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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 2.1926-1928

DOI Heft:
Band 2, Heft 11
DOI Artikel:
Weyersberg, Albert: Die Verschleppung der Waffenherstellung durch Solinger Handwerksbrüder
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.69978#0267

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HEFT 11 ALBERT WEYERSBERG: DIE VERSCHLEPPUNG DER WAFFENHERSTELLUNG USW.

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schmiede. Von einem derselben heißt es, daß er
großer Prozesse \yegen hohe Strafen zahlen sollte
und „notwendig hat entweichen müssen“. Weiter
wird berichtet, daß im Jahre 1731/32 König Fried-
rich Wilhelm I. von Preußen der Kaiserin Anna
von Rußland im Austausch gegen vier große Russen
aus den auf Solingen und Cronenberg zurückgehen-
den Betrieben der Hagener Gegend acht Facharbeiter
überlassen habe12), denen ein Aufblühen der 1712 ge-
gründeten staatlichen Fabrik zuTula zuzuschreiben sei.
Als die alten Privilegien im Jahre 1809 gefallen
waren, stand der Auswanderung der Solinger Mei-
ster nichts mehr im Wege. Ein im Solinger Stadt-
archiv13) aufbewahrtes „Verzeichnis der von dem
Herrn Bergrath Eversmann (dem alten Königsrat)
zum Savodendienst Sr. Russischen Kaiserl. Majestät
engagierten Individuen aus der Gemeinde Solingen“
— die Gemeinden Dorp, Höhscheid, Wald undGräf-
rath werden weitere Auswanderer gestellt haben —
nennt den Klingenschmied Daniel Wolfertz mit sei-
ner Frau und sechs Kindern, den Härter Friedrich
Kirchhof, den Ätzer Wm. Melchiors, den Vergolder
Abr. Hartkopf mit Frau und vier Kindern, die
Messermacher Fr. Wilhelm und Peter Weyersberg,
diesen mit Frau und zwei Kindern und die Hefte-
und Griffmacher Daniel Ohliger mit Frau und vier
Kindern. Die Übersiedlung nach Slatoust im Gou-
vernement Ufa erfolgte im April 181414).
Sowohl in Rußland als in Frankreich und in
Dänemark waren Glieder der aus Solingen stam-
menden und dort noch zu Ende des 17. Jahrhunderts
ansässigen hervorragenden Büchsenmacher- und
Konstrukteurfamilie Kalthoff tätig: Caspar in Mos-
kau von 1638—1665, Wilhelm in Paris 1640 laut
eigenhändig unterzeichnetem Patentbrief König Lud-
wigs XIII., Peter in Sparpfennig um 1650 und Ma-
thias in Kopenhagen um 1650—1679. Johann Kalt-
hoff wird 1630 als Solinger Schöffe genannt und
Clemens Kalthoff wurde 1695 Solinger Bürger15).
„Caspar Kalthof zu Coppenhagen“ ließ am 15. Mai
1671 einen vor dem Ohliger Tor gelegenen Haus-
platz verkaufen. Soweit wir wissen, genossen die
Büchsenmacher ebenso wie die Helmbartenschmiede
und die Scheren- und Instrumentenmacher damals
in Solingen keinerlei Vorrechte; dafür waren sie
auch durch keinen Verbleibungseid gebunden.

12) Streckfuß, Berlin seit 500 Jahren, III, 78 und Cronau,
Geschichte der Solinger Klingenindustrie, Stuttgart 1885.
13) L P, A 8.
14) Monatsschrift des Bergischen Geschichtsvereins. El-
berfeld 1917 S. 51.
ls) Boeheim, Meister der Waffenschmiedekunst, Berlin
1897. Z. H. W. K. 1, 257, 6, 142.

Wirklich schädigenden Einfluß hatte die Ver-
pflanzung von Klingenschmieden und Schleifern, die
im Jahre 1661 nach Eilpe bei Hagen erfolgte. Kur-
fürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg ließ dort
„an der langen Riege“ für diese Kolonisten einen
Stahlhammer, zehn Schmiedehütten, drei Schleif-
kotten und acht bequeme Wohnungen erbauen. Ne-
ben der Klingenfabrik bestand in Eilpe eine Messer-
macherzunft, zu der auch die Messerschmiede zu
Wetter gehörten. Unter den Solingern, die in Eilpe
ansässig wurden, waren die Namen Adrian, Butz,
Engels, Hassel, Hermes, Plenius, Schaberg, Schim-
melbusch — ein Paulus Schimmelbusch kehrte 1709
aus dem Märkischen nach Poschheide bei Wald zu-
rück — und Wurm vertreten. Bis zum Jahre 1680
wanderten 141 Seelen aus Solingen und Wald nach
Hagen, das damals im ganzen nur 650 Einwohner
zählte. 1682 entstand durch die Zugezogenen die
Hagener reformierte Kirchengemeinde. 1725 lie-
ferte die Eilper Fabrik besonders Klingen und Sä-
bel für die preußischen Truppen, machte aber auch
Sendungen nach Hamburg und Lübeck. Ihr Zeichen
war laut Privilegium das brandenburgische Kur-
zepter. Durch König Friedrich Wilhelm I. wurden
Hagener Schmiede in die staatlichen Werkstätten
nach Spandau und Neustadt-Eberswalde versetzt.
Da sich Stahl und Kohle für die Hagener, Has-
per, Eilper und Gevelsberger weit billiger stellten als
für den Solinger Bezirk, bereiteten sie diesem mit
der Zeit hauptsächlich in einfachen Klingen geringer
Qualität, wie den „Sackhauern“, einen empfindlichen
Wettbewerb und zogen namentlich die Bestellungen
auf „grobes Seegut“, nämlich billige Schiffs- und
Plantagenmesser, und auf Schwerter für Innerafrika
(Barbaren) an sich. In besseren Qualitäten behielt
Solingen indeß die Oberhand, und mehr und mehr
ging die Hagener Klingenfabrikation zurück, nach-
dem das bergische Land 1815 auch mit Preußen
vereinigt worden war.
1780 soll der spanische Minister Florida Bianca
in Solingen gewesen sein, um sich zu erkundigen,
ob Solinger Schmiede für die damals fertiggestellte
staatliche Fabrik bei Toledo „La fabrica de armas“
zu bekommen waren1“).
Zumal in den gegen Ende des 18. Jahrhunderts
eingetretenen schweren und beschäftigungslosen Zei-
ten hörten die ärmeren Handwerksbrüder begreif-
16) Page, La Contellerie depuis l’origine jusqu’ä nos
jours. Bd. VI, S. 1289, Chatellerault 1904. — Bergische
Volksbücher, Lindlar 1910 S.14.—Die Mitteilungen vonPage,
Bd. II S. 336, im 13. Jahrhundert seien flämische Messer-
schmiede durch die Grafen von Berg nach Solingen
gezogen worden, hat wenig Wahrscheinlichkeit für sich.
 
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