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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Wolf, August: Die Plastik auf der VII. internationalen Kunstausstellung in Venedig
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Aus Dänemark
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0045

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Aus Dänemark

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einiges Plastische durch Originalität der Auffassung
und ungewohnte Technik; so z. B. eine Terrakotta
von Steletzky, ein vorgebeugter weißgetönter Kopf
eines bartlosen jungen Mannes mit farbigem Haare,
und unglaublicher verschmitzter Lebendigkeit des Aus-
drucks, sowie der eckige Kolossalkopf Gorkis, der
erschreckend aus einem grauen Marmorklotze heraus-
wächst, sowie die phantastischen farbig glasierten
Terrakotten von M. Wrubel. — Norwegen hat nur
eine einzige aber sehr gute Büste geschickt von H.
Lerche. Sie stellt in Bronzeguß den Björnson
Björnsterne dar. Unter dem Wenigen bei den Fran-
zosen zieht die Bronzebüste des Malers Ziem von
Segoffin die Aufmerksamkeit auf sich durch die kari-
katurenhafte wahrhaft beängstigende Charakteristik
dieses Donquijote-Kopfes, sowie eine lebensgroße un-
schöne Nackte, welche sich kämmt, von Bartholome.
Hervorragendes sonst nichts. — Hier, wie auch in
noch anderen Räumen, einige Glasschränke mit
Schmuckgegenständen, Kleinplastik usw., welche je-
doch wenig beachtet, ihr Dasein kaum rechtfertigen
können. — Gehen wir zu den Italienern: Der oft mit
Recht bewunderte Canonico hat auch diesmal zwei
seiner reizenden Kinderbüsten ausgestellt, sowie eine
Gruppe zweier sich umklammernder Liebenden, mit
verzweifeltem Ausdrucke des Schreckens vor sich
starrend. Man liest im Katalog den Titel: »Der Ab-
grund«. — An Absonderlichem, Geschmacklosem fehlt
es natürlich auch hier nicht. Zu diesem gehört »Die
Mutter des Ermordeten« von F. Ciusa, ein mumien-
haft gespenstisch zusammengekauertes steinaltes Weib,
vor sich hinbrütend und die unendlich gemeine »Frau
Potiphar«, welche schwammig dick einherwatschelt, und
völlig nackt, mit gierig ausgestreckten Armen und
krampfhaften Händen ihren Joseph zu erhaschen sucht.
Wenn irgendwo so hätte hier die »gestrenge Jury«
ihres Amtes walten, und solch bestialischen Anblick
dem Publikum ersparen sollen. Diese, aller Sitte,
allem Erlaubten hohnsprechende lebensgroße Fleisch-
masse ist von Graziosi. — Von E. Cadorin »Lebens-
freude«, eine Gruppe dreier nackter Mädchen, welche
uns entgegenstürmen. Vortrefflich modelliert mit mo-
derner Absichtlichkeit mit dem Streben nach dem
Besten. Seine Plaketten in Elfenbein von vorzüglicher
Behandlung, besonders ein Porträt des Carducci. Der
talentvolle De Lotto sucht das erschreckende Geheim-
nis des Nachtwandeins in einer jugendlich männlichen
nackten Figur zu geben, sowie dem Schmerze einer
über die Leiche ihres Knaben hingeworfeneu ver-
zweifelten Mutter in einer großen Gruppe gerecht zu
werden. Marsiii hat eine sehr schöne weibliche Büste
von schmerzlichem Ausdruck »Düstere Zukunft« be-
nannt. Von M. Nono, wie die drei Vorgenannten
Venezianer, sehen wir eine feine Bronze: Ein Knabe
hält mit großer Anstrengung eine Büste vor sich.
Es soll derselbe einen jugendlichen Arbeiter in Pom-
peji darstellen, was ohne den Katalog unverständlich
bleibt. Leicht erklärt sich seine schöne, sich das Ge-
sicht verhüllende Nackte. — Es ist gar wenig, was
man hier von venezianischer Plastik zu sehen be-
kommt. — Der Neapolitaner jerase stellt zwei Büsten

aus: Crispi und f Mose Bianchi. — Unter den Lom-
barden zeichnet sich Bugatti mit einigen gut stilisierten
Tierfigürchen aus, Rosates mit einer Bronzebüste
Carduccis und einem reizenden kleinen Bronzefigürchen,
einer nackten Tänzerin von feinstem Flusse der Linien
bei kühnster gewagtester Bewegung. Diese kleine
vortreffliche Skulptur gemahnt an das beste, was uns
Pompeji beschert hat. — P. Troubetzkoy ist leider
nur mit zwei kleinen Tierstudien in Bronze vertreten;
Dal Castagne mit einer Anzahl vortrefflicher Medaillon-
skizzen größeren Maßstabes in kupferroter Bronze. —
Einige der besten Italiener haben nicht ausgestellt,
z. B. Trentacoste, Bistolfi, andere sind für das Victor-
Emanuel-Denkmal in Rom und den Justizpalast be-
schäftigt.

Wie man sieht, würde man sehr fehl gehen, den
Stand der heutigen Plastik nach dem Wenigen zu
beurteilen, was diese Ausstellung bietet. Fast wäre
man versucht, des Sartorio Malereien, weil Scheinreliefs,
zu den plastischen Erzeugnissen zu rechnen, doch
haben wir es ja hier mit einer Arbeit des Pinsels zu
tun. Ist .es beklagenswert, daß die Plastik ^uf all
diesen Ausstellungen immer mehr zur Nebensache
wird? Zu wünschen wäre, daß die größeren Werke
dieser edlen Kunst niemals zu reisen brauchten, und
nur die Kleinplastik, die zum Schmucke unserer
Räume dient, auf diesen großen Jahrmärkten, »Aus-
stellungen« genannt, die Käufer zu suchen brauchte.

AUG. WOLF.

AUS DÄNEMARK

Angeregt durch Vorgänge, wie die traurige Vernich-
tung des Restes vom Wiborger Budolfikloster, und andere
Geschehnisse, die gezeigt haben, daß die Denkmalpflege,
wie sie der Staat leisten kann, doch lange nicht wirkungs-
voll genug ist, hat sich in Dänemark im vergangenen
Winter eine große und starke Gesellschaft zum Schutze
der vaterländischen Denkmäler gebildet. Man will mög-
lichst die Bevölkerung selbst zum Verständnis heranziehen
und so von dieser Seite her der Tätigkeit des National-
museums, dessen Leiter zugleich der Denkmalpflege vor-
steht, Beistand leisten. Es ist eben auch in jenem Lande,
wo wir die Denkmäler in allersicherster Hut glaubten, weil
es vorbildliche Gesetze gibt, die Widerlage einer kräftigen
Volksbewegung im gleichen Sinne unentbehrlich. Dieses
um so mehr, als der Umstand, daß das Denkmälerpflegen
eine Tätigkeit der Staatsgewalt geworden ist, zwar Kraft
gibt, aber auch neue Angriffspunkte. So ist gegen die
verneinenden und zerstörenden Kräfte, die sich allmäh-
lich in prinzipiell werdende Gegensätze zur Denkmal-
pflege hineinarbeiten, eine besondere Gegenwirkung er-
forderlich. Ihr von Natur konservativer und schonungs-
voller Charakter kann ja dem Wesen der Linken nicht
behagen, und den Sozialisten ist, was mit ihr zusammen-
hängt, ein Greul und Ärgernis. So haben, um die Er-
haltung des Carmeliterhauses zu Helsingör, sehr heftige
Kämpfe bestanden und große Anstrengungen gemacht
werden müssen. Hier ist der Erfolg erfreulich gewesen,
und es ist dem Lande dadurch sein bestes Werk unter
den nicht kirchlichen Denkmälern gesichert und zu Ehren
gebracht. — Im Spätsommer sollen, wenn die Wasserver-
hältnisse günstig genug sind, die Ausgrabungen der Reste
des Schlosses Bordingholm bei Horsens in Jütland zu Ende
geführt werden. Dänemark ist an Burgen und ihren Resten
 
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