Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Editor]; Verein für Historische Waffenkunde [Contr.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 2.1926-1928

DOI issue:
Band 2, Heft 9
DOI article:
Sitzungsberichte
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.69978#0234

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
222

SITZUNGSBERICHTE

BAND 2

gert Post eine Umkehr des bisher angenommenen Ent-
wicklungsgangs (s. Schema): Neben dem gradbügligen war
im 11. Jahrhundert zuerst der Sporn mit abwärtsgeneigtem
Dorn und mindestens seit der zweiten Hälfte des 11. Jahr-
hunderts, daraus sich entwickelnd, der Sporn mit außer-
dem abwärtsgebogenen Bügeln da. Der Sporn mit auf-
wärtsgerichtetem Stachel bildet anscheinend nur eine Epi-
sode am Ende des 12. und zu Beginn des 13. Jahrhunderts,
neben dem sich die abwärtsgerichtete schließlich als end-
gültige Form durchsetzt. Ferner vermutet P., daß die
Mehrzahl der erhaltenen, keineswegs seltenen gradbüg-
ligen Sporen mit abgebogenem Stachel abwärtsgerichtet
getragen wurde, wie es das bei Forer abgebildete Grab-

als beim Sporn mit geschweiften Bügeln. Tatsächlich
dürfte die Abwärtsbiegung des Stachels in keinem unmit-
telbareren Zusammenhang mit der Abwärtsbiegung der
Bügel gestanden, sondern lediglich festerem Halt des
Sporns gedient haben, die dadurch erzielt wurde, daß der
eng an den Fuß geschmiegte Bügel unter Ausnutzung des
anatomischen Baus des Fußes unten um den Knöchel ge-
führt wurde. Wirkt doch in derselben Richtung die später
allgemeine kappenartige Verbreiterung des Bügels.
Der gotische Radsporn übernimmt im allgemeinen die
vom romanischen Stachelsporn entwickelte Abwärtsstellung
des Sporenhalses und die Knöchelschweifung der Bügel.
Die seit dem 14. Jahrhundert zu beobachtende, allerdings

Abb. 1. Entwicklungsschema des romanischen Sporns.

£00
WO
4
4—
5050
4050
40004^4050
4050
4450
_*
4050
44 00
-4ri6
■S250
■/gJO
4/50
^05)
7250
_*

mal eines Hohenlohe aus dem Beginn des 13. Jahrhun-
derts zeigt (Taf. V, 10), also der frühsten Form des
Sporns mit gesenktem Dorn angehören, für deren
frühste Geltungszeit die bildlichen Vorbilder noch zu su-
chen sind. Ihr Aufkommen muß jedenfalls vor die zweite
Hälfte des 11. Jahrhunderts gerückt werden, in die die zi-
tierte Abbildung bei Boeheim (dort übrigens falsch inter-
pretiert) mit abwärtsgebogenem Stachel und Bügeln fällt.
Als vermutlichen Grund für die Senkung des Stachels gibt
Post den durch die veränderte Kampfweise mit dem Reiß-
spieß seit dem 11. Jahrhundert bedingten höheren Sattel-
sitz an.
Diie Abwärtsbiegung und Ausschweifung der Spornbügel
wird, unter Vorangang von Forrer irriger Weise mit der
Senkung des Stachels in Zusammenhang gebracht, angeb-
lich um zu verhindern, daß der Stachel beim Gehen
zu Fuß auf der Erde schleife. Zutreffendenfalls würde
diese Erklärung die Wirkung des abwärtsgebogenen Sta-
chels, wie er auch immer gewesen sein mag, aufgeho-
ben haben und sinnlos erscheinen lassen. Tatsächlich aber
war eine solche Maßnahme überhaupt überflüssig, da, auch
der alte gradbüglige Sporn sehr hoch über der Ferse ange-
schnallt war, die Lage des Dorns also keine andere war

keineswegs allgemeine, wachsende Länge des Spornhalses
glaubt Post, soll man sie nicht als bloße Modeerscheinung
betrachten, unter Vorbehalt gleichfalls mit dem veränder-
ten Reitsitz, nämlich dem auf Darstellungen des 14. und
15. Jahrhunderts zu beobachtenden Vorstrecken der Beine
in Verbindung bringen zu können. Er stellt zur Erwä-
gung, wieweit dieser Sitz wiederum mit der Handhabung
des an Länge zunehmenden Reißspießes zu tun hat, etwa
in der Weise, daß das vorgestreckte Bein dem den Körper
nach vorn ziehenden Vorgewicht der Spießes begegnen
sollte.
Aufs bestimmteste lehnt P. die in der Waffenkunde bis-
her geltende Beziehung des langen Sporns zu der Plat-
tenpanzerung der Beine ab. Hindert doch die gleiche Ver-
wendung von Beinröhren im 16. Jahrhundert nicht, daß
der Sporn sich ganz allgemein wieder völlig verkürzt, und
sehen wir doch Geharnischte des 14. und 15. Jahrhunderts
meist mit kurzem Sporn ausgestattet.
Zu der von Post gegebenen Erklärung der Ur-
sachen des Reitsitzes mit weit vorgestreckten Beinen fügte
Herr Eckardt eine andere, aus einfachen Grundsätzen der
Mechanik hergeleitete, indem er nachwies, daß beim Gefecht
mit Stoßlanzen sowohl die bewegten Massen selber als
 
Annotationen