HEFT 9
J. BERNHARDT: BEZEICHNUNGEN MITTELALTERLICHER SCHWERTER
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konnten, machten sie sich, so gut es ging, mund-
gerecht. Besonders machte ihnen die Aussprache des
oben beschriebenen germanischen in und vor allem
die Lautverbindung wu am Anfang eines Wortes
Schwierigkeiten. In letzterem Falle ließen sie oft das
w einfach weg, wie schon die Griechen z. B. den go-
tischen Namen Wulfila in Ulphilas verwandelt hat-
ten. So finden wir in der von dem Langobardischen
beeinflußten Sprache Italiens seit der Mitte des 9.
Jahrhunderts Formen wie Ulfegangus, Ulfari, Ulfe-
rado9), ähnlich in Gallien Ulfegaud, Ulfiardis, Ulfing
u. a. Und so werden wir durch den Namen Ulfberht
vielleicht nach Gallien geführt, wohin uns auch die
oben erwähnten Waffen des Westgotenkönigs Theo-
derich und des fränkischen Königs Childerich wei-
sen und wohin ältere Forscher schon die Herstellung
der Ulfberhtklingen verlegt haben.
Für die Ingelredschwerter nehmen die Fach-
leute Herstellung an mehreren Orten in verschiede-
nen Werkstätten an. So sagt Wegeli a. a. 0. S.220:
„Die Ingelredschwerter sind nicht in einer Werk-
stätte gefertigt worden, und es ist daher nicht mög-
lich, ihre Herkunft zu präzisieren“. Um so mehr muß
es überraschen, wenn behauptet wird, sie seien ber-
gischen Ursprungs. Das kann unter so bewandten
Umständen wohl nur den Sinn haben, daß wenigstens
eine Reihe von ihnen, und zwar offenbar die echten,
im Bergischen entstanden seien, während andere, und
zwar die nachgemachten, andere Herstellungsorte
hätten. Welche Beweise werden dafür angeführt, daß
im Bergischen überhaupt Ingelredklingen hergestellt
seien ? Die Schlußfolgerung scheint folgende zu sein:
Ingelred ist gleich Engelrad. Wenn nun auch Engel
und Ingel in Namen wechseln, so macht die Silbe red
desto größere Schwierigkeiten; red = rad könnte frie-
sisch sein. Nehmen wir aber auch an, daß Ingelred
wirklich gleich Engelrad sei (es ist aber nur eine An-
nahme, weiter nichts), so wissen wir auch noch nicht
mehr. Der Name Engelrad findet sich einige Male
in Westfalen und, wie es scheint, in Holland, einmal
auch im Bergischen, im Kloster Dhünwald. Der
Name der Örtlichkeit Engelrdfh zwischen Altenberg
und Burscheid ist fernzuhalten; er gehört zu den im
Bergischen dutzendweise vorkommenden Namen auf
-rath, welches „Rodung“ bedeutet, während rad in
Personennamen „Rat“ heißt. In Solingen ist der Na-
me Engelrad nicht nachgewiesen, und wenn es der
Fall wäre, so würde dies auch nichts beweisen. Muß
denn jeder Träger dieses Namens gleich ein Schwert-
fabrikant sein? Auf diese Weise könnte man auch
9) Bruckner, Die Sprache der Langobarden. Straßburg,
Trübner 1895, § 48.
behaupten, die Ingelredschwerter seien in Köln ange-
fertigt, weil in einer kölnischen Urkunde der Name
Engelrad (nach rheinischer Weise Engelrait, -raidt
geschrieben) begegnet. Übrigens findet sich derName
Ingelrada schon bei den Langobarden in Italien. Der
Name Engelrad genügt wirklich nicht, den Ort der
Herkunft der Ingelredklingen zu bestimmen.
Die Inschriften auf den Klingen geben auch keine
weitere Auskunft. Auf einem Schwert im Staatl. Histo-
rischen Museum zu Dresden istHOMODEI zu lesen.
Wegeli S. 219 bemerkt dazu: „Homines Dei, Gottes-
streiter, wurden die Teilnehmer an den Kreuzzügen
genannt“. Homo hat im mittelalterlichen Latein
außer dem gewöhnlichen Sinn noch die Bedeutung
„Lehnsmann, Vasall“, wie im Französischen homme
(de foi), vgl. hotntnage Huldigung eines Vasallen.
Kelleter meint, mit homo Dei, das auch mit vir Dei
abwechselt, könne nur ein Geistlicher gemeint sein,
nicht ein Ritter. Er führt aus des Cäsarius von Hei-
sterbach Dialogus Miraculorum mehrere Beispiele
dafür an und sagt: „Cäsarius versteht, und seine Le-
ser und Zeitgenossen verstanden unter homo oder vir
dei nur den „Gottesmann“, d. h. den Geistlichen“
und fügt in einer Anmerkung hinzu: „Cäsar scheint
also die Anwendung auf „Kreuzfahrer“ nicht zu ken-
nen“. Nun ist es sehr mißlich, aus dem Schweigen
Folgerungen zu ziehen. In der außerordentlich ge-
ringen Anzahl der Geschichten des Cäsarius, die auf
die Kreuzzüge Bezug haben, hatte der Schriftsteller
keine Gelegenheit oder Veranlassung, den in Rede
stehenden Ausdruck für Kreuzfahrer zu gebrauchen.
Es findet sich aber tatsächlich in diesem Sinne, z. B.
bei des Cäsarius älterem Zeitgenossen Arnold von Lü-
beck, wo im Buch 4 Kap. 12, nachdem ein Kriegsrat
des Kaisers Friedrich I. auf seinem Kreuzzuge in
Kleinasien geschildert ist, am Schluß gesagt wird:
Placuit imperatori tanta virorum Dei constantia, dem
Kaiser gefiel solche Standhaftigkeit der Männer Got-
tes. Die Teilnehmer an dem Kriegsrat werden doch
wohl Ritter gewesen sein. Wie dem aber auch sei,
über die Herkunft solcher Schwerter geben die In-
schriften keinen Aufschluß.
Über die Gicelinschwerter kann ich mich kürzer
fassen. Wo Meister Gicelin gewirkt hat, weiß man
nicht10). Man hat ihn wohl nur des Gleichklanges
wegen mit einem Laienbruder Gezelin (Getzelin, Git-
zelin) zusammengebracht, der für das Kloster Alten-
berg die Schafe hütete. Was über ihn erzählt wird,
ist großenteils Sage11). Geschichtlich nachweisbar
10) Schiwietering, Meister Gicelin, Z. H. W. K. 7, 201.
xl) Zeitschrift des Bergischen Geschichts-Vereins Bd. 2,
Seite 117ff.
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J. BERNHARDT: BEZEICHNUNGEN MITTELALTERLICHER SCHWERTER
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konnten, machten sie sich, so gut es ging, mund-
gerecht. Besonders machte ihnen die Aussprache des
oben beschriebenen germanischen in und vor allem
die Lautverbindung wu am Anfang eines Wortes
Schwierigkeiten. In letzterem Falle ließen sie oft das
w einfach weg, wie schon die Griechen z. B. den go-
tischen Namen Wulfila in Ulphilas verwandelt hat-
ten. So finden wir in der von dem Langobardischen
beeinflußten Sprache Italiens seit der Mitte des 9.
Jahrhunderts Formen wie Ulfegangus, Ulfari, Ulfe-
rado9), ähnlich in Gallien Ulfegaud, Ulfiardis, Ulfing
u. a. Und so werden wir durch den Namen Ulfberht
vielleicht nach Gallien geführt, wohin uns auch die
oben erwähnten Waffen des Westgotenkönigs Theo-
derich und des fränkischen Königs Childerich wei-
sen und wohin ältere Forscher schon die Herstellung
der Ulfberhtklingen verlegt haben.
Für die Ingelredschwerter nehmen die Fach-
leute Herstellung an mehreren Orten in verschiede-
nen Werkstätten an. So sagt Wegeli a. a. 0. S.220:
„Die Ingelredschwerter sind nicht in einer Werk-
stätte gefertigt worden, und es ist daher nicht mög-
lich, ihre Herkunft zu präzisieren“. Um so mehr muß
es überraschen, wenn behauptet wird, sie seien ber-
gischen Ursprungs. Das kann unter so bewandten
Umständen wohl nur den Sinn haben, daß wenigstens
eine Reihe von ihnen, und zwar offenbar die echten,
im Bergischen entstanden seien, während andere, und
zwar die nachgemachten, andere Herstellungsorte
hätten. Welche Beweise werden dafür angeführt, daß
im Bergischen überhaupt Ingelredklingen hergestellt
seien ? Die Schlußfolgerung scheint folgende zu sein:
Ingelred ist gleich Engelrad. Wenn nun auch Engel
und Ingel in Namen wechseln, so macht die Silbe red
desto größere Schwierigkeiten; red = rad könnte frie-
sisch sein. Nehmen wir aber auch an, daß Ingelred
wirklich gleich Engelrad sei (es ist aber nur eine An-
nahme, weiter nichts), so wissen wir auch noch nicht
mehr. Der Name Engelrad findet sich einige Male
in Westfalen und, wie es scheint, in Holland, einmal
auch im Bergischen, im Kloster Dhünwald. Der
Name der Örtlichkeit Engelrdfh zwischen Altenberg
und Burscheid ist fernzuhalten; er gehört zu den im
Bergischen dutzendweise vorkommenden Namen auf
-rath, welches „Rodung“ bedeutet, während rad in
Personennamen „Rat“ heißt. In Solingen ist der Na-
me Engelrad nicht nachgewiesen, und wenn es der
Fall wäre, so würde dies auch nichts beweisen. Muß
denn jeder Träger dieses Namens gleich ein Schwert-
fabrikant sein? Auf diese Weise könnte man auch
9) Bruckner, Die Sprache der Langobarden. Straßburg,
Trübner 1895, § 48.
behaupten, die Ingelredschwerter seien in Köln ange-
fertigt, weil in einer kölnischen Urkunde der Name
Engelrad (nach rheinischer Weise Engelrait, -raidt
geschrieben) begegnet. Übrigens findet sich derName
Ingelrada schon bei den Langobarden in Italien. Der
Name Engelrad genügt wirklich nicht, den Ort der
Herkunft der Ingelredklingen zu bestimmen.
Die Inschriften auf den Klingen geben auch keine
weitere Auskunft. Auf einem Schwert im Staatl. Histo-
rischen Museum zu Dresden istHOMODEI zu lesen.
Wegeli S. 219 bemerkt dazu: „Homines Dei, Gottes-
streiter, wurden die Teilnehmer an den Kreuzzügen
genannt“. Homo hat im mittelalterlichen Latein
außer dem gewöhnlichen Sinn noch die Bedeutung
„Lehnsmann, Vasall“, wie im Französischen homme
(de foi), vgl. hotntnage Huldigung eines Vasallen.
Kelleter meint, mit homo Dei, das auch mit vir Dei
abwechselt, könne nur ein Geistlicher gemeint sein,
nicht ein Ritter. Er führt aus des Cäsarius von Hei-
sterbach Dialogus Miraculorum mehrere Beispiele
dafür an und sagt: „Cäsarius versteht, und seine Le-
ser und Zeitgenossen verstanden unter homo oder vir
dei nur den „Gottesmann“, d. h. den Geistlichen“
und fügt in einer Anmerkung hinzu: „Cäsar scheint
also die Anwendung auf „Kreuzfahrer“ nicht zu ken-
nen“. Nun ist es sehr mißlich, aus dem Schweigen
Folgerungen zu ziehen. In der außerordentlich ge-
ringen Anzahl der Geschichten des Cäsarius, die auf
die Kreuzzüge Bezug haben, hatte der Schriftsteller
keine Gelegenheit oder Veranlassung, den in Rede
stehenden Ausdruck für Kreuzfahrer zu gebrauchen.
Es findet sich aber tatsächlich in diesem Sinne, z. B.
bei des Cäsarius älterem Zeitgenossen Arnold von Lü-
beck, wo im Buch 4 Kap. 12, nachdem ein Kriegsrat
des Kaisers Friedrich I. auf seinem Kreuzzuge in
Kleinasien geschildert ist, am Schluß gesagt wird:
Placuit imperatori tanta virorum Dei constantia, dem
Kaiser gefiel solche Standhaftigkeit der Männer Got-
tes. Die Teilnehmer an dem Kriegsrat werden doch
wohl Ritter gewesen sein. Wie dem aber auch sei,
über die Herkunft solcher Schwerter geben die In-
schriften keinen Aufschluß.
Über die Gicelinschwerter kann ich mich kürzer
fassen. Wo Meister Gicelin gewirkt hat, weiß man
nicht10). Man hat ihn wohl nur des Gleichklanges
wegen mit einem Laienbruder Gezelin (Getzelin, Git-
zelin) zusammengebracht, der für das Kloster Alten-
berg die Schafe hütete. Was über ihn erzählt wird,
ist großenteils Sage11). Geschichtlich nachweisbar
10) Schiwietering, Meister Gicelin, Z. H. W. K. 7, 201.
xl) Zeitschrift des Bergischen Geschichts-Vereins Bd. 2,
Seite 117ff.
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