HEFT 6
FACHNOTIZEN— SITZUNGSBERICHTE
149
Der Italiener Ramelli hat im Jahre 1588 in einem 195
Blatt umfassenden Kupferdruckwerk seine Ideen über die
Wirkung der Schraube und ähnlicher einfacher technischer
Mittel zu höherer Arbeitsleistung dargestellt. Es handelt
sich also nur um Entwürfe, nicht um praktisch ausge-
führte Dinge; trotzdem ist sein Werk von hoher Bedeu-
tung. Blatt 152 (Abb. 3) zeigt uns die Anfahrt von gedeck-
ten Tankwagen an die durch einen breiten Wassergraben
geschützte Festung. Auf dem Lande werden diese Tanks
durch Pferde gezogen. Am Rande des Grabens werden die
je vier Transporträder vom Fahrzeug gelöst, dieses wird
dann in das Wasser geschoben, um unterstützt von Fahr-
rädern mittels Propeller durch das Wasser getrieben zu
werden. Die Einzelheiten sind aus der Zeichnung genau zu
erkennen. War auch hier aus Mangel an Kraft das Ziel
nicht zu erreichen, so gelten doch auch in diesem Falle die
beiden alten Sprichworte: „Nil novi sub sole“ und „Tarnen
est laudanda voluntas“.
Bernhard RathgenJ-.
S I TZ U N G S
39. Sitzung am 20. Oktober 1926. Anwesend die Herren:
Binder, Cloß, Dreger, Eckhardt, Funck, Ilgner (Mannheim),
Kahlert, Kekule v. Stradonitz, Leonha-rdy, Locht, Michelly,
Post, Rohde, Sonnenberg, Weinitz.
1. Herr Post spricht über den Waffenrock des
„Schwarzen Prinzen“ in der Kathedrale von Can-
terbury.
2. Herr Binder führte die letzten Neuerwerbungen
des Zeughauses vor, darunter eine Reihe mittelalterlicher
Dolche, zwei Schwerter des 9. und 10. Jahrh., einen ein-
gelegten und tauschierten Knebelspieß der gleichen Zeit,
einen bei Gent aufgefundenen Gutentag, einen Harnisch-
kragen mit Kettenpanzer als Nackenschutz um 1500, einen
Landsknechtshut des 16. Jahrh. mit vergoldeten Zierknöp-
fen, einen Anhänger mit vermutlich castilischem Wappen
in Grubenschmelz von einem Reitzeug des 13. Jahrh., eine
Reihe franz. Uniformen und Kopfbedeckungen aus der Zeit
Napoleons I.
3. Herr Kekule von Stradonitz legt vor und bespricht
kurz den Führer durch die Waffensammlung zu Darm-
stadt und die Neuerscheinung: G. Probszt, Der Schatz des
Ordens vom Goldenen Vliess. Eine kulturgeschichtliche Be-
trachtung, Augsburg 1926, mit vielen Lichtbildern, auch sol-
chen von kostümkundlichem und wappenkundlichem Be-
lang.
4. Herr Cloß spricht über die Konstruktion der Schiftung
einer Harnischbrust im Berliner Zeughaus. Vgl. den Auf-
satz S. 97.
40. Sitzung am 24. November 1926. Anwesend: Frau
Dihle, ferner die Herren Binder, Blanckertz, Cloß, Czer-
mak, Deutsch als Gast, Dreger, Eckhardt, Funck, E. Kah-
lert, Kekule v. Stradonitz, Leonhardy, Michelly, Mützel,
Post, Rohde, Dr. Stengel, Dir. d. Märkischen Museums als
Gast, Trapp, Weinitz.
1. Herr Cloß spricht über die Rüstungen der Roland-
statuen in Deutschland. Die Rolandstatuen sind an Stelle
der die Marktgerechtigkeit durch Schwert und Hand-
schuh des Kaisers versinnbildlichenden Kreuze errichtet
worden. Später galten sie auch noch als Symbol des
Blutbanns, so daß vor ihnen Gericht gehalten wurde.
Anfangs waren sie vermutlich von Holz, nach dessen
Zerfall sie aus Stein hergestellt wurden.
Die ältesten erhaltenen Standbilder, alle von riesiger
Größe, 3—6 m hoch, entstammen der 1. Hälfte des 15. Jahr-
hunderts und tragen alle Merkmale der damaligen, in
Norddeutschland etwas archaistischen Tracht: gewölbter
Lendner, unten mit breitem Rittergürtel, Arm- und Bein-
BERICHTE
zeug aus einfachen, nur an den Schultern und Knien ge-
schobenen Schienen, manchmal einen Mantel, immer aber
das erhobene Schwert in der Hand. Sie haben bartloses
Gesicht mit ziemlich kurzen Locken.
Hierher gehören die Rolande von Bremen (1404), Halber-
stadt (1434), Quedlinburg (ca. 1430), Zerbst (1445) und
Brandenburg a.d. Havel. Der letztere soll, nach einer In-
schrift am Stützpfeiler, 1474 errichtet sein, als Nachbildung
der Magdeburger Statue von 1459. Die Rüstung ist teil-
weise forrtgeschrittener als bei den vier ersterwähnten; sie
scheint anstatt des Lendners einen Brustharnisch mit
Schiftung zu tragen, oben am Hals eine unten spitze
Platte, in der Form der Bruststücke von spätgotischen
Büsten. Ferner trägt der unterste Bauchreifen zwei ganz
kurze, in der Mitte zugespitzte Beintaschen. Sehr merk-
würdig ist der Hinterschurz, der aus mehreren horizontalen
Reihen kleiner Plättchen besteht. Das sonstige Arm- und
Beinzeug entspricht dem sonst bei diesen Statuen üblichen.
Ob die Datierung auf 1474 richtig ist, scheint dem Vor-
tragenden, in Anbetracht der ganzen Rüstung, zweifelhaft;
er möchte sie eher früher, etwa auf 1450 datieren. Das
seltsame Halsstück ist jedenfalls sehr eigentümlich, falls
es keine spätere Überarbeitung darstellt. Von den übrigen
Statuen — es sind im ganzen 26, ausschließlich der
oben besprochenen — ist nur der Roland von Stendal
(1525) mit höchst charakteristischer Rüstung mit Kugel-
brust, Bärenfüßen und leichten, strahlenförmigen Kanne-
lierungen (also der erste Anfang der sog. Maximilians-
rüstung) und der von Neuhaidensleben (aus der gleichen
Zeit) bemerkenswert, der aber auch als Reiterstandbild
Heinrichs des Löwen aufgefaßt wird.
Alle anderen .sind aus der 2. Hälfte des 16. oder noch
später, bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts. Teilweise
bieten ihre Rüstungen keinerlei Interesse, teils sind es
Verunstaltungen und Neugestaltungen eines älteren Stand-
bildes.
2. Herr Post stellte die von Ludwig Kaemmerer in
der Zeitschrift (N. F. Bd. 2, 73) veröffentlichte
Zeichnung eines Reiters aus dem Kupferstich-
kabinett der Veste Coburg und ihre Deutung als „be-
rittener Grieswärtel aus einem Kampfspiel um 1430“
zur Diskussion. Ref. beanstandet die Kostümbeschrei-
bung und Datierung. Der Reiter scheint, soweit es die
verkleinerte Wiedergabe der Zeichnung erkennen läßt,
nicht gepanzert zu sein, wie Kaemmerer meint, vielmehr
trägt der bärtige Mann ein anliegendes, hoch um den Hals
schließendes Obergewand von Stoff mit Sackärmeln. Die
kleinen Kreise, die von Kaemmerer anscheinend als Ringe
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Der Italiener Ramelli hat im Jahre 1588 in einem 195
Blatt umfassenden Kupferdruckwerk seine Ideen über die
Wirkung der Schraube und ähnlicher einfacher technischer
Mittel zu höherer Arbeitsleistung dargestellt. Es handelt
sich also nur um Entwürfe, nicht um praktisch ausge-
führte Dinge; trotzdem ist sein Werk von hoher Bedeu-
tung. Blatt 152 (Abb. 3) zeigt uns die Anfahrt von gedeck-
ten Tankwagen an die durch einen breiten Wassergraben
geschützte Festung. Auf dem Lande werden diese Tanks
durch Pferde gezogen. Am Rande des Grabens werden die
je vier Transporträder vom Fahrzeug gelöst, dieses wird
dann in das Wasser geschoben, um unterstützt von Fahr-
rädern mittels Propeller durch das Wasser getrieben zu
werden. Die Einzelheiten sind aus der Zeichnung genau zu
erkennen. War auch hier aus Mangel an Kraft das Ziel
nicht zu erreichen, so gelten doch auch in diesem Falle die
beiden alten Sprichworte: „Nil novi sub sole“ und „Tarnen
est laudanda voluntas“.
Bernhard RathgenJ-.
S I TZ U N G S
39. Sitzung am 20. Oktober 1926. Anwesend die Herren:
Binder, Cloß, Dreger, Eckhardt, Funck, Ilgner (Mannheim),
Kahlert, Kekule v. Stradonitz, Leonha-rdy, Locht, Michelly,
Post, Rohde, Sonnenberg, Weinitz.
1. Herr Post spricht über den Waffenrock des
„Schwarzen Prinzen“ in der Kathedrale von Can-
terbury.
2. Herr Binder führte die letzten Neuerwerbungen
des Zeughauses vor, darunter eine Reihe mittelalterlicher
Dolche, zwei Schwerter des 9. und 10. Jahrh., einen ein-
gelegten und tauschierten Knebelspieß der gleichen Zeit,
einen bei Gent aufgefundenen Gutentag, einen Harnisch-
kragen mit Kettenpanzer als Nackenschutz um 1500, einen
Landsknechtshut des 16. Jahrh. mit vergoldeten Zierknöp-
fen, einen Anhänger mit vermutlich castilischem Wappen
in Grubenschmelz von einem Reitzeug des 13. Jahrh., eine
Reihe franz. Uniformen und Kopfbedeckungen aus der Zeit
Napoleons I.
3. Herr Kekule von Stradonitz legt vor und bespricht
kurz den Führer durch die Waffensammlung zu Darm-
stadt und die Neuerscheinung: G. Probszt, Der Schatz des
Ordens vom Goldenen Vliess. Eine kulturgeschichtliche Be-
trachtung, Augsburg 1926, mit vielen Lichtbildern, auch sol-
chen von kostümkundlichem und wappenkundlichem Be-
lang.
4. Herr Cloß spricht über die Konstruktion der Schiftung
einer Harnischbrust im Berliner Zeughaus. Vgl. den Auf-
satz S. 97.
40. Sitzung am 24. November 1926. Anwesend: Frau
Dihle, ferner die Herren Binder, Blanckertz, Cloß, Czer-
mak, Deutsch als Gast, Dreger, Eckhardt, Funck, E. Kah-
lert, Kekule v. Stradonitz, Leonhardy, Michelly, Mützel,
Post, Rohde, Dr. Stengel, Dir. d. Märkischen Museums als
Gast, Trapp, Weinitz.
1. Herr Cloß spricht über die Rüstungen der Roland-
statuen in Deutschland. Die Rolandstatuen sind an Stelle
der die Marktgerechtigkeit durch Schwert und Hand-
schuh des Kaisers versinnbildlichenden Kreuze errichtet
worden. Später galten sie auch noch als Symbol des
Blutbanns, so daß vor ihnen Gericht gehalten wurde.
Anfangs waren sie vermutlich von Holz, nach dessen
Zerfall sie aus Stein hergestellt wurden.
Die ältesten erhaltenen Standbilder, alle von riesiger
Größe, 3—6 m hoch, entstammen der 1. Hälfte des 15. Jahr-
hunderts und tragen alle Merkmale der damaligen, in
Norddeutschland etwas archaistischen Tracht: gewölbter
Lendner, unten mit breitem Rittergürtel, Arm- und Bein-
BERICHTE
zeug aus einfachen, nur an den Schultern und Knien ge-
schobenen Schienen, manchmal einen Mantel, immer aber
das erhobene Schwert in der Hand. Sie haben bartloses
Gesicht mit ziemlich kurzen Locken.
Hierher gehören die Rolande von Bremen (1404), Halber-
stadt (1434), Quedlinburg (ca. 1430), Zerbst (1445) und
Brandenburg a.d. Havel. Der letztere soll, nach einer In-
schrift am Stützpfeiler, 1474 errichtet sein, als Nachbildung
der Magdeburger Statue von 1459. Die Rüstung ist teil-
weise forrtgeschrittener als bei den vier ersterwähnten; sie
scheint anstatt des Lendners einen Brustharnisch mit
Schiftung zu tragen, oben am Hals eine unten spitze
Platte, in der Form der Bruststücke von spätgotischen
Büsten. Ferner trägt der unterste Bauchreifen zwei ganz
kurze, in der Mitte zugespitzte Beintaschen. Sehr merk-
würdig ist der Hinterschurz, der aus mehreren horizontalen
Reihen kleiner Plättchen besteht. Das sonstige Arm- und
Beinzeug entspricht dem sonst bei diesen Statuen üblichen.
Ob die Datierung auf 1474 richtig ist, scheint dem Vor-
tragenden, in Anbetracht der ganzen Rüstung, zweifelhaft;
er möchte sie eher früher, etwa auf 1450 datieren. Das
seltsame Halsstück ist jedenfalls sehr eigentümlich, falls
es keine spätere Überarbeitung darstellt. Von den übrigen
Statuen — es sind im ganzen 26, ausschließlich der
oben besprochenen — ist nur der Roland von Stendal
(1525) mit höchst charakteristischer Rüstung mit Kugel-
brust, Bärenfüßen und leichten, strahlenförmigen Kanne-
lierungen (also der erste Anfang der sog. Maximilians-
rüstung) und der von Neuhaidensleben (aus der gleichen
Zeit) bemerkenswert, der aber auch als Reiterstandbild
Heinrichs des Löwen aufgefaßt wird.
Alle anderen .sind aus der 2. Hälfte des 16. oder noch
später, bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts. Teilweise
bieten ihre Rüstungen keinerlei Interesse, teils sind es
Verunstaltungen und Neugestaltungen eines älteren Stand-
bildes.
2. Herr Post stellte die von Ludwig Kaemmerer in
der Zeitschrift (N. F. Bd. 2, 73) veröffentlichte
Zeichnung eines Reiters aus dem Kupferstich-
kabinett der Veste Coburg und ihre Deutung als „be-
rittener Grieswärtel aus einem Kampfspiel um 1430“
zur Diskussion. Ref. beanstandet die Kostümbeschrei-
bung und Datierung. Der Reiter scheint, soweit es die
verkleinerte Wiedergabe der Zeichnung erkennen läßt,
nicht gepanzert zu sein, wie Kaemmerer meint, vielmehr
trägt der bärtige Mann ein anliegendes, hoch um den Hals
schließendes Obergewand von Stoff mit Sackärmeln. Die
kleinen Kreise, die von Kaemmerer anscheinend als Ringe