HEFT 5
HERMANN GOETZ: BEITRÄGE ZUR INDISCHEN WAFFENKUNDE
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dert, die Zeit der Auflösung des Chola-Reiches. Von
der Kunst dieses Staates ist uns zwar nicht genug er-
halten, um hieraus Folgerungen ziehen zu können,
aber die Architektur derHoysala-Könige inMaisur35)
zeigt zum ersten Male jene allgemeine Auflösung aller
Gestalten in barockes, schweres Blattwerk, welches
bis heute die Künstler in Tanjore30) und Nordcey-
lon weiterpflegen. Andererseits findet sie sich in der
Plastik der späteren Pälakönige Bengalens, welche
unter dem Einfluß der Cholas standen. Die Chola-
Herrscher37 *) aber trugen ihre Waffen bis nach Ara-
kan, Malakka und Sumatra, und auch nach dem Nie-
dergang ihres Reiches bestand ein reger Handelsver-
kehr zwischen Südindien und Indonesien, wie das
chinesische Handbuch Chu-fan-chi des Chao-Ju-
kua36) aus dem 13. Jahrhundert verrät. Hierbei ist
wohl dieser Waffentgp nach Java vermittelt worden,
noch in einer Zeit, als der Islam in Südindien sowohl
wie in Java noch nicht sich fühlbar machte; denn die
islamischen Komponenten fehlen noch ganz auf den
javanischen Schwertern, während die uns erhaltenen
südindischen längst den Handschutz nach persischem
Vorbilde angefügt haben. Die Beziehungen können
aber auch später nicht abgebrochen sein, denn die
Ornamentik beider Gebiete zeigt soviel gegenseitige
Ähnlichkeiten, und gerade an den Krissen, daß es
fraglich erscheinen muß, ob dies nur eine parallele
Entwicklung aus der gemeinsamen Wurzel der Chola-
Kultur sein mag.
Am jüngsten sind dann die Krisse mit Pferdeköp-
fen39) und ähnlichem. Freilich hat sich auch hier die
einheimische Überlieferung zäh gehalten, so daß man
— drollig genug — am Hals oder Rücken dieser
neuen Grifftypen oft genug auf das Relief eines Ga-
ruda oder die Maske eines Räkshasa stoßen kann.
Aber das Motiv selber ist der persisch-türkischen
Kunst entnommen, wo es seit etwa dem 16./17. Jahr-
hundert sehr häufig geworden ist.
35) R. Narasimhachar, The Ke.sava Tempel at Somana-
thapura, Bangalore 1917, etc.
30) Coomaraswamy, Jndian Drawings, London 1910—12;
Mediaeval Sinhalese Art, London o. J. Tanjore war die
Hauptstadt der Cholas.
37) V. A. Smith, Early History of India, Oxford 1925 2.
3S) Fr. Hirfh and W. W. Rockhili, Chu-fan-chi by Chau
Ju-kua, Petersburg 1912.
3<J) Z. B. bei H. H. Juynboll, Katalog des Ethnographi-
schen Reichsmuseums, Bd. 11: Java II, Leiden 1914,
no. 1679/6, 1503/4, usw.
Man wird sich bewußt bleiben müssen, daß die Zeit
für eine gesicherte Geschichte der indischen Waffen
noch nicht gekommen ist. Was uns an Originalen er-
halten, ist alles junger Herkunft, und wir können nur
aus Stil, Typ und Vergleich mit anderen Gebieten, so-
wie aus spärlichen Nachrichten und alten Darstellun-
gen Rückschlüsse versuchen. Daß dabei vieles vor-
erst nur wahrscheinlich gemacht werden kann, man-
Abb. 4c. Schwert aus Java, 18. Jh. Sammlung von Le Coq, Berlin. Griff ein
Rahshasa-Kopf, unter dem Einfluß des „Löwenkopf“-Griffes in der Entwick-
lung zur Volute.
ches überhaupt nur Hypothese bleibt, ist unvermeid-
lich. Unter diesen Vorbehalten darf man aber viel-
leicht folgende Entwicklungsreihe für den Kris auf-
stellen: 1. Altindisches Schwert; 2. Tantrisches Zau-
berschwert; 3. Pasupati-Kris mit Räkshasa-Griff,
Ende 13. Jahrhundert; 4. Kris mit Garuda-Griff;
5. Kris mit ,,Löwen“griff, 14. Jahrhundert(???), un-
ter südindischem Einfluß; 6. Kris mit Pferdekopf-
Griff, 16./17. Jahrhundert.
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HERMANN GOETZ: BEITRÄGE ZUR INDISCHEN WAFFENKUNDE
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dert, die Zeit der Auflösung des Chola-Reiches. Von
der Kunst dieses Staates ist uns zwar nicht genug er-
halten, um hieraus Folgerungen ziehen zu können,
aber die Architektur derHoysala-Könige inMaisur35)
zeigt zum ersten Male jene allgemeine Auflösung aller
Gestalten in barockes, schweres Blattwerk, welches
bis heute die Künstler in Tanjore30) und Nordcey-
lon weiterpflegen. Andererseits findet sie sich in der
Plastik der späteren Pälakönige Bengalens, welche
unter dem Einfluß der Cholas standen. Die Chola-
Herrscher37 *) aber trugen ihre Waffen bis nach Ara-
kan, Malakka und Sumatra, und auch nach dem Nie-
dergang ihres Reiches bestand ein reger Handelsver-
kehr zwischen Südindien und Indonesien, wie das
chinesische Handbuch Chu-fan-chi des Chao-Ju-
kua36) aus dem 13. Jahrhundert verrät. Hierbei ist
wohl dieser Waffentgp nach Java vermittelt worden,
noch in einer Zeit, als der Islam in Südindien sowohl
wie in Java noch nicht sich fühlbar machte; denn die
islamischen Komponenten fehlen noch ganz auf den
javanischen Schwertern, während die uns erhaltenen
südindischen längst den Handschutz nach persischem
Vorbilde angefügt haben. Die Beziehungen können
aber auch später nicht abgebrochen sein, denn die
Ornamentik beider Gebiete zeigt soviel gegenseitige
Ähnlichkeiten, und gerade an den Krissen, daß es
fraglich erscheinen muß, ob dies nur eine parallele
Entwicklung aus der gemeinsamen Wurzel der Chola-
Kultur sein mag.
Am jüngsten sind dann die Krisse mit Pferdeköp-
fen39) und ähnlichem. Freilich hat sich auch hier die
einheimische Überlieferung zäh gehalten, so daß man
— drollig genug — am Hals oder Rücken dieser
neuen Grifftypen oft genug auf das Relief eines Ga-
ruda oder die Maske eines Räkshasa stoßen kann.
Aber das Motiv selber ist der persisch-türkischen
Kunst entnommen, wo es seit etwa dem 16./17. Jahr-
hundert sehr häufig geworden ist.
35) R. Narasimhachar, The Ke.sava Tempel at Somana-
thapura, Bangalore 1917, etc.
30) Coomaraswamy, Jndian Drawings, London 1910—12;
Mediaeval Sinhalese Art, London o. J. Tanjore war die
Hauptstadt der Cholas.
37) V. A. Smith, Early History of India, Oxford 1925 2.
3S) Fr. Hirfh and W. W. Rockhili, Chu-fan-chi by Chau
Ju-kua, Petersburg 1912.
3<J) Z. B. bei H. H. Juynboll, Katalog des Ethnographi-
schen Reichsmuseums, Bd. 11: Java II, Leiden 1914,
no. 1679/6, 1503/4, usw.
Man wird sich bewußt bleiben müssen, daß die Zeit
für eine gesicherte Geschichte der indischen Waffen
noch nicht gekommen ist. Was uns an Originalen er-
halten, ist alles junger Herkunft, und wir können nur
aus Stil, Typ und Vergleich mit anderen Gebieten, so-
wie aus spärlichen Nachrichten und alten Darstellun-
gen Rückschlüsse versuchen. Daß dabei vieles vor-
erst nur wahrscheinlich gemacht werden kann, man-
Abb. 4c. Schwert aus Java, 18. Jh. Sammlung von Le Coq, Berlin. Griff ein
Rahshasa-Kopf, unter dem Einfluß des „Löwenkopf“-Griffes in der Entwick-
lung zur Volute.
ches überhaupt nur Hypothese bleibt, ist unvermeid-
lich. Unter diesen Vorbehalten darf man aber viel-
leicht folgende Entwicklungsreihe für den Kris auf-
stellen: 1. Altindisches Schwert; 2. Tantrisches Zau-
berschwert; 3. Pasupati-Kris mit Räkshasa-Griff,
Ende 13. Jahrhundert; 4. Kris mit Garuda-Griff;
5. Kris mit ,,Löwen“griff, 14. Jahrhundert(???), un-
ter südindischem Einfluß; 6. Kris mit Pferdekopf-
Griff, 16./17. Jahrhundert.
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