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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 2.1926-1928

DOI Heft:
Band 2, Heft 10
DOI Artikel:
Bohlmann, Robert: Ein Prunkharnisch des Herzogs Christian von Braunschweig
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.69978#0245

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HEFT 10

ROBERT BOHLMANN: EIN PRUNKHARNISCH DES HERZOGS CHRISTIAN USW.

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Zuschreibung des Harnisches an Herzog Christian
könnte man sich vielleicht auf das Zeughaus-Inventar
von 1732 stützen, wo unter Nr. 12 bei den Harnischen
aufgeführt wird: „Herzog Christian aufgestellter
ganzer Küras, von Haubt zu Fuß und streiflich ver-
güldet. Auf einem hölzernen Pferd mit Sattel und
Stirnblatt vor des Pferdes Kopf und einer Pferde-
stange"1). Hiermit könnte ja unser Harnisch gemeint
sein, denn ein Stirnblatt von gleicher Arbeit steht
nebst dem Nackenblech noch heute neben dem Har-
nisch, übrigens eine große sog. Klepperstirn mit
einem braunschweigischen Wappenschild, auf das
noch zurückzukommen sein wird.
Als ich den Harnisch vor vielen Jahren zum ersten
Male sah, habe ich seine Zugehörigkeit zu Christian
stark angezweifelt, denn seine Formen, namentlich
die Brust, deuten auf die Zeit zwischen 1580 und
1590 hin, das Ornament könnte man sogar noch
etwas früher ansetzen. Herzog Christian wurde
jedoch erst 1599 geboren. Der Harnisch beschäftigte
mich wieder und wieder. Da fand ich zufällig im
Palais Cumberland in Wien ein Bildnis in Öl, das in
Lebensgröße, bis zu den Knien, Herzog Christian in
unserem Harnisch darstellt und zwar mit solcher
Sorgfalt in allen Einzelheiten ausgeführt, daß ein
Zweifel ganz ausgeschlossen war. Also: Christian
besaß doch diesen Harnisch und ließ sich darin
malen. Das Bild, an dem ich keine Signierung be-
merken konnte, dürfte nach Dr. Binder von Herkules
Sanders gemalt sein. (Abb. 2.)
Wie kam nun aber Christian zu diesem Harnisch,
der s. Zt. auch schon ein gutes Stück Geld gekostet
haben muß? Christian, als vierter Sohn unter acht
Kindern, war nie in der Lage, sich ein solches Luxus-
stück zu kaufen, denn alles Geld, das er aufbringen
konnte, verbrauchte er für seine Kriegsrüstungen
und Werbungen. Könnte nun sein Vater, Herzog
Heinrich Julius, den Harnisch haben schlagen lassen?
Auch das scheint mir undenkbar, weil das Wappen
auf der Roßstirn das erst seit 1599 geführte braun-
schweigische Wappen mit fünf Helmen ist. Aber
würde sich um 1600 ein Fürst einen Harnisch haben
schlagen lassen, der die vor zwanzig Jahren modisch
gewesenen Formen zeigte? Noch viel weniger konnte
dies Christian noch zwanzig Jahre später tun, auch wenn
er die Mittel dafür gehabt hätte; denn ein Plattner
wäre für eine damals ganz veraltete Form nicht zu
!) Landes-Hauptarchiv zu Wolfenbüttel, Hofsachen 3,
Nachtrag: Inventarium etc. Die auf dem hiesigen Hoch-
fürstlich Wolfenbüttelschen Zeughause Anno 1732 neu an-
gelegte Rüst- und Harnischkammer. Die Harnische. Nr. 2,
Seite 89. Nr. 12.

finden gewesen. Das Bild mit Christian in diesem
Harnisch beweist uns nicht mehr als daß eben dieser
Harnisch, als der reichste in der fürstlichen Har-
nischkammer, für repräsentative Bildnisse von den
Malern bevorzugt wurde. Dies bestätigte nur der
Umstand, daß ich auf vier Bildnissen den Herzog
August d. J. in seinem letzten Lebensjahre, 1666, in
diesem Harnische gemalt erkennen konnte. (Abb. 3.)
Ein Bild eines älteren Mitgliedes des Hauses Braun-


Abb. 3. Bildnis Herzog Augusts d. J. von Braunschweig.

schweig in diesem Harnisch ist mir nicht bekannt ge-
worden.
Nun die Frage: wo und von wem ist dieser Har-
nisch geschlagen und geätzt? Da führte mich die Ver-
öffentlichung von,, An ElizabethanArmourer’s Album“
durch den Viscount Dillon auf die richtige Spur. Die
Zeichnungen sind in diesem Album ja herzlich
schlecht, aber auf die Ornamentierung hat der Zeich-
ner, der vielleicht der Atzmaler war, größeren Wert
gelegt. Und da ließ sich unzweifelhaft feststellen,
das einer der für Sir Christopher Hatton gefertigten
drei Harnische unser Harnisch sein muß (Abb. 4),
wenn man nicht annehmen will, daß der Künstler sich
nochmal wiederholt hat, was aber durchaus unwahr-
scheinlich ist. Unser Harnisch weicht von der Zeich-
nung des Albums nur in der Führung der Ätzstreifen
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