HEFT 8 ALBERT WEYERSBERG: SOLINGENS KLINGENHERSTELLUNG IM WECHSEL DER ZEITEN
189
ziger Sitte ist auch in Grimma und im Vogtland üb-
lich gewesen. Die Jungfrau mit kreuzweise ge-
stecktem Halstuch, in alltäglichen Kleidern hat ein
vorn verschnürtes Mieder, die hohe Haube mit Bän-
dern, Hemdärmel, Schürze. Die Schuhe mit Bandt.
Die Kostümblätter zeigen so im allgemeinen, wie
die Kleidung der Mode dem Typus der Zeit ent-
sprach, jedoch nach den Gelegenheiten streng gere-
gelt war, und auch ständig unterschieden. Durch die
Beischriften ist die Verbreitung bestimmter Klei-
dungsstücke und Ausdrücke festgelegt. Manches wie
die Form der Hauben ist in der Bauerntracht fest-
gehalten worden, Mieder und weiter Rock sind
gleichbleibende Elemente. Als Urkunden der bürger-
lichen und bäuerlichen Kleidung jener Zeit sind die
Blätter ein sehr wertvolles Material, da man im all-
gemeinen mehr ein Bild der Mode der höheren Ge-
sellschaft vor Augen hat, die hier vielfach verein-
facht ins Bürgerlich-Ehrbare übertragen ist.
SOLINGENS KLINGENHERSTELLUNG IM WECHSEL DER ZEITEN
VON ALBERT WEYERSBERG
Wie wohl kein anderer Industrieort ist Solingen
seit vielen Jahrhunderten in der weiten Welt
bekannt. Und noch bedeutend früher würde dies
der Fall gewesen sein, wenn die Kölner Kauf-
herren, die seit den ältesten Zeiten den Haupt-
absatz der in Solingen hergestellten Klingen in
Händen hatten, diese nicht als Kölner Erzeugnisse
auf den Markt gebracht und dadurch in erster
Linie den Ruf Kölns gemehrt hätten. Urkundlich
werden „Zolinghe Bande“, d. h. Solinger Gebinde
(Fässer) immerhin schon im Jähre 1252 erwähnt,
nämlich in einer Maklerrolle der Gräfin Margarethe
von Flandern und dem Hennegau1).
Offenbar ist die Solinger Klingenschmiedekunst
uralt und als eine bodenständige aus den ört-
lichen Verhältnissen heraus entstanden2). Zunächst
werden die Eisensteine, die in frühester Zeit in
Solingen wie auch in anderen Gegenden des damals
dicht bewaldeten bergischen Landes beim Urbar-
machen und Ackern zutage kamen, die Bewohner der
noch sehr dünn gesäten Ansiedlungen dazu veran-
laßt haben, ihnen nachzuspüren und sie in Wind-
oder Rennöfen zu schmelzen und zu Äxten, Spaten
und Waffen zu verarbeiten zu suchen. Später mögen
sich, von Köln kommend, gelernte Schmiede und
auch kundige Klingenschmiede den vorhandenen An-
siedlern hinzugesellt haben.
Dann aber beruhte der Aufstieg sowohl der So-
linger Gegend als auch der benachbarten Kronen-
berger und Remscheider Höhen überhaupt auf der
B Höhlbaum, Hansisches Urkundenbuch, B. I Nr. 436,
Halle 1876. Weyersberg, Die erste urkundliche Erwäh-
nung Solinger Waren im Jahre 1252. Die Heimat So-
lingen 1926 S. 31.
2) Z. H. W. K. 2 (11) 36.
geschickten Ausnutzung der zahlreichen für den
Betrieb von Schleifstellen und Hämmern vorzüglich
zu verwertenden Wasserläufe. Aus einer Kölner
Ratsverordnung vom Jahre 1482 wissen wir, daß
es der Kölner Sarworter- und Harnischmacher-
zunft gestattet war, auf 6 Mühlen, die im ber-
gischen Lande wahrscheinlich am Muhrbach bei
Balken lagen, durch dort wohnende Polierer „pleis-
sen“ zu lassen, weil es in Köln an der geeigneten
Wasserkraft fehlte. Ohne solche Arbeitsmöglich-
keiten wäre eine dichtere Besiedlung der Bergischen
Höhen unmöglich gewesen. Aus alledem erwuchs
eine zähe, auf ihr Schaffen stolze Bevölkerung, die
sich, mochte sie auf den Höhen oder im schönen
Tal in ihren sauber gehaltenen Fachwerkhäusern
wohnen, frei fühlte und nach Weiterem strebte als
der bloß Ackerbau betreibende Bewohner der Ebene.
Grundherr von Solagon, welche Bezeichnung nun
allgemein als Solingen gedeutet wird, war bis zu
seinem Ableben im Jahre 965 der bedeutende Erz-
bischof Bruno I. von Köln, der das ehedem wahr-
scheinlich zum königlichen Kameral- oder Fiskal-
gut gehörige durch die Aachener Pfalzgrafen ver-
waltete Großgut für die Kölner Kirche erworben
hatte. Solingen war mithin vom 10. bis zum
13. Jahrhundert sowohl durch die als erzbischöfliche
Lehnsträger anzusehenden Herren von Solingen als
durch die Beziehungen seiner Schmiede zu den
Kölner Kaufherren und Schwertfegern mit Köln
eng verknüpft. Da sich wafferikundlich noch kein
Name und noch keine Marke haben ermitteln las-
sen, die einem damals in Köln arbeitenden Schwert-
schmied zuzuschreiben wären, so darf man wohl
annehmen, daß die viel erwähnten Kölnischen
Schwerter jedenfalls zum größten Teil aus den
189
ziger Sitte ist auch in Grimma und im Vogtland üb-
lich gewesen. Die Jungfrau mit kreuzweise ge-
stecktem Halstuch, in alltäglichen Kleidern hat ein
vorn verschnürtes Mieder, die hohe Haube mit Bän-
dern, Hemdärmel, Schürze. Die Schuhe mit Bandt.
Die Kostümblätter zeigen so im allgemeinen, wie
die Kleidung der Mode dem Typus der Zeit ent-
sprach, jedoch nach den Gelegenheiten streng gere-
gelt war, und auch ständig unterschieden. Durch die
Beischriften ist die Verbreitung bestimmter Klei-
dungsstücke und Ausdrücke festgelegt. Manches wie
die Form der Hauben ist in der Bauerntracht fest-
gehalten worden, Mieder und weiter Rock sind
gleichbleibende Elemente. Als Urkunden der bürger-
lichen und bäuerlichen Kleidung jener Zeit sind die
Blätter ein sehr wertvolles Material, da man im all-
gemeinen mehr ein Bild der Mode der höheren Ge-
sellschaft vor Augen hat, die hier vielfach verein-
facht ins Bürgerlich-Ehrbare übertragen ist.
SOLINGENS KLINGENHERSTELLUNG IM WECHSEL DER ZEITEN
VON ALBERT WEYERSBERG
Wie wohl kein anderer Industrieort ist Solingen
seit vielen Jahrhunderten in der weiten Welt
bekannt. Und noch bedeutend früher würde dies
der Fall gewesen sein, wenn die Kölner Kauf-
herren, die seit den ältesten Zeiten den Haupt-
absatz der in Solingen hergestellten Klingen in
Händen hatten, diese nicht als Kölner Erzeugnisse
auf den Markt gebracht und dadurch in erster
Linie den Ruf Kölns gemehrt hätten. Urkundlich
werden „Zolinghe Bande“, d. h. Solinger Gebinde
(Fässer) immerhin schon im Jähre 1252 erwähnt,
nämlich in einer Maklerrolle der Gräfin Margarethe
von Flandern und dem Hennegau1).
Offenbar ist die Solinger Klingenschmiedekunst
uralt und als eine bodenständige aus den ört-
lichen Verhältnissen heraus entstanden2). Zunächst
werden die Eisensteine, die in frühester Zeit in
Solingen wie auch in anderen Gegenden des damals
dicht bewaldeten bergischen Landes beim Urbar-
machen und Ackern zutage kamen, die Bewohner der
noch sehr dünn gesäten Ansiedlungen dazu veran-
laßt haben, ihnen nachzuspüren und sie in Wind-
oder Rennöfen zu schmelzen und zu Äxten, Spaten
und Waffen zu verarbeiten zu suchen. Später mögen
sich, von Köln kommend, gelernte Schmiede und
auch kundige Klingenschmiede den vorhandenen An-
siedlern hinzugesellt haben.
Dann aber beruhte der Aufstieg sowohl der So-
linger Gegend als auch der benachbarten Kronen-
berger und Remscheider Höhen überhaupt auf der
B Höhlbaum, Hansisches Urkundenbuch, B. I Nr. 436,
Halle 1876. Weyersberg, Die erste urkundliche Erwäh-
nung Solinger Waren im Jahre 1252. Die Heimat So-
lingen 1926 S. 31.
2) Z. H. W. K. 2 (11) 36.
geschickten Ausnutzung der zahlreichen für den
Betrieb von Schleifstellen und Hämmern vorzüglich
zu verwertenden Wasserläufe. Aus einer Kölner
Ratsverordnung vom Jahre 1482 wissen wir, daß
es der Kölner Sarworter- und Harnischmacher-
zunft gestattet war, auf 6 Mühlen, die im ber-
gischen Lande wahrscheinlich am Muhrbach bei
Balken lagen, durch dort wohnende Polierer „pleis-
sen“ zu lassen, weil es in Köln an der geeigneten
Wasserkraft fehlte. Ohne solche Arbeitsmöglich-
keiten wäre eine dichtere Besiedlung der Bergischen
Höhen unmöglich gewesen. Aus alledem erwuchs
eine zähe, auf ihr Schaffen stolze Bevölkerung, die
sich, mochte sie auf den Höhen oder im schönen
Tal in ihren sauber gehaltenen Fachwerkhäusern
wohnen, frei fühlte und nach Weiterem strebte als
der bloß Ackerbau betreibende Bewohner der Ebene.
Grundherr von Solagon, welche Bezeichnung nun
allgemein als Solingen gedeutet wird, war bis zu
seinem Ableben im Jahre 965 der bedeutende Erz-
bischof Bruno I. von Köln, der das ehedem wahr-
scheinlich zum königlichen Kameral- oder Fiskal-
gut gehörige durch die Aachener Pfalzgrafen ver-
waltete Großgut für die Kölner Kirche erworben
hatte. Solingen war mithin vom 10. bis zum
13. Jahrhundert sowohl durch die als erzbischöfliche
Lehnsträger anzusehenden Herren von Solingen als
durch die Beziehungen seiner Schmiede zu den
Kölner Kaufherren und Schwertfegern mit Köln
eng verknüpft. Da sich wafferikundlich noch kein
Name und noch keine Marke haben ermitteln las-
sen, die einem damals in Köln arbeitenden Schwert-
schmied zuzuschreiben wären, so darf man wohl
annehmen, daß die viel erwähnten Kölnischen
Schwerter jedenfalls zum größten Teil aus den