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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]; Verein für Historische Waffenkunde [Contr.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 2.1926-1928

DOI issue:
Band 2, Heft 10
DOI article:
Prihoda, Rudolf: Ein mährischer Spangenharnisch
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.69978#0237

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ZEITSCHRIFT FÜR HISTORISCH E WA FFEN-U N D KOST Ü MKU N DE
NEUE FOLGE, BAND 2 (11) APRIL 1928 Heft 10

EIN MÄHRISCHER SPANGENHARNISCH
VON RUDOLF PR1HODA

In seiner als klassisch zu bezeichnenden Schrift
,,Erinnerungen eines Waffensammlers“, hat Graf Wil-
czek auf das unerklärliche Mißverhältnis hingewiesen,
das zwischen der geringen Anzahl von erhaltenen,
frühmittelalterlichen Helmen und jenen Tausenden
herrscht, die seinerzeit im Gebrauch standen und
nunmehr spurlos verschwunden sind. Eine ausge-
prägte Analogie findet sich beim Spangenharnisch.
Auch diese eigentümliche, ritterliche Schutzwaffe,
welche Demmin, (3. Aufl. Seite 66), als ,,Platte“
bezeichnet und von etwa 1230 bis 1350 im Ge-
brauch sein läßt, hatte, wie wir heute wissen,
eine bedeutende Verbreitung gefunden. Dennoch
zählen Funde von Spangenharnischen zu den größten
Seltenheiten. Es ist demnach angebracht, wenn ich
auf die geographische Verteilung der Fundorte der
bisher bekannt gewordenen Originale von Spangen-
harnischen hinweise:
Der Tannenberger Spangenharnisch1). (Gefunden
1849.) Historisches Museum in Darmstadt. — Die
Spangenharnische von Visby2). (Gefunden 1905.)
Staatliches Historisches Museum in Stockholm. — Die
Spangenharnische von Küssnach 3). (Gefunden 1914.)
Schweizerisches Landesmuseum in Zürich.
Hinzu kommt der von mir im Jahre 1926 auf der
Burgruine Alt-Titschein bei Neu-Titschein in Mäh-
ren aufgefundene Spangenharnisch.
Die einst stattliche Burg Alt-Titschein wurde
jedenfalls an Stelle einer älteren Wehranlage in
der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts errichtet.
Sie war der Stammsitz mächtiger Herrengeschlech-
ter, von denen die Krawarze, Cimburge, Boskowitze
und Kunowitze genannt sein mögen. Um 1500 kam
sie in Besitz der Zierotine, worauf sie nach der
Schlacht am Weißen Berge (8. November 1620)
ihrem Verfall entgegenging4). Einem dieser Herren
von Krawarz, jedenfalls Johann I. (bis 1369), mag
*) J. v. Hefner-Alteneck und S. J. Wolf. Die Burg
Tannenberg und ihre Ausgrabungen. Frankfurt a-. M. 1850.
2) Bengt Thordeman. Die Kriegergräber von Korsbet-
ningen bei Visby. Z. H. W. K. N. F. 2, 129.
3) E. A. Gessler. Die Spangenharnische von Küssnach.
Z. H. W. K. N. F. 1, 211.
■*) Josef Ullrich. Die Burgruine Alt-Titschein. Zeit-
schrift, Das Kuhländchen. IV. 1922.

der aufgefundene ritterliche Spangenharnisch an-
gehört haben.
Im Frühjahr 1926 machte ich beim Begehen der
Burgruine die Beobachtung, daß kurz vorher eine
Zwingermauer zum Absturz gekommen war, wobei selt-
samerweise der den Zwinger fast zur Mauerkrone aus-
füllende Bauschutt nebst dem darunter lagernden Erd-
reich zum größten Teile stehen geblieben war. Bei
näherer Untersuchung ergab sich, daß auf einer Zone,
die sich im wesentlichen aus Mörtelstücken zusam-
mensetzte, eine mittelalterliche Kulturschicht la-
gerte; darüber setzte sich eine 20 cm hohe, in der
Hauptsache aus Aschenteilen bestehende Schicht fort,
auf welcher wieder je 30 cm hohe Kulturschichten des
16. bis 17. Jahrhunderts zu liegen kamen. Den Be-
schluß machte eine Lage von ungefähr 1 m Bau-
schutt. Die mittelalterliche Schicht hatte eine Mäch-
tigkeit von 70 cm und bestand im allgemeinen aus
lehmiger Erde, die mit Mörtelstücken, Holzkohlen,
Knochen und Scherben von verschiedenen Tongefäßen
durchsetzt war. Aus dieser Schicht konnte ich die
Spangenharnischteile bergen. Als Begleitfunde sind
einige Bolzenspitzen von Wall- und Handarmbrüsten
sowie eine bronzene Schelle zu nennen.
Für die Zeitbestimmung der mittelalterlichen
Schicht sind die aufgefundenen Tonscherben von
größter Bedeutung. Es sei gesagt, daß auf der an
sich sterilen Mörtelschicht Gefäßscherben vorgefun-
den wurden, die Verschmelzungsmerkmale des
3. Stiles der slawischen Keramik mit der neu ein-
geführten westdeutschen Keramik aufweisen und da-
her auf das Ende des 13. Jahrhunderts deuten. Im
weiteren Verlaufe setzt sich diese Schicht bis in
das 15. Jahrhundert fort, wofür ich Bruchstücke von
Art der typischen Liegnitzer Becher anführe5).
Überdies fand sich im obersten Teile dieser mittel-
alterlichen Ablagerungen eine Münze, ein Schwarz-
pfennig Albrechts V. von Österreich (1411—1434).
Die Spangenharnischteile lagerten in der unteren
Hälfte der mittelalterlichen Schicht und dürften Ende
des 14. Jahrhunderts dahin gelangt sein.
Leider waren die Bodenverhältnisse der Erhaltung
6) Konrad Strauss, Studien zur mittelalterlichen Kera-
mik. Leipzig 1923.

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