HEFT 4 E. A. GESSLER: EINE SCHILDERUNG DER RITTERLICHEN BEWAFFNUNG VON 1337
75
EINE SCHILDERUNG DER RITTERLICHEN BEWAFFNUNG VON 1337
VON E. A. GESSLER
Die Literatur des 14. Jahrhunderts, welche auf dem
Boden der nachmaligen schweizerischen Eidgenossen-
schaft blühte, ergibt, was Nachrichten über die Be-
waffnung betrifft, nur karge Früchte. Doppelt dank-
bar sind wir daher, wenn wir auf Stellen stoßen, die
nicht nur für den Einzelfall wichtig sind, sondern all-
gemeines Interesse erwecken. Kunrat von Ammen-
hausen schildert im Schachzabelbuch1) das Äußere
eines Ritters seiner Zeit, der ersten Hälfte des 14.
Jahrhunderts, Vers 5821 ff.
„Sid ich von dem alten hän
geseit, sö wil ich heben an
und von der geschepfde des riters sagen.
ein riter der sol-an tragen
5825 ein ganzes harnesch; swas darzuo sol
gehören, daz im gezeme wol,
das sag ich, ob irs wellent losen:
halsperg, schös und isnin hosen,
büchel, beinbergen oder knieling genant
5830 (si wissen wol, den es ist erkant,
swas notdürftig ist an du bein;
niht anders wan das selbe ich mein);
koller, beggenhüben und darzuo
einen guoten heln; zwen isnin hentschuo
5835 sol er an sinen henden hän.
er sol den schilt niht hinder im län,
— ein sper in siner rehten hant
(alsus tet mir dis buoch bekant),
ze siner linggen siten ein swert,
5840 ein platen mit ketenen; swer ze wissen gert,
der wisse: er sol niht äne sin
der sporn; ein deki guot isnin
im sin ros verdeken sol.
das ros sol sin geleret wol,
5845 das es sinen willen tuo.
hat er ein wäfenkleit darzuo
und hat däbi eins mannes muot,
sö ist er ze einem riter guot2 * *)."
Die obigen Verse geben uns ein genaues Waffen-
verzeichnis und ein Bild, wie wir uns die ritterliche
x) Das Schachzabelbuch Kunrats von Ammenhausen,
Mönchs und Leutpriesters zu Stein am Rhein, nebst den
Schachbüchern des Jakob von Cessole und des Jakob
Mennel. Hrg. v. Ferdinand Vetter, Frauenfeld, Huber,
1887. S. 223.
2) Vetter erklärt in den Anmerkungen zu Teil 2, Kap. 4,
einige Ausdrücke des oben gegebenen Textes:
Bewaffnung zur Zeit der Schlacht von Laupen, 1339,
zu denken haben.
Die Quelle Kunrats von Ammenhausen, der sein
Buch über das Schachspiel 1337 verfaßte3), war das
Werk eines lombardischen Geistlichen Jacobus de
Cessolis, vom Predigerorden, der das Schachspiel
symbolisch auffaßte und mit dem menschlichen Leben
in Verbindung brachte. Es ist lateinisch geschrieben
und zu Ende des 13. Jahrhunderts vollendet wor-
den4). Der Sittenprediger schildert also oberitalieni-
sche Zustände, Sitten, Gebräuche und Trachten, der
Thurgauer Bearbeiter übertrug das Werk in deutsche
Verse und bezog seinen Inhalt auf das Leben und
Treiben seiner Umgebung. Wir haben also, trotz der
italienischen Vorlage eine Umarbeitung, Dichtung
dürfen wir wohl kaum sagen, vor uns, die wir als
bedeutsame kulturgeschichtliche Quelle für die Bo-
denseegegend in der ersten Hälfte des 14. Jahrhun-
derts in Anspruch nehmen dürfen.
Hier folge der Text de Cessolis (vgl. Vetter w. o.)
zum Vergleich: ,,De milite. Militem super equum et
omnibus armis decoratum sic formatum noverimus.
Habet enim galeam in capite, hastam in manu dextra;
clipeo protextus fuit in Ieva, ensis et clava in eadem,
loricam in corpore, pletas in pectore, ocreas ferreas
in tibiis, calcaria in pedibus, anbabus ferratas ciro-
thecas manibus, equus doctus ad bellum et aptum,
coopertum phaleribus.“ Diese Angaben des Italieners
vervollkommnet nun Kunrat aus eigener Anschauung.
Obwohl selbst nicht edeln Geschlechts, sondern ein
Bauernsohn, hatte er als Leutpriester und Mönch des
St. Georgenklosters zu Stein am Rhein genügend Ge-
legenheit, die ritterliche Ausrüstung zu sehen. Tront
doch über Stein der Hohenklingen, die Burg der
165 (zu V. 5828) schöz als ein Teil der Rüstung, gleich-
bedeutend mit gere, auch (mit platen verbunden) bei
Suchenwirt: Mhd. WB. 2, 2, 175 a.
166 (zu V. 5829) büchel (auch Kolm, hat bühel) = buckel
oder = nhd. Bügel?
167 (zu V. 5833) beckenhübe für das gewöhnlichere
bickel- oder beckelhübe auch bei Closener: Mhd. WB. 1,
724 a. Doch vgl. Lexer, Mhd. Handwörterbuch. 1, 263.
168 (zu V. 5840) Die plate, blate, wird vor der Brust
über dem Halsberg an Ketten getragen. (Völlig falsche
Erklärung.)
3) Vgl. Vetter, Einl. S. XXXIX ff. Jacobi de Cessolis
Solacium Ludi Scachorum.
4) „De moribus hominum et de officiis nobilium super
ludo scaccorum.“
10
75
EINE SCHILDERUNG DER RITTERLICHEN BEWAFFNUNG VON 1337
VON E. A. GESSLER
Die Literatur des 14. Jahrhunderts, welche auf dem
Boden der nachmaligen schweizerischen Eidgenossen-
schaft blühte, ergibt, was Nachrichten über die Be-
waffnung betrifft, nur karge Früchte. Doppelt dank-
bar sind wir daher, wenn wir auf Stellen stoßen, die
nicht nur für den Einzelfall wichtig sind, sondern all-
gemeines Interesse erwecken. Kunrat von Ammen-
hausen schildert im Schachzabelbuch1) das Äußere
eines Ritters seiner Zeit, der ersten Hälfte des 14.
Jahrhunderts, Vers 5821 ff.
„Sid ich von dem alten hän
geseit, sö wil ich heben an
und von der geschepfde des riters sagen.
ein riter der sol-an tragen
5825 ein ganzes harnesch; swas darzuo sol
gehören, daz im gezeme wol,
das sag ich, ob irs wellent losen:
halsperg, schös und isnin hosen,
büchel, beinbergen oder knieling genant
5830 (si wissen wol, den es ist erkant,
swas notdürftig ist an du bein;
niht anders wan das selbe ich mein);
koller, beggenhüben und darzuo
einen guoten heln; zwen isnin hentschuo
5835 sol er an sinen henden hän.
er sol den schilt niht hinder im län,
— ein sper in siner rehten hant
(alsus tet mir dis buoch bekant),
ze siner linggen siten ein swert,
5840 ein platen mit ketenen; swer ze wissen gert,
der wisse: er sol niht äne sin
der sporn; ein deki guot isnin
im sin ros verdeken sol.
das ros sol sin geleret wol,
5845 das es sinen willen tuo.
hat er ein wäfenkleit darzuo
und hat däbi eins mannes muot,
sö ist er ze einem riter guot2 * *)."
Die obigen Verse geben uns ein genaues Waffen-
verzeichnis und ein Bild, wie wir uns die ritterliche
x) Das Schachzabelbuch Kunrats von Ammenhausen,
Mönchs und Leutpriesters zu Stein am Rhein, nebst den
Schachbüchern des Jakob von Cessole und des Jakob
Mennel. Hrg. v. Ferdinand Vetter, Frauenfeld, Huber,
1887. S. 223.
2) Vetter erklärt in den Anmerkungen zu Teil 2, Kap. 4,
einige Ausdrücke des oben gegebenen Textes:
Bewaffnung zur Zeit der Schlacht von Laupen, 1339,
zu denken haben.
Die Quelle Kunrats von Ammenhausen, der sein
Buch über das Schachspiel 1337 verfaßte3), war das
Werk eines lombardischen Geistlichen Jacobus de
Cessolis, vom Predigerorden, der das Schachspiel
symbolisch auffaßte und mit dem menschlichen Leben
in Verbindung brachte. Es ist lateinisch geschrieben
und zu Ende des 13. Jahrhunderts vollendet wor-
den4). Der Sittenprediger schildert also oberitalieni-
sche Zustände, Sitten, Gebräuche und Trachten, der
Thurgauer Bearbeiter übertrug das Werk in deutsche
Verse und bezog seinen Inhalt auf das Leben und
Treiben seiner Umgebung. Wir haben also, trotz der
italienischen Vorlage eine Umarbeitung, Dichtung
dürfen wir wohl kaum sagen, vor uns, die wir als
bedeutsame kulturgeschichtliche Quelle für die Bo-
denseegegend in der ersten Hälfte des 14. Jahrhun-
derts in Anspruch nehmen dürfen.
Hier folge der Text de Cessolis (vgl. Vetter w. o.)
zum Vergleich: ,,De milite. Militem super equum et
omnibus armis decoratum sic formatum noverimus.
Habet enim galeam in capite, hastam in manu dextra;
clipeo protextus fuit in Ieva, ensis et clava in eadem,
loricam in corpore, pletas in pectore, ocreas ferreas
in tibiis, calcaria in pedibus, anbabus ferratas ciro-
thecas manibus, equus doctus ad bellum et aptum,
coopertum phaleribus.“ Diese Angaben des Italieners
vervollkommnet nun Kunrat aus eigener Anschauung.
Obwohl selbst nicht edeln Geschlechts, sondern ein
Bauernsohn, hatte er als Leutpriester und Mönch des
St. Georgenklosters zu Stein am Rhein genügend Ge-
legenheit, die ritterliche Ausrüstung zu sehen. Tront
doch über Stein der Hohenklingen, die Burg der
165 (zu V. 5828) schöz als ein Teil der Rüstung, gleich-
bedeutend mit gere, auch (mit platen verbunden) bei
Suchenwirt: Mhd. WB. 2, 2, 175 a.
166 (zu V. 5829) büchel (auch Kolm, hat bühel) = buckel
oder = nhd. Bügel?
167 (zu V. 5833) beckenhübe für das gewöhnlichere
bickel- oder beckelhübe auch bei Closener: Mhd. WB. 1,
724 a. Doch vgl. Lexer, Mhd. Handwörterbuch. 1, 263.
168 (zu V. 5840) Die plate, blate, wird vor der Brust
über dem Halsberg an Ketten getragen. (Völlig falsche
Erklärung.)
3) Vgl. Vetter, Einl. S. XXXIX ff. Jacobi de Cessolis
Solacium Ludi Scachorum.
4) „De moribus hominum et de officiis nobilium super
ludo scaccorum.“
10