir Henry
Ellis (Archaeologie Britt. XXXII (1847), S. 332, von einer
beachtenswerten heilwissenschaftlichen Abhandlung des
berühmten Arztes John de Ardern, deren Text in zwei
Abschriften aus dem Ende des 14. Jahrh. erhalten ist (Slo-
ane Coll., Nr. 65 fol. 76 und Nr. 335 fol. 67). Ardern han-
delt an einer Stelle über Hämorrhoiden, nimmt dabei Bezug
auf eine früher beschriebene Klistierspritze (Nastare) und
erwähnt, daß zu deren Spitze ein Federkiel-Stück diene,
von derjenigen Federnart, wie sie der Prinz von Wales
führe. Nicolas bekennt sich im Anschlüsse hieran zu der
Ansicht, der Schwarze Prinz habe seine beiden Wahl-
sprüche („Ich dien“ und „Houmont“) von seiner mütter-
lichen Herkunft aus dem Hennegau her.
3. Herr M. I. Binder zeigt Neuerwerbungen des
Zeughauses, darunter ein polnisches Kettenhemd des
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orientalisierenden Charaktere. Zu welchem Zweck sollte
diese ein „fränkischer“ Stempelstecher eingegraben
haben? Daß sie nichts besagen, spricht nicht gegen
ihren morgenländischen Ursprung. Die von orientalischen
Handwerkern an Gebrauchsgegenständen angebrachten
Schriftbänder stecken ja fast stets voller Fehler. Der
asiatische Atzmaler, Graveur, Tausiator, Treibarbeiter
war und ist meist des Lesens und des Schreibens un-
kundig. Er zeichnet einfach mechanisch Vorlagen nach,
deren Bedeutung er nicht versteht. Diese Vorlagen selbst
waren vielleicht von einem Schriftgelehrten entworfen
worden, mit dessen Kunst es auch nicht weit her war.
Sie waren von Hand zu Hand gegangen und auf diesem
langen Weg sprachlich nicht besser geworden. Manche
Lücke war zwischen den einzelnen Buchstaben ent-
standen, welche dann die Einbildungskraft des Arbeiters
ausfüllte. So erklären sich die oft ganz unverständ-
lichen Schriftbänder auf orientalischen Waffen, und man
darf darum nicht gleich an bewußte Fälschung denken,
wenn etwa eine doch lesbare Jahreszahl in so einem
Schriftband nicht recht zu der ganzen Waffe stimmen
will.
Nach der Mitteilung meines Gewährsmannes, dem ich
hier meinen Dank ausspreche, würde das Schloß 1903
einem in Bremen lebenden Freunde alten Gewaffens aus
der Schweiz zugesendet und soll sehr verläßlich ge-
arbeitet haben, so daß bei etwa zehn Versuchen nie ein
Versager vorkam. Uber das weitere Schicksal dieser ein
gewisses technisches Können verratenden büchsenmache-
rischen Spielerei ist nichts bekannt. Sollten vielleicht
diese Zeilen das Schloß wieder irgendwo zum Vorschein
bringen, so freute dies
Otmar Baron Potier.
SITZUNGSBERICHTE
der Berliner Mitglieder im Zeughaus.
49. Sitzung am 19. Oktober 1927. Anwesend: Frau Dihle,
Frau Czermack als Gast, die Herren Binder, Blanckertz,
Closs, Czermack, Dreger, Eckardt, Funck, Ilgner,
E. Kahlert, Kekule v. Stradonitz, Leonhardy, Locht,
Michelly, Mützel, Post, Rohde, Sonnenberg, Sterzei, Trapp,
Weinitz.
1. Herr Stephan Kekule v. Stradonitz spricht über die
sog. goldenen Geschütze des Grafen Wilhelm zu
Schaumburg-Lippe. Der Vortrag erscheint in einem der
nächsten Hefte als Aufsatz. In Anknüpfung an den
Aufsatz von Herrn P. Post über den Waffenrock des
„Schwarzen Prinzen“ in der Kathedrale von Canterbury
(Z. H. W. K. 11 (2), 153) spricht Herr von Kekule sodann
über Herkunft und Bedeutung des Wahlspruches des
Schwarzen Prinzen: „Ich dien.“ Es gäbe drei Theorien:
1. „Ich dien“ sei eigentlich das walisische „aich dyn“
und bedeute „Euer Mann“, „Euer Landsmann“. König
Eduard I. von England, der Besieger Llewellins, des letz-
ten Fürsten von Wales, habe seinen neuen Untertanen ver-
sprochen, ihnen einen Eingeborenen zum Herrscher zu
geben, und als sein Sohn, der nachmalige König Eduard II.,
1284 zu Carnarvon (in Wales) geboren worden sei, das
Kind den versammelten Häuptlingen mit obigen Worten ge-
zeigt. Diese Deutung ist schon geschichtlich schwer glaub-
haft, weil die Straußenfedern erst erheblich später,
eben bei dem Schwarzen Prinzen (1330—76), dem Sohne
Eduards III., vorkommen.
2. „Ich dien“ sei mittelhochdeutsch und von dem blinden,
in der Schlacht bei Crecy (1346) gefallenen Könige Jo-
hann von Böhmen übernommen. Diese Behauptung ent-
hält insofern einen Widerspruch in sich, als nicht abzu-
sehen ist, wieso König Johann einen Wahlspruch in einer
anderen als der tschechischen oder französischen Sprache
geführt haben soll.
3. „Ich dien“ sei von den altflämischen „ic dien“ herge-
leitet und stamme von Philippa von Holland oder von
Hennegau (f 1369), der Mutter des Schwarzen Prinzen, einer
Tochter des Grafen Wilhelm III. Jedenfalls stammten die
zu dem Waihlspruch „Ich dien“ gehörigen Straußenfedern
von der Königin. Nach, einem Inventar aus dem Jahre 1369
erscheinen nämlich die Straußenfedern als Marke auf dem
Silberzeuge der Königin, und vom Schwarzen Prinzen sind
zwei Siegel an Urkunden vom 13. August 1362 und vom
29. Januar 1366 bekannt, auf denen Straußenfedern (ohne
den Wahlspruch) neben dem Helm mit dem gekrönten
Leoparden (1362) und neben der gotischen Thronnische
des „Majestätssiegels“ des Prinzen (1366) angebracht sind.
Sprachlich steht die Sache so, daß sich der Wahl-
spruch „Ich dien“ zweimal in der mittelhochdeutschen
Schreibweise „ich dene“ als Selbstschrift neben der Unter-
schrift des Schwarzen Prinzen, das eine Mal unter einem
Blatte von 1360, abgedruckt Bibliogr. Topograph. III,
p. 90, das anderemal an einer Urkunde vom 25. April 1370
(Tower; in dem von W. B. Sanders angelegten Auto-
graphenbande), findet, wie schon Rose in seiner ausführ-
lichen Veröffentlichung „König Johann der Blinde von
Böhmen und die Schlacht bei Crecy“ Z. H. W. K. 7, 37
Anmerk. 106 festgestellt hat. Hiernach dürfte an der
sprachlichen Deutung im Sinne des deutschen „Ich dien“
kaum mehr ein Zweifel sein können, und für die Her-
leitung bleibt nur die Wahl zwischen Johann von Böhmen
und Philippa von Holland (Hennegau).
N. Harris Nicolas spricht in einem Brief an Sir Henry
Ellis (Archaeologie Britt. XXXII (1847), S. 332, von einer
beachtenswerten heilwissenschaftlichen Abhandlung des
berühmten Arztes John de Ardern, deren Text in zwei
Abschriften aus dem Ende des 14. Jahrh. erhalten ist (Slo-
ane Coll., Nr. 65 fol. 76 und Nr. 335 fol. 67). Ardern han-
delt an einer Stelle über Hämorrhoiden, nimmt dabei Bezug
auf eine früher beschriebene Klistierspritze (Nastare) und
erwähnt, daß zu deren Spitze ein Federkiel-Stück diene,
von derjenigen Federnart, wie sie der Prinz von Wales
führe. Nicolas bekennt sich im Anschlüsse hieran zu der
Ansicht, der Schwarze Prinz habe seine beiden Wahl-
sprüche („Ich dien“ und „Houmont“) von seiner mütter-
lichen Herkunft aus dem Hennegau her.
3. Herr M. I. Binder zeigt Neuerwerbungen des
Zeughauses, darunter ein polnisches Kettenhemd des
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