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OTMAR BARON POTIER: ZINSSCHWERTER
BAND 2
ZINSSCHWERTER
VON OTMAR BARON POTIER
Sinnige und sinnliche Kraft, eine anschauliche,
häufig behaglich-launige, mitunter sogar zu dichte-
rischem Schwung sich erhebende Ausdrucksweise
kennzeichnet die Sätze des leider in seinen Kinder-
schuhen stecken gebliebenen deutschen Rechtes, des-
sen Rechtshandlungen kernig im Inhalt wie in der
Form waren. Der sittliche Grundzug des deutschen
Rechtes äußert sich vor allem in der nachdrück-
lichen Betonung der Ehre und Treue, die allzeit die
Leitsterne des germanischen Rechtsempfindens ge-
wesen sind. Dem Germanen war das höchste ideelle
Gut auf Erden die Ehre. Als der Ehre Zwillings-
schwester galt aber nach germanischer Anschauung
die Treue. „Alle Ehre kommt von der Treue“ sagt
eine Glosse zum Sachsenspiegel, welchen Gedan-
ken noch Friedrich Wilhelm v. Sdhlegel in den
schönen Satz zusammengefaßt hatte „Die Treue
ist der Ehre Mark“.
In seinem Formenwesen liebte das deutsche Recht
eine handgreifliche Symbolik. Zum Zeichen der
Verstoßung eines Verfemten aus der Gemeinschaft
der Dorfgenossen zerzausten diese jenem das Stroh-
dach, verpfählten ihm die Haustür, schütteten ihm
Erde in den Brunnenschacht. Wie der Besiegte
unter einem aufgerichteten Joch hindurchschlich und
sich damit sinnbildlich dem Sieger als Zugtier dar-
bot, so trug der Gnade heischende politische Misse-
täter je nach seinem Stand ein bloßes Schwert oder
den Weidenstrick am Halse hängend oder um den Hals
geschlungen zum Zeichen dafür, daß er es verdient
hätte, enthauptet oder auf geknüpft zu werden. Um
das Demütigende derartiger Bußgänge jedermann
recht augenfällig zu machen, mußte der Bußfertige in
einem ärmlichen Gewand und barbeinig vor seinem
Richter erscheinen. Man denke nur an den König
Heinrich in Canossa, an den Bittgang der beiden
Staufen Friedrich und Konrad zu König Lotar,
an die Bittprozessionen der Mailänder in das Lager
Barbarossas hinaus. Reste dieser Formen der öf-
fentlichen Buße erhielten sich in der Gestalt der
bäuerlichen Rügegerichte, wie des westfälischen
„Freien Feldgerichtes“, des oberbayerischen „Ha-
berfeldtreibens“ fast bis in die Gegenwart. Auch
die Ordnungsstrafen des Satteltragens bei der Ka-
vallerie, das Antretenmüssen des einzelnen Infante-
risten mit Sack und Pack bei der Befehlsausgabe
sind Überbleibsel dieser alten Rechtsbräuche, ein
militärisches Anprangern.
Was der Einzelne meist zu haben pflegte, darin
wurde ihm die Schatzung auferlegt. Der Zins an
Kleinvieh (Fastnachtshuhn), am Ertrag des Gutes
war darum eine ganz gewöhnliche Nebenabgabe des
hörigen Bauers. Des reisigen Mannes Fahrnisse
bestanden aber meist nur aus seinem Waffenkleid
und dessen Zubehör. Also griff ursprünglich der
Lehensherr auf dieses Gut seines Dienstmannes.
„De edelste nimt dat swerdt to voren, dat beste ors
(d. i. das Streitroß) oder perd gesadelt unde dat
beste harnasch“: diese Stücke durfte nach Sachsen-
recht der Lehensherr aus der Verlassenschaft des
unfreien Lehensmannes für sich vorwegnehmen. Im
kaiserlichen Heer lebte dieses Recht auf das mili-
tärische Besthaupt in der Form des „Douceurs“
bis 1769 fort. Zu den Privilegien des Regiments-
inhabers gehörte es, daß derselbe beim Tod eines
Offiziers seines Regimentes Anspruch hatte auf ein
Pferd oder auf hundert Dukaten; starb ein Offi-
zier ohne Testament oder ohne Erben, so fiel dem
Regimentsinhaber der ganze Nachlaß des Offi-
ziers zu.
Das vornehmste Stück der Mannesrüstung war
und blieb jedoch immer das Schwert. Diese hoch-
geschätzte Waffe, in welche die Romantik der Skal-
den und Minnesänger so viel Sinniges hineinge-
heimnist hatte, war natürlich wie dazu geschaffen,
auch in Brauch und Sitte eine bedeutungsvolle
Rolle zu spielen. Es ist nun merkwürdig zu sehen,
wie noch im späten Mittelalter, ja sogar noch an
der Schwelle des 17. Jahrhunderts das Schwert auch
im Verwaltungsleben diese ehrenvolle Aufgabe zu
erfüllen hatte.
Diese Fälle ereigneten sich auf dem Boden des
alten Österreich. Der eine, der ältere Fall in
Österreichs slavischem Teil, der damals allerdings
noch vom deutschen Westen gerad in den Städten
stark beeinflußt war — man denke nur an die dem
Magdeburger, dem Breslauer Recht nach gebildeten
Stadtrechte im slavischen Osten — der andere, jün-
gere Fall im bajuvarischen Oberösterreich.
In dem Fall aus älterer Zeit ist die Zinsung eines
Schwertes einer Auszeichnung gleich zu achten.
Der Zinspflichtige war die königliche Kreisstadt
Ungarisdh-Hradisch (Uhersky Hradis) in Mähren.
Die Bürger von Hradisch, welche Stadt wegen ihrer
Lage an der ungarischen Grenze einem „für Pfeile
ausgesteckten Ziel“ gleiche, hatten sich stets durch
OTMAR BARON POTIER: ZINSSCHWERTER
BAND 2
ZINSSCHWERTER
VON OTMAR BARON POTIER
Sinnige und sinnliche Kraft, eine anschauliche,
häufig behaglich-launige, mitunter sogar zu dichte-
rischem Schwung sich erhebende Ausdrucksweise
kennzeichnet die Sätze des leider in seinen Kinder-
schuhen stecken gebliebenen deutschen Rechtes, des-
sen Rechtshandlungen kernig im Inhalt wie in der
Form waren. Der sittliche Grundzug des deutschen
Rechtes äußert sich vor allem in der nachdrück-
lichen Betonung der Ehre und Treue, die allzeit die
Leitsterne des germanischen Rechtsempfindens ge-
wesen sind. Dem Germanen war das höchste ideelle
Gut auf Erden die Ehre. Als der Ehre Zwillings-
schwester galt aber nach germanischer Anschauung
die Treue. „Alle Ehre kommt von der Treue“ sagt
eine Glosse zum Sachsenspiegel, welchen Gedan-
ken noch Friedrich Wilhelm v. Sdhlegel in den
schönen Satz zusammengefaßt hatte „Die Treue
ist der Ehre Mark“.
In seinem Formenwesen liebte das deutsche Recht
eine handgreifliche Symbolik. Zum Zeichen der
Verstoßung eines Verfemten aus der Gemeinschaft
der Dorfgenossen zerzausten diese jenem das Stroh-
dach, verpfählten ihm die Haustür, schütteten ihm
Erde in den Brunnenschacht. Wie der Besiegte
unter einem aufgerichteten Joch hindurchschlich und
sich damit sinnbildlich dem Sieger als Zugtier dar-
bot, so trug der Gnade heischende politische Misse-
täter je nach seinem Stand ein bloßes Schwert oder
den Weidenstrick am Halse hängend oder um den Hals
geschlungen zum Zeichen dafür, daß er es verdient
hätte, enthauptet oder auf geknüpft zu werden. Um
das Demütigende derartiger Bußgänge jedermann
recht augenfällig zu machen, mußte der Bußfertige in
einem ärmlichen Gewand und barbeinig vor seinem
Richter erscheinen. Man denke nur an den König
Heinrich in Canossa, an den Bittgang der beiden
Staufen Friedrich und Konrad zu König Lotar,
an die Bittprozessionen der Mailänder in das Lager
Barbarossas hinaus. Reste dieser Formen der öf-
fentlichen Buße erhielten sich in der Gestalt der
bäuerlichen Rügegerichte, wie des westfälischen
„Freien Feldgerichtes“, des oberbayerischen „Ha-
berfeldtreibens“ fast bis in die Gegenwart. Auch
die Ordnungsstrafen des Satteltragens bei der Ka-
vallerie, das Antretenmüssen des einzelnen Infante-
risten mit Sack und Pack bei der Befehlsausgabe
sind Überbleibsel dieser alten Rechtsbräuche, ein
militärisches Anprangern.
Was der Einzelne meist zu haben pflegte, darin
wurde ihm die Schatzung auferlegt. Der Zins an
Kleinvieh (Fastnachtshuhn), am Ertrag des Gutes
war darum eine ganz gewöhnliche Nebenabgabe des
hörigen Bauers. Des reisigen Mannes Fahrnisse
bestanden aber meist nur aus seinem Waffenkleid
und dessen Zubehör. Also griff ursprünglich der
Lehensherr auf dieses Gut seines Dienstmannes.
„De edelste nimt dat swerdt to voren, dat beste ors
(d. i. das Streitroß) oder perd gesadelt unde dat
beste harnasch“: diese Stücke durfte nach Sachsen-
recht der Lehensherr aus der Verlassenschaft des
unfreien Lehensmannes für sich vorwegnehmen. Im
kaiserlichen Heer lebte dieses Recht auf das mili-
tärische Besthaupt in der Form des „Douceurs“
bis 1769 fort. Zu den Privilegien des Regiments-
inhabers gehörte es, daß derselbe beim Tod eines
Offiziers seines Regimentes Anspruch hatte auf ein
Pferd oder auf hundert Dukaten; starb ein Offi-
zier ohne Testament oder ohne Erben, so fiel dem
Regimentsinhaber der ganze Nachlaß des Offi-
ziers zu.
Das vornehmste Stück der Mannesrüstung war
und blieb jedoch immer das Schwert. Diese hoch-
geschätzte Waffe, in welche die Romantik der Skal-
den und Minnesänger so viel Sinniges hineinge-
heimnist hatte, war natürlich wie dazu geschaffen,
auch in Brauch und Sitte eine bedeutungsvolle
Rolle zu spielen. Es ist nun merkwürdig zu sehen,
wie noch im späten Mittelalter, ja sogar noch an
der Schwelle des 17. Jahrhunderts das Schwert auch
im Verwaltungsleben diese ehrenvolle Aufgabe zu
erfüllen hatte.
Diese Fälle ereigneten sich auf dem Boden des
alten Österreich. Der eine, der ältere Fall in
Österreichs slavischem Teil, der damals allerdings
noch vom deutschen Westen gerad in den Städten
stark beeinflußt war — man denke nur an die dem
Magdeburger, dem Breslauer Recht nach gebildeten
Stadtrechte im slavischen Osten — der andere, jün-
gere Fall im bajuvarischen Oberösterreich.
In dem Fall aus älterer Zeit ist die Zinsung eines
Schwertes einer Auszeichnung gleich zu achten.
Der Zinspflichtige war die königliche Kreisstadt
Ungarisdh-Hradisch (Uhersky Hradis) in Mähren.
Die Bürger von Hradisch, welche Stadt wegen ihrer
Lage an der ungarischen Grenze einem „für Pfeile
ausgesteckten Ziel“ gleiche, hatten sich stets durch