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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]; Verein für Historische Waffenkunde [Contr.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 2.1926-1928

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Band 2, Heft 8
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Fachnotizen
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https://doi.org/10.11588/diglit.69978#0207

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HEFT 8

FACHNOTIZEN

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nämlich ein reliefiertes und ziseliertes Wappen: Gitter-
helm mit doppeltem Flug als Zimier, nebst Helmdecke,
Schild mit von links nach rechts laufendem Schrägbalken.
v
Der Schild ist umgeben von Initialen: HC D G. Bei
16 39
genauer Prüfung erkennt man, daß dieses Wappen erst
später, wohl 1639, aus einem ursprünglich stummen, großen
und erhabenen Schild in der Form der 1. Hälfte des 16.
Jahrhunderts herausgemeißelt und die frühere Umrißlinie
sorgfältig verwischt worden ist1). So konnte die Mei-
nung entstehen, das Rohr sei ein Guß von 1639 und die
Inschrift von einem vergossenen Stück von 1533 als
Erinnerung herübergenommen. Das trifft nicht zu, und
wir haben in dieser Feldschlange ein authentisches Werk
des bekannten Straßburger Meisters vor uns. Hier noch
einige Maßangaben: Gesamtlänge vom Stoßbodenrand
bis zur Mündung 177 cm, Kaliber 6,7 cm, Mündungshöhe
19 cm, Umfang: am höchsten Fries des Stoßbodens 84 cm,
beim Zündloch 65 cm, bei den Schildzapfen gegen die Hen-
kel 58 cm, am Anfang des Langfelds 58 cm, am Ende 41 cm,
Länge der Schildzapfen 6,8 cm, Durchmesser 6,2 cm.
Das andere Rohr entspricht in seinem Aufbau dem oben
geschilderten bei etwas kleineren Ausmaßen und verrin-
gertem Umfang, jedoch verstärkter dickerer Mündung. Die
Abweichungen folgen. Der höchste Fries am Kammerstück
ist etwas beschädigt, dafür aber hat sich der Zündloch-
deckel mit Scharnier erhalten. Auf der Oberseite des Hin-
terfelds sehen wir einen erhabenen stummen Schild, ent-
sprechend den noch erkennbaren Umrissen eines solchen
auf dem vorigen Rohr. Ferner treffen wir eine wohl spä-
ter eingegrabene Gewichtsbezeichnung: „6501/2, 2 Pfd.“
und darunter nochmals ein „2“. Das Kopfstück weicht da-
gegen erheblich vom ersten ab. Den Übergang vom Lang-
feld bildet ein gelappter Blattfries, daraus aufsteigend fol-
gen zwei Hohlkehlenbänder, mit einem Querwulstring, dar-
auf wieder eine Hohlkehle, welche in einen zum Rohr paral-
lel laufenden Bandfries überleitet. Dieser ist gebildet durch
abwechselnde senkrecht stehende ovale Einbuchtungen mit
je drei übereinanderliegenden Querstrichen dazwischen, an
diesen schließt sich die Majuskelumschrift rundum laufend
an: ,,M * IOERG * ZV * TRASBVRG * GOS * MICH“ ; das
,,S“ durch ein, aufgesetztes Korn verdeckt. An diesen Fries
schließt sich ein doppelter Querwulstring mit einem zur
Mündung halbrund abfallenden Wulstrand an.
Die Länge und das Kaliber entsprechen dem vorigen
Stück, hingegen ist der Umfang etwas geringer.
Die beiden Rohre werden zum ehemaligen Zeughausbe-
stand der Stadt Neuenburg gehört haben; näheres über ihre
Herkunft und ihre Schicksale bis zur Aufstellung im histo-
rischen Museum der obigenStadt ist mir nicht bekannt ge-
worden. In den beiden Führern durch die Sammlungen
werden sie nur kurz erwähnt2).
Die Neuenburger Falkonen gehören zweifellos zu den
Büchsen, die Meister Jörg Guntheim, der Büchsengießer
0 Das Rohr ist leider ziemlich unzugänglich senkrecht aufgestellt, sodaß
bei einer ersten Untersuchung mir obige Tatsache entgangen ist: aus
diesem Grund konnten auch 1924 keine weiteren Vermessungen vorgenommen
werden, z. B. der Seelenlänge, ebenso keine photographische Aufnahme.
2) Notice sur le Musöe historique de Neuchätel par A. Godet, 1898. S. 16.
„deux fauconneaux en bronze du XVI me sidcle, de maitre Joerg de Straß-
bourg“. Abb. S. 10. „Vestibüle du Musöe historique le 20 juin 1898.“ Ferner,
Musöe hist. Notice et Guide sommaire par C. A. Michel etc. 1913. S. 3. „2
canons en bronze portant l’inscription: Meister Joerg hat triYch zu Straßburg
gosen 1533.“ Abb. S. 38. Beide Abbildungen ungenügend, da der ganze
Vorsaal wiedergegeben wird.

zu Straßburg für die „aidgnossen“ goß, denn die Stadt war
seit 1406 mit Bern verburgrechtet und stand auch sonst mit
den eidgenössischen Orten in näheren Beziehungen. Da die
Wappenschilde auf den Rohren ursprünglich leer waren,
können sie jedenfalls nicht von Neuenburg bestellt worden
sein; sie sind wohl vom Gießer im voraus verfertigt wor-
den und waren zum Verkauf im Bedarfsfälle bestimmt; ein
Wappen einzumeißeln konnte bei der Dicke des stummen
Schildes keine Schwierigkeiten bieten, wie ja das Beispiel
auf dem einen Rohr zeigt. Daß die Werkstatt Joergs von
Guntheim in den 1530 er Jahren in Blüte stand, ist be-
kannt, ebenso, daß er „Schlangen“ und „Bockstücke“ klei-
neren Kalibers goß. Sehr wahrscheinlich sind die in Neu-
enburg aufbewahrten Rohre durch Kauf an einen eidge-
nössischen Ort, vielleicht an Basel oder Bern, übergegangen
und auf nicht mehr festzustellende Weise nach Neuchätel
gewandert. Soviel ich weiß, sind es die einzigen Geschütze
dieses Kalibers, welche sich von dem berühmten Straß-
burger Meister erhalten haben3).
Eduard. A. Geßler.
Zum Aufsatz: Berittener Grieswärtel usw. 1926 Heft 4.
Es wäre erfreulich, wenn diese Zeilen uns „einer engeren
zeitlichen und örtlichen Eingrenzung“ des interessanten Ko-
stümbildes um einen Schritt näher bringen könnten. Im
Besitze der Ungarischen Akademie der Wissenschaften be-
findet sich eine Handschrift: Liber de septem signis, sym-
bolistische Darstellungen der Himmelskörper, Planeten in
Farben ausgeführt enthaltend. Die Handschrift ist erst in
neuerer Zeit aus dem Eski-Sera'i zu Stambul nach Budar-
pesth gelangt; ihre Entstehungszeit dürfte wohl in die
ersten Jahrzehnte des XV. Jahrhunderts fallen.
Von diesen Blättern sind zwei: Sonne und Venus, auf
Grund von photographischen Aufnahmen in der „Geschichte
der ungarischen Nation“ von A. Szilägyi, III. 533, 588, in
der Meinung wiedergegeben worden, daß diese Kaiser Si-
gismund und dessen Gattin Barbara vonCilli darstellen könn-
ten. Gewisse typische Einzelheiten weisen eine Ähnlich-
keit mit dem Grieswärtelbilde auf, und lassen eine ein-
gehende Prüfung des Liber de septem signis in dessen
vollem Umfange empfehlenswert erscheinen.
1. Die Sonne; auf nach rechts sprengendem Pferde sitzt
ein Mann mit langem Haar und Bart, auf dem Haupte die
Kaiserkrone; schellenbesetzter Dupsing: lange flatternde
Armei mit glattem Rand; in der erhobenen Rechten ein
kurzer Stab, in der Linken Lanze mit gespaltenem Wimpel
(guidon) bezeichnet mit einem Sonnengesicht. Die am Rande
sonnenstrahlenförmig ausgezackte Roßstirn trägt einen in
der Längsrichtung aufgesetzten, sechszackigen Kamm oder
Grat, jede Spitze mit einer Straußenfeder besteckt. Der mit
Nesteln an den geschweiften Vordersteg des Sattels be-
festigte Fürbug zeigt vorne mit Straußenfederbüschen ge-
schmückte, schneckenähnlich gewundene Knäufe. Vom Sat-
tel wallt eine glatte, die Hinterhand des Pferdes teilweise
verhüllende Decke.
2. Venus. Auf rechtssprengendem Pferde Dame, nach
Männerart im Turniersattel im hohen Zeug sitzend; Kopf-
tuch (Krüseler?) und Ärmel des stark ausgeschnittenen Klei-

3) Vgl. Z. H. W. K. 6, 57/61. Beiträge z. altschweizer. Geschützwesen,
d. großen Geschütze aus dem Zeughausbestand der Stadt Basel, v. E. A.
Geßler. Ferner: ib. 8, 280ff. Der Glocken-u. Büchsengießer Georg Guntheim
von Straßburg, v. Otto Winckelmann. Dsgl. 9. 103/105 Frankfurter Prunkge-
schütze u. ihre Meister, v. B. Rathgen.

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