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LITERATUR
BAND 2
größer als gewöhnliche Standarten zu sein; die Schäfte
sind wie Rennstangen gestaltet. In der niederländischen
Heraldik werden den Schildhaltern: Löwen, Greifen,
Waldmenschen usw. mit Vorliebe auch noch Wappen-
banner zum Halten gegeben; auch hier ist die „Turnier-
lanze“ üblich. Die beiden Trompetenfähnlein scheinen
ebenfalls mit den Bildern von 1 und 2 bezeichnet zu
sein. Die Reiter dieser Gruppe tragen rote Feldbinden.
3. Die Fahne der weichenden Reiterschar — neben dem
Eichenstamm — zeigt einen goldenen Reichsapfel in Blau;
blau sind auch die Schärpen dieser Partei.
Der Reichsapfel, golden in Rot, ist das 1544 von
Kaiser Karl V. verliehene Wappen des mit der Pfalz-
grafschaft bei Rhein verbundenen Erztruchsessenamtes.
Die Vermutung liegt nahe, daß diese Fahne als eine
kurpfälzische anzusprechen sei, zumal das Wappenbild
hier als Bilddevise, impresa, aufgefaßt, vom heraldischen
Farbenzwang unabhängiger ist.
Alles zusammengefaßt, dürfte es sich um eine Episode
aus dem dreißigjährigen Kriege handeln, aus den Kämpfen
zwischen Liga und Union, vielleicht aus Spinolas Feld-
zuge. Erzherzog Albrecht sandte diesen großen Feldherrn
1620 gegen die Stammlande des „Winterkönigs“, die Kur-
pfalz wurde großenteils erobert und arg verwüstet. Über
die kurpfälzischen Fahnen sind im „Deutschen Herold“
1911 S. 59, 111 wertvolle Beiträge erschienen, u. a. auch
über die bei Moncontour 1569 verloren gegangenen Feld-
zeichen.
Paul Ghyczy.
34. Sitzung am 17. Februar 26. Anwesend die Herren:
Binder, Cloß, Eckardt, Kahlert, Leonhardy, Michelly, Post,
Wedepohl. Herr Dreger und Herr Mützel sind durch
Krankheit verhindert.
1. Diskussionsthema: Zweck und Entwicklung der
Harnischschiftung. Herr Post als Referent gibt einen
kurzen Überblick über die verschiedenen Arten der Schif-
tung im weitesten Sinne und ihre geschichtliche Entwick-
lung. Der Begriff der Schiftung oder des Geschübes ist
ganz allgemein gefaßt das Prinzip des beweglichen,
lückenlosen Plattenschutzes. Drei Formen lassen sich
unterscheiden: 1. Bei der ältesten und verbreitetsten sind
die Platten in schuppenartiger Anordnung auf einer Stoff-
unterlage festgenietet. So bei frühmittelalterlichen Panzer-
röcken, beim Spangenrock des 14. Jahrhunderts und bei
der Brigantine. Dasselbe Prinzip befolgt am reifen Platten-
harnisch das Geschübe der Achseln und Beintaschen,
nur daß an die Stelle der Stoffunterlage Lederstreifen als
tragender Stoff getreten sind. 2. Die zweite nur an den
Gelenken der Gliedmaßen anwendbare Form der Schif-
tung besteht aus der beweglichen Verbindung der ein-
zelnen übereinandergreifenden Geschübeplatten unmittel-
bar miteinander und am Rande. Beispiele: Arm, Knie-
kacheln, Handschuhe, Eisenschuhe. Hierher gehört im
Prinzip und vermutlich als älteste Lösung das Helmvisier.
3. Die dritte und seltenste, oft mit der ersten kombinierten
Form besteht gleichfalls in der unmittelbaren Verbindung
der Geschübeplatten und zwar mittelst Niet- und Lang-
loch, namentlich angewandt beim reifen Plattenharnisch,
bei Beintaschen und gotischen geschifteten Brüsten. Die
Schiftung ist am stärksten am spätgotischen Har-
nisch mit geschifteter Brust und Rücken ausge-
bildet. In der Diskussion wurde die verschiedene
Anordnung der Geschübe an Brust und Rücken am go-
tischen Harnisch und bei der Brigantine erörtert: Vorn
von unten nach oben, hinten von oben nach unten, fer-
ner die voneinander abweichende Schiftung an den Hand-
schuhen und Schuhen. Es wurde festgestellt, daß die ver-
schiedene Anordnung überall durch die verschiedenen Be-
wegungsrichtungen der entsprechenden Körperteile be-
dingt wird. Herr Cloß verbreitete sich über verschie-
dene Formen und Entwicklung der gotischen Schiftbrust
und Rücken, auf die allein er die Bezeichnung Schiftung
angewandt wissen will. Anschließend spricht Herr Leon-
hardy über die Bezeichnung Schiftung in der Architektur-
sprache.
Die Ausdrücke „Schiftung“, „schiften“, „anschiften“
usw. erscheinen nicht nur im grauen Altertum in der is-
ländischen Helden- und Sagenliteratur als Bezeichnung
für eine Werft und im Schiffbau, sondern sie ziehen sich
durch die ganze Entwicklung der Baukunst von dem
Augenblick an, wo das konstruktiv verhältnismäßig ein-
fache Satteldach durch das Walmdach ergänzt wurde.
2. Herr M. I. Binder führte einen zum Kauf ange-
botenen Eisenhut vor, der aus der amerikanischen Samm-
lung W. G. Keasbg stammt, abgebildet: Laking, A record
of european armour and arms Bd. II, Abb. 420.
LITERATUR
Hans Stöcklein: Die Schlacht bei Pavia. — Zum Ge-
mälde des Ruprecht Heller. — Monatshefte für
Kunstwissenschaft. Bd. 17, 1924, S. 230—239. (Mit 7 Bil-
dertafeln, 1 Situationsplan und 1 Erklärungsskizze).
Die Schlacht bei Pavia (24. Febr. 1525) gehört zu den
glänzendsten Ruhmestaten der kaiserlich deutschen Lands-
knechte unter ihrem siegreichen Führer Georg von Frunds-
berg, ja selbst ihrer, in Verkennung nationalen Pflicht-
gefühls in den Reihen des Gegners als „Bandes noires“
kämpfendenWaffengenossen* 1). Es ist daher erklärlich, daß
gerade dieses großartigste Schlachtenbild des 16. Jahr-
x) Walther Rose: Die deutschen und italienischen schwarzen (großen)
Garden im 15. und 16. Jahrhundert. Z. H. W. K. 6, 89—92.
hunderts mit seiner weltgeschichtlichen Katastrophe den
zeitgenössischen Malern wiederholt zum Vorwurfe ge-
dient hat. Hierzu zählt insbesondere das bereits von Axel
Sjöblom besprochene Gemälde von Ruprecht Heller im
Stockholmer Nationalmuseum2). Diese Angaben Sjöbloms
werden von Stöcklein an der Hand der zuverlässigen
alten Schlachlberichte von Adam Reißer, dem Bio-
graphen Frundsbergs, und von dessen Kampfgefährten
Caspar Winzerer von Tölz, sowie durch einen inter-
essanten Vergleich mit den bisher bekannt gewordenen
2) S. Beiträge zur deutschen Kunst, von E. Buchner und K. Feuchtmayr.
I. Bd. Oberdeutsche Kunst der Spätgotik und Reformationszeit. Augsburg.
1924.
LITERATUR
BAND 2
größer als gewöhnliche Standarten zu sein; die Schäfte
sind wie Rennstangen gestaltet. In der niederländischen
Heraldik werden den Schildhaltern: Löwen, Greifen,
Waldmenschen usw. mit Vorliebe auch noch Wappen-
banner zum Halten gegeben; auch hier ist die „Turnier-
lanze“ üblich. Die beiden Trompetenfähnlein scheinen
ebenfalls mit den Bildern von 1 und 2 bezeichnet zu
sein. Die Reiter dieser Gruppe tragen rote Feldbinden.
3. Die Fahne der weichenden Reiterschar — neben dem
Eichenstamm — zeigt einen goldenen Reichsapfel in Blau;
blau sind auch die Schärpen dieser Partei.
Der Reichsapfel, golden in Rot, ist das 1544 von
Kaiser Karl V. verliehene Wappen des mit der Pfalz-
grafschaft bei Rhein verbundenen Erztruchsessenamtes.
Die Vermutung liegt nahe, daß diese Fahne als eine
kurpfälzische anzusprechen sei, zumal das Wappenbild
hier als Bilddevise, impresa, aufgefaßt, vom heraldischen
Farbenzwang unabhängiger ist.
Alles zusammengefaßt, dürfte es sich um eine Episode
aus dem dreißigjährigen Kriege handeln, aus den Kämpfen
zwischen Liga und Union, vielleicht aus Spinolas Feld-
zuge. Erzherzog Albrecht sandte diesen großen Feldherrn
1620 gegen die Stammlande des „Winterkönigs“, die Kur-
pfalz wurde großenteils erobert und arg verwüstet. Über
die kurpfälzischen Fahnen sind im „Deutschen Herold“
1911 S. 59, 111 wertvolle Beiträge erschienen, u. a. auch
über die bei Moncontour 1569 verloren gegangenen Feld-
zeichen.
Paul Ghyczy.
34. Sitzung am 17. Februar 26. Anwesend die Herren:
Binder, Cloß, Eckardt, Kahlert, Leonhardy, Michelly, Post,
Wedepohl. Herr Dreger und Herr Mützel sind durch
Krankheit verhindert.
1. Diskussionsthema: Zweck und Entwicklung der
Harnischschiftung. Herr Post als Referent gibt einen
kurzen Überblick über die verschiedenen Arten der Schif-
tung im weitesten Sinne und ihre geschichtliche Entwick-
lung. Der Begriff der Schiftung oder des Geschübes ist
ganz allgemein gefaßt das Prinzip des beweglichen,
lückenlosen Plattenschutzes. Drei Formen lassen sich
unterscheiden: 1. Bei der ältesten und verbreitetsten sind
die Platten in schuppenartiger Anordnung auf einer Stoff-
unterlage festgenietet. So bei frühmittelalterlichen Panzer-
röcken, beim Spangenrock des 14. Jahrhunderts und bei
der Brigantine. Dasselbe Prinzip befolgt am reifen Platten-
harnisch das Geschübe der Achseln und Beintaschen,
nur daß an die Stelle der Stoffunterlage Lederstreifen als
tragender Stoff getreten sind. 2. Die zweite nur an den
Gelenken der Gliedmaßen anwendbare Form der Schif-
tung besteht aus der beweglichen Verbindung der ein-
zelnen übereinandergreifenden Geschübeplatten unmittel-
bar miteinander und am Rande. Beispiele: Arm, Knie-
kacheln, Handschuhe, Eisenschuhe. Hierher gehört im
Prinzip und vermutlich als älteste Lösung das Helmvisier.
3. Die dritte und seltenste, oft mit der ersten kombinierten
Form besteht gleichfalls in der unmittelbaren Verbindung
der Geschübeplatten und zwar mittelst Niet- und Lang-
loch, namentlich angewandt beim reifen Plattenharnisch,
bei Beintaschen und gotischen geschifteten Brüsten. Die
Schiftung ist am stärksten am spätgotischen Har-
nisch mit geschifteter Brust und Rücken ausge-
bildet. In der Diskussion wurde die verschiedene
Anordnung der Geschübe an Brust und Rücken am go-
tischen Harnisch und bei der Brigantine erörtert: Vorn
von unten nach oben, hinten von oben nach unten, fer-
ner die voneinander abweichende Schiftung an den Hand-
schuhen und Schuhen. Es wurde festgestellt, daß die ver-
schiedene Anordnung überall durch die verschiedenen Be-
wegungsrichtungen der entsprechenden Körperteile be-
dingt wird. Herr Cloß verbreitete sich über verschie-
dene Formen und Entwicklung der gotischen Schiftbrust
und Rücken, auf die allein er die Bezeichnung Schiftung
angewandt wissen will. Anschließend spricht Herr Leon-
hardy über die Bezeichnung Schiftung in der Architektur-
sprache.
Die Ausdrücke „Schiftung“, „schiften“, „anschiften“
usw. erscheinen nicht nur im grauen Altertum in der is-
ländischen Helden- und Sagenliteratur als Bezeichnung
für eine Werft und im Schiffbau, sondern sie ziehen sich
durch die ganze Entwicklung der Baukunst von dem
Augenblick an, wo das konstruktiv verhältnismäßig ein-
fache Satteldach durch das Walmdach ergänzt wurde.
2. Herr M. I. Binder führte einen zum Kauf ange-
botenen Eisenhut vor, der aus der amerikanischen Samm-
lung W. G. Keasbg stammt, abgebildet: Laking, A record
of european armour and arms Bd. II, Abb. 420.
LITERATUR
Hans Stöcklein: Die Schlacht bei Pavia. — Zum Ge-
mälde des Ruprecht Heller. — Monatshefte für
Kunstwissenschaft. Bd. 17, 1924, S. 230—239. (Mit 7 Bil-
dertafeln, 1 Situationsplan und 1 Erklärungsskizze).
Die Schlacht bei Pavia (24. Febr. 1525) gehört zu den
glänzendsten Ruhmestaten der kaiserlich deutschen Lands-
knechte unter ihrem siegreichen Führer Georg von Frunds-
berg, ja selbst ihrer, in Verkennung nationalen Pflicht-
gefühls in den Reihen des Gegners als „Bandes noires“
kämpfendenWaffengenossen* 1). Es ist daher erklärlich, daß
gerade dieses großartigste Schlachtenbild des 16. Jahr-
x) Walther Rose: Die deutschen und italienischen schwarzen (großen)
Garden im 15. und 16. Jahrhundert. Z. H. W. K. 6, 89—92.
hunderts mit seiner weltgeschichtlichen Katastrophe den
zeitgenössischen Malern wiederholt zum Vorwurfe ge-
dient hat. Hierzu zählt insbesondere das bereits von Axel
Sjöblom besprochene Gemälde von Ruprecht Heller im
Stockholmer Nationalmuseum2). Diese Angaben Sjöbloms
werden von Stöcklein an der Hand der zuverlässigen
alten Schlachlberichte von Adam Reißer, dem Bio-
graphen Frundsbergs, und von dessen Kampfgefährten
Caspar Winzerer von Tölz, sowie durch einen inter-
essanten Vergleich mit den bisher bekannt gewordenen
2) S. Beiträge zur deutschen Kunst, von E. Buchner und K. Feuchtmayr.
I. Bd. Oberdeutsche Kunst der Spätgotik und Reformationszeit. Augsburg.
1924.