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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 59.1926-1927

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Osborn, Max: Ausstellung der Berliner Secession: Herbst 1926
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https://doi.org/10.11588/diglit.9182#0217

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AUSSTELLUNG DER BERLINER SECESSION

HERBST 1926

A ls ich vor einigen Tagen, vier Wochen nach
J~\ der Eröffnung, die Herbstausstellung der
Secession am Berliner Kurfürstendamm wieder
einmal durchstreifte, fand ich die Säle schwarz
von Menschen. Ich blieb oben an der kleinen
Treppe, die in den Hauptraum hinabführt, stehen
und weidete mich an dem ungewohnt erfreu-
lichen Schauspiel. So etwas hat man in des
Reiches Hauptstadt lange nicht erlebt. Es ge-
nügt sicherlich nicht, die „ein wenig gebesserte
wirtschaftliche Lage" zur Erklärung heranzu-
ziehen, die es allerdings und glücklicherweise
mit sich gebracht hat, daß es sich nach und nach
wieder herumspricht, man könne gelegentlich
sogar ein Bild kaufen. Es genügt auch nicht,
auf das neu erstarkte Interesse des Publikums
für künstlerische Angelegenheiten zu verweisen,
obschon man es als angenehme Tatsache notie-
ren darf; den Tiefpunkt des Sumpfes der allge-
meinen Oberflächlichkeit haben wir offensicht-
lich durchwatet. Vielmehr muß, fraglos, die
Ausstellung selbst den wesentlichen Teil zur
Erklärung des Geheimnisses beitragen......

Wie macht sie das ? Nun, nicht etwa dadurch,
daß sie mit Sensationen oder mit einer unge-
wöhnlichen Reihe bedeutsamerLeistungen höch-
sten Ranges anrückte. Auch nicht durch auf-
regende revolutionäre Gebärden — zu denen
die Zeit wohl auch gar nicht gelaunt ist. Son-
dern durch ein lebhaftes, frohgemutes Auftreten,
durch Entfaltung einer wohltuenden farbigen
Lebendigkeit und durch geschickte, besonnene
Auswahl und Zusammenstellung. Zum ersten
Male fehlt in diesem Herbst Vater Corinth ganz.
Vorm Jahre, als man die letzten Werke aus
seinem Nachlaß präsentieren konnte, wirkte er
noch aus dem Grabe. Nun hat er erst eigent-
lich seine Getreuen verwaist zurückgelassen.
Man darf sagen: sie zeigen sich des abberufe-
nen Führers nicht unwürdig, den sie so hoch
verehren, daß bisher noch keiner aus ihrem
Kreise gewagt hat, sich als seinen Nachfolger
zum Präsidenten wählen zu lassen. Man ist mit
einer spezifisch berlinischen Energie der Selbst-
zucht an der Arbeit, das Erbteil zu verwalten,
die eignen Kräfte zu entwickeln und zu pflegen.

XXX. Januar 1627. 1
 
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