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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 2.1926-1928

DOI Heft:
Band 2, Heft 12
DOI Artikel:
Cripps-Day, F. H.; Beard, Charles R. [Mitarb.]: Noch einmal der Prunkharnisch des Herzogs Christian von Braunschweig
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.69978#0293

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HEFT 12 F. H. CRIPPS-DAY UND CHARLES R. BEARD: NOCH EINMAL DER PRUNKHÄRNISCH USW. 281

Es muß darauf hingewiesen werden, daß die Form
der Harnische, wie wir sie im „Jacobe Album“ wie-
dergegeben finden, nur jenen genau entspricht, die
gleichzeitig mit dem Album entstanden sind, also mut-
maßlich etwa 1600—1603. Dieser wesentliche Punkt
mag Bohlmann entgangen sein. Von der Annahme, daß
der Waffenschmied Jacob Topf mit irgend einem der
Harnische, die im Album abgebildet oder in Green-
wich geschlagen sind, in Verbindung zu bringen sei,
ist man, wie wir kaum zu erwähnen brauchen, schon
lange zurückgekommen.
Der Braunschweiger Harnisch ist keineswegs voll-
ständig. Ursprünglich besaß er Handschuhe (gaunt-
lets), Turnier-Stücke (Tilt-pieces), Doppelachsel
(grand-guard), Ellbogenverstärkungsstück (pass-
guard) und Tatze (mainfere), einen Handschuh mit
Federschluß (locking gauntlet) für das Rennen, Sat-
telbleche (saddle-steels) und Steigbügel (stir-
rups) und eine oder zwei Lanzen-Brechscheiben
(Vamplates). Diese Stücke existieren noch bei
den Harnischen des Grafen Cumberland und
des Prinzen Henry. Die Mehrzahl der Stücke, die
bei dem braunschweiger Harnisch fehlen, ist unwi-
derruflich verloren. Die Handschuhe jedoch, wie auch
Bohlmann bemerkt, sind möglicherweise diejenigen,
die sich jetzt im Metropolitan Museum of Art, New
York, befinden. Sie waren früher in der Sammlung
Londesborough5), wohin sie vermutlich durch einen
Kauf bei der Auktion der Sammlung Pembroke,
1851, gelangten, ohne daß diese Annahme indessen
nachgeprüft werden könnte. Von ihrer früheren Ge-
schichte ist nichts bekannt; die Einzelheiten ihrer
Verzierung lassen jedoch die Möglichkeit nicht zu,
daß sie jemals zum cumberlandschen oder zum
Harnisch des Henry, Prinzen von Wales, gehört
hätten. Und dadurch, daß sie braunrot und gold
sind, wird jede Möglichkeit, daß sie zum zweiten
Hattonschen Harnisch gehört hätten, von der Hand
gewiesen, da dieser im Jacobealbum weiß und gold
wiedergegeben ist. Es ist indessen denkbar, daß
sie einmal zum Harnisch des George Carew, Earl
of Totnes, gehört haben, dessen Harnisch braun-
rot und gold war, was wir auf seinem Portrait in
der National Portrait Gallery erkennen können, auf
dem der Kragen sichtbar ist. Eine der Lanzen-
Brechscheiben, die zu dem braunschweiger Har-
nisch gehört, befindet sich, wie auch Bohlmann
richtig bemerkt, tatsächlich im Londoner Tower
(Nr. III, 890). Diese war bis jetzt als Teil des
zweiten Harnischs des Sir Christopher Hatton ver-
zeichnet. Diese Bezeichnung ist irrig. Zunächst
5) Nr. 462 des Versteigerungs-Katalogs.

einmal besaß der Hattonsche Harnisch überhaupt
keine Lanzen-Brechscheiben, das können wir an
Hand des Jacobealbums ohne weiteres als
Tatsache hinnehmen. Zweitens sind die Arabesken
auf dieser Lanzen-Brechscheibe so kunstvoll, daß sie
mit denjenigen des gezeichneten Harnischs nicht
übereinstimmen. Und drittens waren die senkrechten
Streifen auf dem Harnisch mit geätzten Arabesken
und mit Trophäen von Waffen, Trommeln usw. ver-
ziert. Die Atzung auf der Lanzen-Brechscheibe be-
steht aber nur aus Arabesken. Die Verzierung die-
ses Stückes entspricht indessen genau derjenigen des
braunschweiger Harnischs. Ferner ist diese Lan-
zen-Brechscheibe immer in der königlichen Samm-
lung gewesen, sei es im Tower oder sonstwo, und
nur hier dürfen wir natürlich erwarten, Teile eines
Harnischs zu finden, der bei der Übergabe an
seinen Besitzer unvollständig war.
Die Umstände, die zur Anfertigung des braun-
schweiger Harnischs führten, und seine Geschichte
bis zu dem Zeitpunkt, an dem er England verließ,
sind folgende:
Am 29. März 1610 erwartete man in London den
Besuch6) des Prinzen Friedrich Ulrich von Braun-
schweig (J 1634) — in Briefen und Urkunden jener
Zeit gewöhnlich „der Herzog von Braunschweig“ ge-
nannt — der damals 18 Jahre alt war. Er war der äl-
teste Sohn des Herzogs Heinrich Julius von Braun-
schweig-Wolfenbüttel (f 1613) und der Schwester
der Königin Anna. Er stieg im St. James Palast ab
und besuchte mit seinem Vetter, dem Prinzen Henry,
der gleich ihm sich an allem begeisterte, was zum
Kriegshandwerk gehörte, die königlichen Werften,
die Flotte, die Arsenale und Zeughäuser. Daran an-
schließend unternahm er eine Reise durch England,
bei der er Oxford, Gloucester, Bristol und Bath
berührte7)- Auf die Kunde von der Ermordung
Heinrichs IV. von Frankreich reiste er eilends nach
London zurück, wo er der Feier der Verleihung des
Titels des Prinzen von Wales an den Prinzen Henry
am 4. Juni beiwohnte8). Gegen Ende Juni kehrte
er nach dem Kontinent zurück9). Vor seiner Ab-
reise wurde bei den königlichen Werkstätten zu
6) John Nichols: The Progresses... of King James I,
Ausg. 1828, Bd. II, pg. 290. Vgl. auch Les Ambassades
de M. de la Broderie, Bd. V, pg. 222.
7) Verschiedene Briefe im Brit. Museum. Hari. MS.
7007.
8) Brief von Dudley Carleton vom 17. Juni 1610, zitiert
von Thomas Birch: The Court and Times of James I, Bd. I,
pg. U4.
9) Brief aus Canterbury vom 23. Juni 1610 im Brit. Mus.
Hari. MS. 7007, fol. 370.

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