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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 2.1926-1928

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Band 2, Heft 8
DOI Artikel:
Weyersberg, Albert: Solingens Klingenherstellung im Wechsel der Zeiten
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Fachnotizen
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https://doi.org/10.11588/diglit.69978#0206

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194

FACHNOTIZEN

BAND 2

Handschmiederei nicht gewachsen war. Eine Ver-
größerung folgte der anderen und ganz im Gegen-
satz zu früher, wo die Geschäftskapitalien nur in
die Lieferungen gesteckt wurden, legte man nun
beträchtliche Summen in Gebäuden und Maschinen
fest. Die bedeutendsten Veränderungen kamen nach
dem Jahre 1873, als Gebr. Weyersberg als erste
und ihnen folgend andere Fabriken das Walzen der
Klingen12) einführten und dadurch, ,so schwer ihnen
dies persönlich geworden sein mag, die alten, seit
Generationen mit ihnen durch gemeinsames Schaf-
fen verbundenen Schwertschmiede in Bedrängnis
brachten. Hätten sie aber den Fortschritt nicht
gemacht, dann wären bald alle größeren Klingen-
lieferungen unter Ausscheidung Solingens dem aus-
wärtigen Wettbewerb zugefallen.
Den letzten Schimmer ihrer ehemaligen Bedeu-
tung und Selbständigkeit haben die Schwert-
schmiedemeister notgedrungen aufgegeben, als sie
sich am 30. Oktober 1848 bereit erklärten, auf des
Bestellers Wunsch ihre Namenszeichen auf den
12) Sommer, Zur Geschichte der Solinger Klingen- und
Waffenindustrie m. Abb. Jahrbuch des Vereins Deutscher
Ingenieure. Berlin. 12. B. S. 109.

Angeln der Klingen wegzulassen oder ein anderes
dara.ufzuschlagen. Immer mehr von .ihnen mußten
nun, weil es an Arbeit für sie fehlte, die ihnen ans
Herz gewachsene, angestammte Tätigkeit aufgeben
und zu anderen Berufen übergehen. Viele wurden
Messermacher, namentlich Taschenmesserfabrikanten.
Übel wirkte natürlich auch das Bestreben der aus-
wärtigen Regierungen, Waffetl im eigenen Lande
herzustellen und die Anlagen preußischer Regie-
rungsfabriken in Spandau und Erfurt, besonders
nachdem die Solinger Industriellen auf Veranlas-
sung Preußens kostspielige Fabrikationsanlagen ge-
schaffen hatten.
Über drei Jahrhunderte hat die Solinger Klingen-
herstellung, wie es 1925 die auf der Kölner Jahr-
tausendausstellung zur Schau gestellten Stücke zeig-
ten, unbeschadet aller Umwälzungen, Umstellungen,
Auswanderungen und Satzungskämpfe ihre Be-
deutung aufrechterhalten. Nun, wo ihr zudem die
1904 ins Leben gerufene Solinger Fachschule mit
künstlerischem und fachmännischem Einfluß und
Rat zur Seite steht, wird es ihren bewährten Be-
trieben trotz aller politischen Niederhaltung auch
weiter gelingen, sich durchzusetzen.

FACHNOTIZEN

Zwei Geschütze Meister Joergs von Guntheim von 1533.
Im historischen Museum der Stadt Neuenburg in der
Schweiz (Neuchätel) befinden sich zwei Bronzevorderla-
derrohre; sie gehören zur .Gattung der Feldgeschütze,
welche den Namen „Schlangen“ führten und verfeuerten
eine zweipfündige Gußeisenkugel. Das eine Rohr trägt die
Jahreszahl 1533, beide den Gießernamen „Meister Joerg
zu Straßburg“.
Das eine Rohr zeigt eine Traube in Gestalt eines ge-
ringelten Astes, die an dem flach halbkugelig gebil-
deten Stoßboden sitzt; dieser ist mit schuppenartig über-
einander geordnetem Akanthusblattwerk geschmückt. Der
dicke Stoßbodenrand wird durch zwei schmale Ringwülste,
welche eine Hohlkehle umrahmen, gebildet, ein dicker
Querringwulst folgt als höchster Fries, mit rechtwinklig ab-
gesetzter Profilierung und breitem Abschlußwulstring zum
Hinterfeld (Kammerstück) überleitend. Vor diesem sehen
wir auf einer erhabenen Unterlage das Zündloch; es ist
als runde Pfanne mit jeinem Rand gestaltet, senkrecht
gebohrt, und durch einen Laufkanal mit einer davorlie-
genden kleineren Pfanne verbunden. Zündpfanne, Kanal
und Vorpfanne wurden mit Pulver gefüllt und die letztere
zuerst mittelst der Zündrute losgebrannt, worauf durch das
Zündloch die Ladung Feuer fing. Beim Zündloch vorhan-
dene Ösen bezeugen den fehlenden Deckel. Am Kammer-
stück ist eine neuere Gewichtsbezeichnung eingehauen:
„6181/2“ und die Kugelschwere 2Pfd.; von da verjüngt
sich das Rohr allmählich bis zur Mündung. Das Kammer-

stück, hinten durch den Stoßboden und die Friese begrenzt,
schließt sich vom Mittelfeld, dem Zapfenstück, durch eine
Querringwulstgliederung ab, sie besteht aus einem Mittel-
wulst, von welchem beidseitig rechtwinklig abgesetzt, eine
von zwei Ringwülsten eingefaßte Hohlkehle den Abschluß
bildet. Oben befinden sich zwei stilisierte Drachenköpfe
als Traghenkel. Seitlich gegen den Rand des Mittelfelds,
der durch einen ähnlichen Querwulstring wie oben geglie-
dert ist, jedoch mit einer Hohlkehle mit eingehaiuenem
Zahnschnittfries als Begrenzung gegen das Vorderfeld (das
Langfeld), sind die beiden Schildzapfen angebracht; sie
wachsen aus einem dicken, kreisrunden Boden zylindrisch
heraus. Das Langfeld mit starker Verjüngung schließt mit
einem verstärkten Mundstück ab; dieser „Kopf“ ist gebildet
von. einer Hohlkehle mit senkrechten Ovalen als Dekor, dann
folgt ein dicker doppelter Querringwulst, ansteigend zu
einem dem Rohr parallel laufenden Mündungsfries, beid-
seitig von kleinen Querwulstringen eingefaßt, der äußerste
Wulstring halbrund zur Mündung abfallend. Auf der Ober-
seite dieses Frieses läuft ein übereinanderliegendes dop-
peltes Mujuskel-Schriftband: MEISTER * IOER HAT*
MICH ZV * STRASBVRG * GOSEN * 1533 *. Der Buch-
stabe „G“ bei „IOERG“ ist durch ein später aufgegossenes
dickes Korn mit einer Öse zugedeckt, doch ist ein Rest des
„G“ noch deutlich erkennbar.
Hier möge eingeschaltet sein, warum das Rohr bis
in die jüngste Zeit nicht als ein Guß des Joerg von Gunt-
heim erkannt wurde. Auf dem Kammerstück befindet sich
 
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