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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 2.1926-1928

DOI Heft:
Band 2, Heft 12
DOI Artikel:
Potier, Othmar: Zinsschwerter
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.69978#0291

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HEFT 12

OTMAR BARON POTIER: ZINSSCHWERTER

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reich gelegenen Benediktinerklosters Kremsmünster
leisten mußte.
Die sozial-religiöse Bewegung unter den süddeut-
schen Bauern am Ende des 16. Jahrhunderts warf
ihre Wellen auch nach Oberösterreich hinein, wo
sich in dem Zeitraum von 1595 bis 1597 besonders
die Bauern des Traunviertels durch gewalttätige
Widerspenstigkeit hervortaten.
Aus diesen Angst jähren des Sturmes und Dranges
sei eine Episode herausgegriffen.
Am 25. November, dem Katharinentag, 1596 er-
schienen viertausend Bauern vor dem Stift Krems-
münster, der ehrwürdigen Gründung des unglück-
lichen Bayernherzogs Tassilo. Durch vier Tage be-
drängten die Aufsässigen das Kloster, konnten aber
gegen dessen feste Mauern und starke Tore um so
weniger ausrichten als hinter denselben ein ganzer
Mann gebot. Das war der Abt Johannes Spindler,
der beharrlich den Bauern, obwohl deren Wort-
führer ihn an Leib und Leben bedrohten, jegliches
Zugeständnis abschlug. Die Führer dieses Bauern-
haufens waren der Gastwirt Georg Tasch und der
dem Stift hörige Hans Saling, der Besitzer des
Gatterbauerngüteis in der Pfarre Kematen a. d.
Krems. Beide Männer wurden später als die vor-
züglichsten „Leger und Heber“ des Aufruhrs, der
eine zu Steyr, der andere zu Wels als den Haupt-
orten des Traunviertels mit dem Schwert gerichtet,
nachdem schon am 9. August 1597 der Hof des
Gatterbauers auf Befehl des kaiserlichen Obristen
Gotthard v. Starhemberg zum abschreckenden Bei-
spiel niedergebrannt worden war.
Ebenso blutig und grausam wie der Vorstoß der
Bauernschaft gegen die Stände Oberösterreichs war
die Wiedervergeltung der Stände an den niederge-
worfenen Aufrührern. Darin machte auch das Stift
Kremsmünster keine Ausnahme.
Das Stift hatte zwar am 24. April 1600 den Bau
eines neuen Hauses auf dem Gatterbauergütei, je-
doch nicht auf der alten Hofstelle, erlaubt. Dabei
wurde aber dem Besitzer dieses „Radelführergutes“,
wie in den Akten dieses Gut nun wiederholt genannt
wird, zum ewigen Gedächtnis an die Untreue eines
Gatterbauers folgender Schandzins auferlegt: der
jeweilige Gatterbauer hatte am Katharinentag eines
jeden Jahres vor der Abtei zu erscheinen und dem
Hofrichter als dem die niedere Gerichtsbarkeit aus-
übenden Beamten der Grundherrschaft kniend ein
blankes Schwert im Werte von zwölf Schillingen zu
überreichen. Diesem demütigenden Bußgang des
Gatterbauers hatten mindestens drei Nachbarn des

Bauers oder drei von der Gegenseite gestellte Unter-
tanen als Zeugen beizuwohnen.
Dieser dem Gatterbauer auferlegte Schandzins er-
hielt sich aber nur bis 1650. Wegen der entehrenden
Abgabe wechselte das Anwesen rasch seine Herren,
endlich mochte es überhaupt niemand mehr „stif-
ten“. Leider ist weder im Original noch im Bild ein
solches Zinsschwert von Kremsmünster auf uns
gekommen.
Das ist der Ursprung und die Geschichte der
beiden mir bekannten Fälle des Schwertzinses.
Beide Male verdankt diese ungewöhnliche Abgabe
politisch bewegten Zeitläuften ihr Entstehen. Merk-
würdig ist die Ursache dieser Steuer. Das einemal
bedeutet der Zins eines Schwertes eine Ehrung. Das
anderemal hat er, besonders dann, wenn man die
genau vorgeschriebenen Förmlichkeiten bei der Lei-
stung dieser Abgabe berücksichtigt, den Charakter
eines ausgesprochenen Schandzinses. Das biblische
„Aug um Aug, Zahn um Zahn“ findet sich beim
Kremsmünsterer Schwertzins förmlich ins Fiska-
lische übertragen. Man greift fast mit den Händen
den Gedanken, der diese Art Steuer vorgeschrieben
haben mochte: Du, Gatterbauer, brachtest durch
deine Untreue Unehre über dein Haupt — also leb
auch in Unehren! Diesen Gedankengang beherrscht
ersichtlich die tief in der Seele des deutschen Vol-
kes wurzelnde Vorstellung von der unbedingten
Treuepflicht des Gefolgsmannes seinem geborenen
oder erkorenen Herrn gegenüber. Die Treue in
ihren vielen Formen durchzieht ja auch wie Orgel-
klang als Leitmotiv und Schlußakkord das hohe
Lied von deutscher Treue, das Lied von der Nibe-
lunge Not und Untergang. In Kremsmünster also
die bestrafte Untreue durch öffentliche und dau-
ernde Minderung der Ehre, in Hradisch die be-
lohnte Treue durch bleibende Mehrung der Ehre.
Beiden Steuern ist endlich das gemeinsam, daß sie
sich in der vom Landesherrn, von der Gutsherrschaft
auf dem Papier vorgesehenen Form aus praktischen
Gründen nicht lang halten können. Bargeld lacht.
An diese alte Wahrheit erinnerten sich bald König
und Bürger in Prag wie in Hradisch, während die
Seele des ungebildeten oberösterreichischen Bauers
instinktiv ahnen mochte, daß ein Leben in Unehre
kein Leben sei und er darum lieber auf sößhaftes
Hausen auf einem so verfluchten Boden verzichtete.
Diesem Empfinden mußte endlich auch die Grund-
herrschaft Rechnung tragen und einen Zins auf-
heben, der ihr dauernd wirtschaftlichen Schaden zu
bringen drohte.
 
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